Guten Morgen,
gestern war ein sehr schlimmer Tag für mich. Ich bin gefühlsmäßig zusammengebrochen und hatte einen richtigen Heulkrampf. Wegen einer Nichtigkeit!
Ich saß auf einem Baumstumpf als mich dort ein Vögelchen besuchte...und ich wußte den Namen des Vogels nicht... Statt diesen Besuch zu genießen, zu beobachten, zermarterte ich mir nur den Kopf, suchte verzweifelt nach dem Namen und bekam schlußendlich einen schlimmen Heulkrampf.
Nur, weil ich den Vogel nicht bestimmen konnte!
Das wäre früher nicht passiert. Früher hätte ich zuhause in einem meiner Bücher nachgeschaut und gut wärs dann gewesen. Gestern hat mich dieses Nicht-Wissen vollkommen umgehauen.... Noch Stunden später tat mir vom Weinen alles weh.....
Heute morgen ist meine Sehnsucht nach Klaus ganz besonders groß.
Ich vermisse unsere Ausflüge in die Natur. Ich vermisse, gemeinsam mit ihm auf einem Baumstamm oder auf der Erde oder auf einer Bank zu sitzen und dabei sein : "Hast du das gesehen?", "Riechst du das"?, "Hörst du das?" zu hören.
Ich vermisse seine langen Monologe über Pflanzen, Bäume, Tiere. Oft fand ich das schön ( ich habe soviel dabei gelernt! ) aber sehr, sehr oft haben mich diese Monologe genervt.
Draußen in der Natur bin eher der schweigsame Typ. Rede nicht allzuviel. Sitze lieber ganz still und ruhig auf einer Lichtung, schaue und fühle lieber. und hasse das "Zerreden", während Klaus gerne dabei dozierte..
(er wusste halt auch sehr viel)
Was gäbe ich heute darum, wenn er wieder dozieren würde....
Liebend gerne würde ich jetzt stundenlang seinen Vorträgen lauschen. Ich würde es genießen.!!!
Aber es geht nicht mehr. NIE MEHR!
Klaus war Landschaftsgärtner aus Berufung.
Nachdem er aus Krankheitsgründen aufhören musste, fuhr er mit mir sehr oft zu seinen alten Wirkstätten. Um sie mir zu zeigen, um zu sehen, wie sich alles entwickelte.... Und auch da hielt er liebend gerne Vorträge...
Auch diese Fahrten vermisse ich und ich ertappe mich des öfteren dabei, beim spazieren gehen zu denken: "die Bäume müssten aber geschnitten werden", "was haben die da gemacht? Das hätte man aber besser lösen können".....
Ich betrachte so langsam die Natur mit seinen Augen, den Augen eines Landschaftsgärtners - jetzt, wo Klaus tot ist...
Aber Klaus hat nicht nur "Vorträge" gehalten.
In Zeiten, in denen ich ganz tief in meinen Depressionen gefangen war, setzte er mich einfach ins Auto und fuhr mit mir zu den schönsten Plätzen in der Natur und saß lange schweigend neben mir. Täglich!
Er saß auch neben mir, , als ich wieder, unter einem Baum sitzend und an den Stamm angelehnt, sehen und fühlen konnte, dass der Himmel blau und der Baum grün war.
Natürlich sah ich vorher auch, dass der Himmel blau war. Aber an diesem bestimmten Tag war anders blau. Richtig blau! Ich kann das nicht mit Worten erklären.
Ich war einfach wieder da - hier, bei den Lebenden.
Spürte... sah wieder.... Diesen Tag werde ich NIE
vergessen!!
Ich bin überzeugt, dass diese Ausflüge in die Natur mit Klaus sehr viel dazu beitrugen
Er war damals sehr hartnäckig. Sah über meine Widerstände hinweg, packte mich trotz Protest einfach ins Auto....
Dafür bin ich ihm soo dankbar.
Dadurch hat er mir geholfen, wieder ins Leben zurückzufinden...
Wieder zu sehen: der Himmel ist blau, der Baum ist grün, ein Mensch lächelt...
Wie gesagt, ich kann das nicht in Worten beschreiben.
Dieser Zustand hielt nicht lange an. Wiederholte sich aber oft und dauerte immer länger....Und jetzt ist es fast durchgehend so. Ich will leben.!
Muss jetzt aufhören. Es kommen wieder Tränen - aber es ist kein Heulkrampf.
Sorry, aber ich hatte jetzt den Drang, euch alles zu erzählen
blaumeise
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