Liebe Luise,
Es ist so schön zu lesen, wie gut ( zumindest phasenweise ) dir der gestrige Tag tat. Es sind so die kleinen Inseln, die wir in unserer Trauer so dringend brauchen. (Um uns zu erholen, damit wir den Schmerz besser ertragen können ) ich wünsche dir weiterhin solche "Ruhebänke", während du das Tal der Tränen durchwanderst. Glaube mir, du wirst immer mehr Bänke finden, mehr Plätze an denen du dein schweres Gepäck ablegen kannst ...auch wenn du mir das jetzt nicht glauben willst. Ich spreche da aus meiner Erfahrung. Ich habe so viele mir liebe und wichtige Menschen gehen lassen müssen. Das erste mal mit 11 Jahren. Damals wollte und konnte meine Mutter nicht mehr weiterleben und warf sich vor einen Zug. Später verunglückten meine Pflegeeltern und verließen mich beide am gleichen Tag. Später starb mein leiblicher Vater. Meine einzige enge und liebste und vertrauteste Freundin ( manche kennen sie noch aus dem Forum hier ) starb und im Januar trat der Vater meiner Kinder seine letzte Reise an. Er verließ mich gleich zweimal. Das erste mal vor Jahren als er mich wegen einer anderen Frau verließ ( war damals sehr,sehr hart ) und jetzt, nachdem wir uns endlich auf freundschaftlicher Basis wieder gefunden hatten und wieder Seelenpartner wurden, starb er an seinen Hirnmetastasen. Glaube mir, ich kenne Trauer. Aber, liebe Luise, ich weiß eben auch, dass der Schmerz irgendwann leichter ertragbar wird, dass man irgendwann nicht mehr nur " funktioniert", nicht nur "überlebt", sondern WIEDER lebt. - immer mit dem geliebten Menschen im Herzen. Diese Liebe ist unvergänglich, begleitet uns unser ganzes Leben.
Und dieses Wissen hilft mir derzeit über vieles hinweg.
Dieser Weg zum "wieder leben", zum wieder Freude empfinden können ist sehr steinig, hart , erfordert viel Mut, viel GEDULD und und am Anfang wollte ich diesen Weg nicht gehen. Ich dachte immer, wenn ich nicht leide, dann habe ich nicht genug geliebt, dann werde ich den Toten vergessen, würde ich ihn verraten.....Ich WOLLTE mich dem Leben nicht öffnen ... Ganz und gar nicht.
Zur Zeit bin ich wieder in dieser Phase, ich will eigentlich nicht weiterleben, würde am liebsten aufgeben aber ich akzeptiere inzwischen diese Phase als " normale Phase" in meinem Trauerprozess, und ich weiß, das ändert sich. Ich weiß nicht wann aber ich weiß, dass es SO IST. Irgendwann!
Ich suche ganz bewusst, solche Erholungsphasen, sei es ein Bad, ein Schokoladenpudding,schmusen mit den Katzen....
Ich führe kein geselliges Leben, bin meistens alleine und daher suche ich diese Inseln hauptsächlich in der Natur. Manchmal muss ich dazu gar nicht weg gehen. Ein Blick aus dem Fenster genügt ! (bei uns in der Straße gibt es viele Bäume ), Manchmal sehe ich ein Eichhörnchen, eine Katze, einen Marder ... Ich versuche bewusst meinen Blick für solche Dinge zu schärfen. Manchmal kann ich allerdings solche Augenblicke gar nicht "genießen", merke aber im Nachhinein, wie gut sie mir taten.
Ich wünsche dir viele solcher Augenblicke zum Ausruhen, Wünsche dir, dass du sie wahrnimmst und tief in dich hineinlässt und "aufhebst".
Ach Luise, jetzt habe ich wieder so herumgeschwurbelt und weiß gar nicht, ob ich das so verständlich ausgedrückt habe, was ich dir damit sagen will. Deutsch ist nicht die erste Sprache, die ich gelernt habe und daher drücke ich mich oft mißverständlich aus.
Ich habe Kinder, bin aber dennoch einsam, fühle mich allein. Ich liebe sie aus ganzem Herzen und dennoch empfinde ich sie in meiner Trauer manchmal als "Bürde". Sie trauern auf ihre Weise ( und die deckt sich nicht immer mit meiner ) und ich muß stark sein - für sie. Ich darf sie mit meiner Trauer nicht belasten sonst erdrücke ich sie. Mein Sohn ist schwer depressiv und das macht mich so hilflos.... Aber ich will dich nicht vollquatschen mit meinen Sorgen. Ich will dir nur sagen: jeder hier ist auf seine Weise allein und einsam. Jeder trägt seinen Schmerz allein. Jeder fühlt seinen Schmerz allein und doch können wir uns gegenseitig stützen. Ich bin so froh das Forum gefunden zu haben. Ich finde es schön, dass DU hier bist.
Ich gehe derzeit - im Dunkeln- eine sehr steile, sehr rutschige, gefährliche Treppe hinauf. Zum Glück ist ein Geländer da. Ein Geländer, das mir bei Bedarf Halt und ein wenig Sicherheit gibt.
DAS GELÄNDER SEID IHR!
DANKE!
Ihr alle gebt mir nicht nur Halt sondern auch hin und wieder ( zumindest war es früher so ) einen liebevollen Tritt in den H.....n. Dafür will ich ganz besonders danken. Oft tat dieser Tritt zuerst weh, dann aber war er in den allermeisten Fällen sehr hilfreich. Er half, die Perspektive zu ändern und brachte mich oft weiter . Dafür an alle nochmals
Liebe Luise, hab einen schönen Tag mit deiner Freundin. Sie scheint ein Schatz zu sein - sehr kostbar. So eine Freundin findet man selten
Alles Liebe
blaumeise