Lieber Matthias,
ich glaube, ich habe dir in deinem thread noch nicht geschrieben, aber ich verfolge alle deine Beiträge und fühle mit dir.
Es ist schlimm, was Du erlebt hast. Keine Worte können diese Grausamkeit auch nur annähernd beschreiben und keine Worte können Dich trösten.
Zu den Jenseitskontakten kann ich leider nichts schreiben. Ich bin da so zwiespältig - und ganz ehrlich - das ganze Thema macht MIR Angst. Wenn es dir hilft und dich tröstet, dann ist das in Ordnung. Aber bitte, pass dabei auf dich auf.
Mehr kann ich zum Thema Schuldgfühle sagen, denn da bin ich Profi.denn seit meiner frühesten Jugend holen mich diese quälenden Gefühle immer wieder mal ein und ich muss aufpassen, dass sie mich nicht völlig vernichten.
Meine Mutter nahm sich auf grausame Weise (ließ sich vom Zug überrollen) das Leben. Ich war damals 11 und dachte, ich sei schuld - denn wäre ich "bräver" gewesen, wäre das nicht passiert, wäre ich immer gleich von der Schule nach Hause gerannt, wäre sie nicht so einsam gewesen und so weiter und so fort. Ich fand tausend Gründe für mein "Versagen" , für meine " Schlechtigkeit".
Viele Jahre später verunglückten meine Pflegeeltern. Auch hier fühlte ich mich schuldig, denn ICH drängte sie vehement zu dieser Fahrt. Ohne mein
Drängen wären sie erst eine Woche später gefahren aber ich wollte damals nur nicht alleine sein.Reiner Egoismus von mir....
Schuldgfühle verfolgten mich jahrzehntelang und haben mir meinen Lebensmut geraubt.
Ich muss immer schlucken, wenn ich lese, wie sehr du dich mit den Vorwürfen quälst...
Ich würde sie dir gerne ausreden, aber ich weiß, dass das nicht geht. Egal wie richtig meine Gedanken auch wären, du würdest immer gewichtige Gegenargumente finden...
Dennoch möchte ich dir einiges zu bedenken geben.
Schuldgfühle zu haben ist das eine. Schuld zu haben, ist das andere. Schuldgfühle zu haben heißt noch lange nicht Schuld zu haben. Und das ist so schwer auseinander zu halten.!
In meiner langen Therapie habe ich gelernt: Gefühle sind keine Tatsachen.
Sie sind einfach nur Gefühle.
Viele Dinge liegen nicht in unserer Macht.
Ich glaube, dass man das Schicksal nicht ändern kann. L
Im Nachhinein ist man immer gescheiter, würde vieles anders machen. Aber wir sind eben NUR Menschen, keine Maschinen - das gilt auch für dich! Niemand, niemand macht alles richtig - schon gar nicht in einer Ausnahmesituation. Niemand ist perfekt. Jeder versäumt wichtige Dinge.
Du hast nicht versagt!
Die medizinische Technik ist so weit fortgeschritten und daher glauben wir oft, alles wäre machbar bzw heilbar. Aber dem ist nicht so!
Es gibt Dinge, die wir nicht beeinflussen können. Wir können nur hilflos und machtlos daneben stehen und vielleicht irgendwann mit großer Demut hinnehmen.
Irgendjemand hat einmal zu mir gesagt, es gäbe für jeden Menschen eine Lebenskerze, die irgendwann - zu einem vorbestimmt Zeitpunkt, erlischt- unabhängig von Alter oder Ort. Dann MUSS man gehen. Und niemand, niemand - auch nicht der beste Arzt, oder die größte Liebe -, kann daran was ändern.
Ein Vorschlag von mir: Versuche deinen Blick hin und wieder darauf zu lenken, was du deiner Frau im Laufe eurer gemeinsamen Zeit gegeben hast. Was du Abertausendemale für sie getan hast, wie du ihr Leben bereichert hast, wieviel Liebe du ihr geschenkt hast...
Vielleicht lenken diese Gedanken dich zeitweise von den Schuldgfühlen ab.
Und noch was. Deine Frau hat dich geliebt. Was meinst du: Wäre sie damit einverstanden, dass du dich so quälst?
Wir sind unsere eigenen Richter. So streng würde uns kein anderer verurteilen. Sei lieb zu dir.
In einer langen Therapie habe ich schließlich gelernt, mir selbst zu verzeihen. Mir zu verzeihen, dass ich nicht Gott bin, sondern einfach nur ein fehlerhafter Mensch, Ein Mensch, der oft falsche Entscheidungen trifft. Ein Mensch der sich einfach nur bemüht...
Ich würde dir gerne noch viel mehr schreiben, aber ich möchte dich jetzt nicht zulabern
Trost war das jetzt nicht, aber vielleicht ein Gedankenanstoß
Wünsche dir alles Gute
blaumeise