Beiträge von StillCrazy

    Bei mir gibt es eine Frühlingsblume, die mich mit meiner Mutter verbindet: das Vergissmeinnicht.

    Als kleines Mädchen bekam ich Ohrringe gestochen (hat ziemlich weh getan, ich weiß es noch), und dann goldene Ohrringe hinein: in Vergissmeinnicht-Form, die meine Mutter als Kind gehabt hatte. Als ich sie viele Jahre später herausgenommen habe (irgendwann waren sie doch nicht mehr meinem Alter entsprechend), habe ich voller Erstaunen bemerkt, dass sie gar nicht gleich waren, nicht gleich groß und auch sonst ein wenig verschieden... Meine Mutter war Jahrgang 1937, in ihrer Kindheitwaren die Leute arm, da hat man sowas nicht wieter bemängelt.

    Als ich vor über 10 Jahren in mein Haus im Grünen eingezogen bin, da habe ich im ersten Frühling dort ganz erstaunt festgestellt, dass die Wiese im Garten (Rasen kann man das nicht nennen) voller Vergissmeinnicht war. Das habe ich dann als Gruß von meiner Mutter wahrgenommen: schön, dass du jetzt da bist, ich lasse unsere Blumen hier für dich wachsen. Oder so...

    Vielen Dank!

    Das ist sehr lieb, was Du da schreibst!!!!!


    Als ich damals meine Mutter verloren habe, da war sie der wichtigste Mensch in meinem Leben (so habe ich es damals wahrgenommen). Jetzt steht früher oder später wieder ein Abschied bevor - und fast wollte ich schon schreiben: es ist wieder der wichtigste Mensch in meinem Leben.

    Aber noch bevor ich das aufgeschrieben habe, ist mir klar geworden, dass das nicht stimmt. ICH bin heute der wichtigste Mensch in meinem Leben. Das ist jetzt nicht egoistsich gemeint. Es ist etwas, das sich seit damals geändert hat. Damals hatte ich dieses Selbst-Gefühl noch nicht. Nicht die Erfahrung, dass ich ohne sie leben kann. Und für kleinere Kinder ist es ja in der Tat so, dass (in der Regel) die Mutter eine lebenswichtige Person ist.

    Trotz all der Angst. Sorge und Trauer weiß ich, dass es auf jeden Fall möglich ist, ohne Rudi zu leben. Ich kann mich ja daran erinnern. Wenn ich dann in so ein Loch falle, wie in den letzten Tagen, dann nützt das leider wenig. Dann schlagen die schwarzen Wogen über mir zusammen, ich weiß nicht, wo oben und unten ist, und fühle einfach nur, wie ich mitgerissen werde und Angst habe zu ertrinken in diesem Strudel.


    Gut getan hat mir dann gestern der Termin bei meiner Therapeutin. Die Frau ist einfach großartig!!!!!!!!!! Und dass sich Rudi auch dann wieder gefangen hat. Er war in den Tagen zuvor sehr schlecht drauf - wohl, weil er zu einem Begräbnis musste. gestern Nachmittag ist der Mann seiner Nichte beigesetzt worden. Jemand in seinem Alter. Ich bin ziemlich sicher, dass ihn dass sehr belastet hat, dass sich dass dann irgendwie auf mich übertragen hat - und dann haben wir beide den Boden unter den Füßen verloren.


    Wir sind seit 22 Jahren beisammen, und seit meine Tochter vor vielen Jahren ausgezogen ist, sind nur wir zwei im Haus. Ich habe das Gefühl, wir reagieren wechselseitig wie Seismographen auf einander.

    Im Positiven ist das ja ok, soagr schön, wenn man jemaden mit seiner Freude anstecken kann. Im Negativen kann es einen halt schon sehr hinunter ziehen.


    Naja... das ist jetzt einmal für's Erste bewältigt. Ich hoffe, dass es jetzt eine Zeit lang unbeschwerter weitergeht.


    Habt einen schönen Jahrestag, Ihr beiden <3<3<3

    Liebe verschwurbelte (<3) Nebelfrau,


    es war so viel los, viel Arbeit, emotionale Mühen mit Rudi (viel geweint, heute - nach einem Besuch bei meiner Therapeutin - ist es etwas besser).

    So kommt es, dass ich Dein wunderbar-liebes und so interessantes mail (und auch in meine Richtung inspirierendes) erst jetzt beantworte. Ich hoffe, Du bist mir nicht böse...


    Meine Mutter war eine Bauerntochter, die irgendwann in die nächstgelegene größere Stadt gezogen ist - zunächst als Hausädchen. Dann hat sie Kurse gemacht, es sich beruflich "verbessert". Dann hat sie meinen Vater kennen gelernt. meinen Brude rund mich bekommen. Die Ehe war (soweit ich das heute sagen kann) nicht glücklich. Unsere gesamte Familie war nicht glücklich.

    Für mich war es so, dass ich dann mit 10 Jahren ins Gymnasium gekommen bin (musste mit dem Zug hinfahren) - und da hat sich eine völlig neue Welt aufgetan: Bildung, Bücher, Sprachen, Theaterspielen... es war einfach großartig.

