Lieber Dieter,
du bist mir ja einer mein Fortbleiben war nicht böse gemeint, oder unachtsam. Ich habe tiefe Freundschaften die sehe ich alle 2-3 Jahre, und wir haben keinen Kontakt dazwischen, und doch knüpfen wir immer wieder an - das nur zum Verständnis. "Abmelden" wollte ich mich nicht weil a., ich das nicht will und wollte und b., weil ich es mit dem Gehorsam wohl nicht so habe dennoch, rücksichtslos wollte ich nicht sein oder wirken. Ich war nur sehr erschöpft...auch krank, nicht schlimm aber eben am Limit. Kam jetzt morgens heim nach dem Pfingstwochenendendlichen Arbeiten und meinte den heiligen Geist fröhlich über den tiefrosa Pfingstrosen flattern zu sehen, die am Eck meines Gartens aufgegangen sind. Ein Traum!
Und ja, es gibt so Phasen da bin ich Wortlos, ich kann es nicht sagen (jetzt sag ich es schon wieder) Amitola würde vielleicht "sein" dazu sagen...ich habe ja gelegentlich hier mitgelesen und dann ist es so wie in dem Beitrag von Mario wo er schreibt, er fürchtet seine Frau nicht mehr ... zu spüren...oder so aktiv zu betrauern...da saß ich dann im Garten und schaute dem Nussbaum in sein Rindenauge und dachte darüber nach...und dachte
die Erinnerung zu dem oder den geliebten verstorbenen Menschen ist für mich momentan wie die Luft (das Atmen) sie ist überall, ich denke nicht darüber nach, aber ich brauche sie zum Leben.
Das ist also ein Zustand den du vielleicht als "fließen" sehen würdest....oder den ich so nenne würde, jetzt.
Deine Texte sind bezaubernd, jedes Mal wieder.
Die Stufen, für mich ein sehr persönliches Gedicht. Ich habe während der Zeit wo meine Mutter krank war 2 Filme gesehen, einmal "die Stadt der Blinden" und dann noch einen deutschen Film, kurz vor ihrem Tod, das war mitten in der Nacht...ich war sehr traurig, und in diesem Film ich weiß seinen Titel gar nicht, kam das Stufengedicht vor. "Wohlan mein Herz, nimm Abschied und gesunde"...diese Zeile hat sich mir eingegraben. Ich habe es ihr dann am Sterbebett vorgelesen und, sie hat ja nicht mehr gesprochen, ich hoffe sehr dass es ihr gefallen hat, und nicht zu "rigide" war. Bei der Urnenbestattung habe ich es auch vorgetragen. Ja, noch einmal nachgelesen fand ich bei Wiki die Information das es "Transzendiere!" heißen sollte, und persönlich gefällt mir die Vorstellung dass meine Mutter ein kleiner Säugling war, grad frisch geschlüpft, als Hesse das Gedicht am 4.5.1941 schrieb.
Und natürlich habe ich deinen Philosophieköder nur zu gerne geschluckt. Deine Worte sind so für sich stehend schön, wie eine Ikebana-Skultpur, da ist es für mich oft gar nicht so leicht etwas dazu zu stellen, oder ich will es gar nicht. Es ist ein stilles genießen. Ich glaube es war Horowitz der einmal sagte (oder ich glaube es einmal gelesen zu haben, mit ihm im Zusammenhang...) dass der Moment zwischen dem letzten Verklingen einer Musik und dem Applaus dem Künstler gehört. Auch in dem Sinn sie (das Publikum) vor Hocker gehauen zu haben. (Nichts ist schlimmer finde ich als diese öden Typen die schon in den letzten Akkord dick hineinklatschen -) was denkst du? Wenn also die Pause zwischen deinen Worten und dem Kommentar danach groß ist, dann hast du einfach einen sehr langen Moment für dich, zum genießen
Was mir als Feedback einfällt ist ein Text aus meinem Badewannenbuch, oder zwei Texte.
Als ich ihn vor längerer Zeit las habe ich schon daran gedacht ihn in einer unserer Diskussionen zu erwähnen. Jetzt passt er aber finde ich...und ich schreibe ihn mal hin als ... "bin wieder da und habe Brötchen mitgebracht" Pfingstgruß.
Ich finde diesen Gedanken sehr berührend, und freue ich mich ihn teilen zu dürfen.
PS der Gedanke dass die Trauer, der Zusammenbruch in dem Moment existiert, und geschieht, wo man beginnt zu lieben, nimmt auch der Trauer nach dem letzten Verlust die Spitze finde ich. Wieder schwer mit Worten zu sagen. Es ist wie ein Triumph der Liebe, des Liebens Wollen über alle Furcht. Barthes bezieht diesen Moment ja auf ein vermissen eines Partners der noch anwesend ist, aber ich finde dieser Gedanke kann sich auch auf das tiefste Vermissen, nach dem Tod des geliebten Menschen, beziehen.
Mit liebem wortreichem Gruß (mit starkem Schlafmangel, man verzeihe mir Denklücken),
Malena
PS (wenn ich morgens in die Arbeit fahre gibt es herrlichen Frühnebel über dem frischgrünen Weizen, eine Wolke von Licht und zwischen den dunklen Bäumen)
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Roland Brathes, Fragmente einer Sprache der Liebe (Suhrkamp Taschenbuch , 1. Auflage 1988) - bei Copyrightproblemen bitte ich um Rückmeldung, dann lösche ich es.
Agony (…) Der Psychotischer lebt in der angst vor dem Zusammenbruch (deren Abwehr die verschiedenen Formen von Psychosen bilden). Aber „die klinische Angst vor dem Zusammenbruch ist die Angst vor einem Zusammenbruch, der bereits erlebt worden ist (primitive agony) (…), und es gibt Zeiten, wo ein Patient darauf angewiesen ist, dass man ihm sagt, dass der Zusammenbruch, dessen befürchtetes Eintreten sein Leben untergräbt, bereits stattgefunden hat“. Dasselbe schient auch für die Angst des Liebenden zu gelten: sie ist di eFurcht vor einer Trauer die bereits stattgefunden hat, von Anbeginn der Liebe an, von dem Augenblick an, da ich hingerissen war. Jemand müsste mir sagen können: „Haben sie keine Angst mehr, Sie haben ihn(sie) bereits verloren“.
Vereinigung
(...) 4. Traum von der vollkommenen Verienigung: alel Welt hält diesen Traum für unmöglich, und doch besteht er fort. Ich lasse nicht davon ab. "Auf den athenischen Grabstelen gab es, anstelle der Herosierung des Toten, Abschiedsszenen, wo einer der Gatten Urlaub vom anderen nimmt, Hand in Hand, im Sinne eines Vertrages, den nur eine dritte Kraft bricht; so findet hier die Trauer zu ihrem Ausdruck (...) Ohne dich bin ich nicht mehr ich." In der dargestellten Trauer liegt der Beweis für meinen Traum; ich kann daran glauben, weil er sterblich ist (das einzig Unmögliche ist die Unsterblichkeit.)
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so, lieber Dieter empfinde ich auch deine unsterbliche Liebe zu deiner Frau, zu Veronika.
Und darum sind deine Worte auch so voller Liebe zu ihr, das ist natürlich nicht nur ein Zauber zum Bezaubern, sondern ein Zauber der von eurer Liebe erzählt. Ich hoffe, ich darf das so sagen.
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