Liebe Nadine,
lass dich erst einmal einfach nur umarmen.
Ich kann deine Gefühle gut nachfühlen, und glaube mir - es ist alles ganz "normal" so, ja, die Situation ist ja nicht normal, sie ist kaum auszuhalten, grausam, es war für mich die erste Zeit wirklich so ein Gefühl als würde ich permanent von Dolchen durchbohrt werden, immer und immer wieder mein Herz und es tat weh und noch mehr weh und ich dachte nur: wo bitte ist denn die Grenze? Was halte ich noch aus?
Hilft es dir wenn ich dir sage: es wird erträglich, man kann es aushalten und es auszuhalten heißt nicht, zu wissen wie, sondern einfach nur überleben.
Ja, du bist sehr tapfer Nadine. Und nimmt diese Zeichen deiner Mama einfach an als das, dass da etwas ganz persönliches ist was nicht erklärt werden muss. Es ist einfach so. Ich hatte und habe auch solche Gefühle und warum soll man sie nicht annehmen? Vielleicht haben unsere lieben Verstorbenen die "Macht" genau das zu tun, wer weiß? Also das denke ich mir dann - und ich nehme es einfach weil es mir gut tut und ich weiß, genau dass will meine Mutter für mich - und deine Mama doch auch für dich...
ja, da bin ich schon bei dem Kerngedanken der mir immer hilft wenn alle Stricke reißen.
Ich weiß einfach ganz genau dass meine Mutter niemals gewollte hätte und will dass ich durch die Trauer zerstört werde.
Sie hätte es nie gewollt, dass das passiert (ich hatte Todesfälle da hatte ich das Gefühl die Verstorbene "verlangt" von mir dass ich elend trauere) nicht aber bei meiner Mutter, sie war großzügig und großherzig und lieb, und so wie du deine Mama schilderst ist sie das genau so. Sie liebt dich über alles und klar, sie versteht dass du traurig bist, und glaube mir sie wäre so gerne bei dir - aber sie will nicht dass du SO SEHR leidest. Ich erlaube mir jetzt das so zu schreiben, als würde das deine Mama sagen - weil ich es mir so denke und ich dann spüren kann wo die Grenze liegt zwischen Trauer, die man braucht, die voll ok ist, aber die Grenze zur Selbstzerstörung, Selbstzerfleischung. Kannst du damit etwas anfangen? Also untröstlich, tieftraurig, unfassbar traurig sind alles Begriffe die genau so gefühlt ihre "Berechtigung" und Wahrheit haben. Aber es ist eine Trauer auch im Sinne des Gedankens sich dem Leben in Zukunft, mit der Zeit, zuzuwenden. Es darf keine Trauer sein die dich zu fertig macht, aus der Sicht einer Mutter gesprochen.
Wenn du eines Tages selbst Mama bist...dann weißt du das....dass sich eine Mama nichts anderes für ihr geliebtes Kind wünscht...darf ich so weit mich hinauslehnen so persönlich zu dir zu schreiben?
Ich habe ein Kind geboren und das war eine gewaltige Geburt, ...und mir half der Gedanke dass Trauer wie eine Geburt ist, man steht es irgendwie durch und es dauert so lange wie es dauert, und auch wenn man nicht weiß wie und woher, man kann die Kraft aufbringen und man bringt sie auf. Das sage ich dir jetzt weil ich glaube man muss nicht schon Mama sein um damit etwas anfangen zu können.
Es ist ein natürlicher Prozess, ein Prozess der die Fassbarkeit des Verstandes übersteigt, die Vorstellungskraft, die Grenzen sprengt aber es ist ein natürlicher Prozess und darum kann man ihn aushalten.
Ja, Nadine, du bist sehr tapfer und diese erste Zeit ist einfach nur beinhart - es wird jeden Tag eine spur leichter, bestimmt...
Was deine Arbeit anbelangt...rückblickend bin ich froh dass ich abgelenkt war, so gar durch arschigkeiten. Aber das Schweigen der Anderen zum Tod, das irgendwie anderswo sein durch den Todesfall der geliebten Mutter, das kenne ich. Darum finde ich auch das Forum hier so gut, oder Trauergruppen...für mich war es das Forum hier das mir zur Sprache geholfen hat weil meine Gefühle endlich Raum hatten, ich durfte alles sagen ohne jmd. zu kompromittieren oder dessen nicht aushalten können meiner Gefühle auch noch selbst aushalten zu müssen.
So, und jetzt drück ich dich einfach - erlaubst du es mir?
und sende dir viel Kraft, :24:
Malena