    Ich war eine gute Schülerin, und meine Mutter war bestimmt solz auf mich. Gleichzeitig hat mich das lernen aber auch von ihr entfernt. Sie war eine intelligente Frau, handwerklich sehr begabt (auch mit Holz, mit Textilien sowieso), aber sie war nicht gebildet. Hatte nie die Chance (und wohl auch nicht das große Bedürfnis) eine besondere formale Bildung zu erwerben.


    Wenn ich so über sie schreibe, dann muss ich immer an eine Stelle aus Billy Elliot (oder wie man das genau schreibt) denken. Kennst Du den Film? Ein Bub verliert darin seine Mutter, und irgendwer fragt ihn dann, was seine Mutter für eine Frau war, ob sie vielleicht eine ganz besondere Frau war oder so, und er antwortet in einem so schwer verständlichen englisch: 't was mee Mum. Sie war meine Mutter.

    Ich spüre schon wieder die Tränen...

    Was gibt es besondereres als die eigene Mutter? Die Frau, die man von innen kennt? Die Frau, die (fast) immer da war, ohne die man das Leben nicht hätte...?


    Ich habe schon sehr viel von ihr vergessen, sie ist 1984 gestorben. Und (auch wenn das vielleicht blöd klingt) ich bin froh, dass ich viel vergessen habe. Man sammelt im Laufe eines Lebens so viele Erinnerungen an. Ichglaube, wenn man die alle behalten möchte, dann wäre das mehr Ballast als man tragen kann.

    Manchmal denke ich, sie hat Dinge für mich (ode rmeine Tochter) "eingefädelt". Es gibt einiges in meinem (und Lisas) Leben, das gut geglückt ist, leicht gegangen.

    Eine Frage stellt sich da natürlich nach meinem Bruder, der es so schwer im Leben hat.... Hat sie ihm nicht geholfen (wenn sie denn die Möglichkeit dazu hätte)? Das kann ich mir auf keinen Fall vorstellen... Irgendwie sind solche Gedanken also sehr dünnes Eis.

    Trotzdem, der große Engel - ich bin sicher, dass er nicht nur Erfindung ist.


    Wie geht es Dir momentan?

    Ich bin überzeugt, dass Deine Mama möchte, dass Du glücklich bist. Das kann gar nicht anders sein! Und vielleicht kannst Du ja auch ein bisschen für sie mit glücklich sein. Eine schöne Landschaft für sie mitgeniessen, ein Stück Musik, die Klänge des Frühlings...

    Vielleicht ist es möglich, nicht nur in der Trauer sondern auch im Glück, im Genuss, in der Freude mit einem verstorbenen Menschen verbunden zu sein.

    Warum nicht? Es käme auf den Versuch an...


    Ich wünsche Dir alles, alles Gute - liebe, verschwurbelte Nebelfrau :)

    Ich wollte es eigentlich für mich behalten, aber wahrscheinlich hast Du recht: ich schreibe, was es genau war - in dem Wissen, dass niemand etwas Böses wollte und dass ich auch niemandem böse bin. Aber wir haben alle Dinge, mit denen wir uns schwertun....

    Also: ich mag es nicht, wenn man mir sagt, was ich "eigentlich" fühle.

    Bin ich wütend auf den Krebs? Wahrscheinlich schon. Aber das ändert nichts daran, dass ich wütend auf Rudi bin. Weil er nie zum Arzt gegangen ist. Ich habe ihm oft gesagt: du bist 12 Jahre älter als ich, bitte tu alles, damit Du lang gesund bleibst. Dazu hätte Vorsorge gehört. Ist er meiner Bitte nachgekommen? Nein.

    Ich habe nirgends gechrieben, dass ein Arztbesuch automatisch Heilung bewirkt. Aber Vorsorge kann Heilung ermöglichen, da sind wir uns wohl einig. Wir können das unsere dazu beitragen, Risiken zu minimieren. Wir können sie nicht ausschließen, klar.

    Und ich gehe davon aus, dass die Geschichte mit dem tragischerweise verstorbenen Hund niemanden davon abhält, zur Vorsorge zu gehen. Ihr selber geht doch auch, oder nicht? Ich gehe, weil es mir wichtig ist. Und in Rudis Fall wäre es auch wichtig gewesen.

    Nicht alles lässt sich früherkennen. Aber diese Krebsart in vielen Fällen, ich habe viel dazu gelesen.

    Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen. Und das hat Rudi für seine Gesundheit nicht getan. Das macht mich wütend.

    Hinter meiner Wut stecken Angst, Panik, Verzweiflung, Grauen.

    Ich will sie ausdrücken und nicht unterdrücken, weil das krank macht. Mehr kann ich dazu im Moment nicht sagen.

    Unterdrücken, runterschlucken wäre das schlimmste....

    Es ist, wie ich geschrieben habe: ich bin wütend auf ihn, weil er so verantwortungslos mit sich und seiner. Gesundheit umgegangen ist. Früherkennung ist ein wichtiger Faktor im Kampf gegen den Krebs. Diese Chance, den Krebs zu besiegen, hat er nicht wahrgenommen.

