Liebe Andrea,
ich denke gerade ganz fest an dich
Wie du weißt, habe ich 2 stationäre Traumatherapien hinter mir.( 2007 und 2018 ). Diagnose: komplexe PTSD ( Posttraumatische Belastungsstörung ).
Ich glaube, ich weiß in etwa , wie es dir gerade geht.( krankheitsbedingt )
und ich bin so froh, dass du einen stationären Aufenthalt für dich akzeptieren kannst.
Wie schon Mal geschrieben, hat mir der Aufenthalt in der letzten Klinik mir meine WÜRDE wieder zurück gegeben und zusätzlich
das Gefühl, dass auch MEIN Leben ein kostbares Geschenk ist. Inzwischen bin ich voller Dankbarkeit, dass ich meinen Selbstmordvetsuch überlebt habe und die zwanghaften Suizidgedanken vom letzten Jahr verschwunden sind. Jetzt bin ich einfach froh, da zu sein.
Ich wünsche dir aus ganzem Herzen, dass DU diese Erfahrung auch machen darfst.
Liebe Andrea, ich bin durchaus der Meinung, dass man sich nach schweren Traumatisierungen mit entsprechender Hilfe weiter entwickeln kann.
Kennst du das Märchen von der Palme?
Ben Sadok, ein finsterer Mann, ging durch eine Oase. Er war charakterlich so schlecht, dass er alles Gesunde und Schöne zerstören wollte. Am Rand der Oase stieß er auf einen jungen Palmbaum in bestem Wachstum. Ben Sadok könnte das nicht sehen. Er nahm einen schweren Stein und legte ihn der jungen Palme in die Krone .Vergeblich versuchte die Palme die Last abzuschütteln. Es ging nicht. Zu fest saß der Stein in der Krone.
Daher krallte sich das Bäumchen tiefer in den Boden und stemmte sich gegen die Last. Es ließ seine Wurzeln so tief in die Erde wachsen, dass sie die verborgene Wasserader der Oase erreichten und stemmte den Stein so hoch, dass die Krone über jeden Schatten hinausstrahlte... Sie wurde eine königliche Palme.
Jahre später kam Ben Sadok zurück. Er wollte sich an dem Krüppelbaum ergötzen. Er fand keinen Krüppelbaum. Er fand nur eine stolze Palme, die ihre Krone senkte, den Stein zeigte und sagte: " Ben Sadok, ich muss dir danken, deine Last hat mich stark gemacht"
Ich hoffe, ich habe das Märchen richtig nacherzählt.
Ich denke, dass Traumata keine lebenslange Strafe sind, unter denen man ein Leben lang zu leiden haben muss. Wir Menschen besitzen erstaunliche Kräfte der Heilung und Regeneration.
Viele werden gesund TROTZ allem!
Früher dachte ich, wäre ich in Sicherheit und Geborgenheit und ohne Gewalt aufgewachsen, wäre ich jetzt glücklich. Heute bin ich allerdings der Überzeugung:
wäre ich ohne Trauma aufgewachsen, wäre ich heute erschreckend naiv, ohne tiefe Empfindung zu einer Reihe von Zusammenhängen .
Menschen mit traumatischen Erfahrungen kommen irgendwann an einen Scheideweg. Einige wählen den Weg des Überlebens, andere leider dagegen den Weg nach unten in Selbsthass, Gewalt und Zerstörung.
Auf dem Weg nach unten gibt es - glaube mir - viele Umkehrmöglichkeiten. Man kann immer, egal wie alt man ist, zurück an die Weggabelung gehen und eine positive Richtung einschlagen.
Du liebe Andrea, hast - meinem Gefühl nach -einen guten Weg eingeschlagen. Schon allein die Tatsache, dass du hier schreibst, zeigt, dass noch ein Funke Überlebenswille in dir ist. Lass dieses Pflänzlein liebevoll und langsam in die wachsen.
Willkommen im Club der Überlebenden !
Ich habe hier ein Holztäfelchen auf dem steht:
Und dann kam der Tag,
an dem es mir größere Schmerzen breitete,
eine verschlossene Knospe zu bleiben,
als zu wagen,
mich zur Blüte zu öffnen
Für diesen Weg - zur Blüte - wünsche ich dir alles erdenklich Gute.
Es wird schwer - doch denk daran - viele stehen hinter dir, um dich bei Bedarf aufzufangen. Du bist auf diesen Weg NICHT allein aber gehen, ...gehen musst du ihn leider allein. Diesen schweren Weg gehen kannst NUR DU.
Ich glaub an dich - ganz fest.
Alles Liebe
blaumeise
Komm gut über die Pfingstfeiertage.