    Es heißt nicht, dass es in seinem Fall funktioniert hätte. ABER ER HAT ES NICHT EINMAL VERSUCHT.

    Ich möchte Euch bitten, das was ich da schreibe, ernst zu nehmen und zu respektieren.

    Liebe Becki,

    wenn ich nur wüsste, was ich Dir schreiben soll......

    Mir fehlen da auch die Worte. Aber ich verspreche Dir, es bleibt nicht so. Es wird erträglicher. Es wird leichter. Du wirst wieder fröhliche Tage erleben, auch wenn Du Dir das jetzt nicht vorstellen kannst.

    Es wird leichter!

    Liebe Katharina,


    vielen Dank für Dein Versdtändnis und Deine Anregung. Tatsächlich ist es so, dass er ein eigene, kleine Wohnung hat. In der Zeit vor der Diagnose hat er auch einige Tage pro Woche dort verbracht (schon seit ein paar Jahren, ich hatte mir das gewünscht und er hat dem zugestimmt - das rechne ich ihm hoch an).

    In der Zeit nach der Diagnose wollte ich dann nicht, dass er allein ist, in dieser Situation. Und seither ist er wieder immer bei mir. Es ist in der Tat so, dass mir mehr Abstand wohl sehr gut täte. Ich weiß nur nicht genau, wie ich ihm das jetzt sagen sol...


    Liebe Lilo,


    das mit dem schlechten Gewissen könnte schon sein. Aber wir könnten die Teilzeit-Regelung ja wieder aussetzen, wenn es ihm schlechter gehen sollte. Grundsätzlich glaube ich, es wäre ganz heilsam für ihn, auch jetzt einmal zu erleben, dass das was ich tue nicht "selbstverständlich" ist, dass ich keine Selbstverstänlichkeit bin - sondern dass ich mich sehr bemühe für ihn.


    Liebe Hedi,


    ich bin immer froh, von Dir zu lesen. Ich bin Dir auf keinen Fall böse...


    Für mich ist es halt so: ich sehe schon einen Unterschied, ob jemand verantwortungsvoll mit sich und seiner Gesundheit umgeht - und dann hat er halt das Pech, trotzdem eine schlimme Krankheit zu bekommen. Dann wäre ich vielleicht auf das Schicksal (oder auf wen auch immer) zornig. ABer nicht auf Rudi, denn der hat ja alles getan, was in seiner Macht steht.


    Im gegenständlichen Fall hat der das NICHT getan. Er hat nicht auf seine Gesundheit geachtet, er war nachlässig. Und ich sehe es so, dass er nicht nur mit seiner Gesundheit nachlässig umgegangen ist, sondern auch mit unserer Beziehung. Denn diese ist jetzt durch seine Krankheit schwer belastet.


    Noch einmal: eine Vorsorgeuntersuchung schützt nicht davor, eine tödliche Krankheit zu bekommen. Aber in manchen / vielen Fällen hilft sie beim rechtzeitigen Erkennen, sodass eine Behandlung besser möglich ist, eventuell auch eine Heilung.

    Diese Chance hat er sich / uns genommen, indem er so ewig lang gewartet hat, bis er zum Arzt gegangen ist.

    Es heißt nicht, dass dann alles gut gegangen wäre. ABER ER HAT ES JA NICHT EINMAL VERSUCHT.

    Und das ist für mich sehr, sehr schwer zu ertragen.

    Liebe Hedi,


    das ist schon die halbe Miete, wenn Du blödeln kannst ;)

    Ich stelle mir vor, dass es ganz viele Männer gibt, die gern eine Frau, die so klug und humorvoll und einfühlsam und selbständig ist wie Du. Das kann gar nich anders sein!


    Die Frage ist halt: wo sind die genau jetzt und wie kommt Ihr dazu, einander über den Weg zu laufen...


    Es gibt hier im Forum ja Frauen, die wieder jemanden gefunden haben: Es wäre interessant, über deren Erfahrungen zu lesen.


    Schöne Ferien Dir :):):)

    Also heute fühle ich mich so richtig mies :33:

    Ich bin so wütend auf Rudi. Weil.... ach, da gibt es so viele Gründe...

    Weil er so nachlässig umgegangen ist mit sich und seiner Gesundheit, nie beim Arzt war, bis ins Alter von 63 Jahren nicht einmal gewusst hat, was ein PSA Wert ist. Weil ich ihn 8 Monte lang bekniet habe, zum Urologen zu gehen.

    Weil sich jetzt alles seiner Krankheit unterordnet. Weil er verleugnet, dass es ein Problem gibt: er nimmt ja seine Tabletten (man spricht in diesem Zusammenhang von chemischer Kastration), und der Arzt hat gesagt, er sei auf einem guten Weg. Also: wo ist das Problem?

    Es gibt also auch nix, über das wir reden müssten - seiner Meinung nach.


    Ich bemühe mich, für gute Stimmung zu sorgen. Das ist offenbar selbstverständlich, ein Danke oder sowas gibt es nicht. Und wenn er grummelig ist (weil das ganze ja doch an ihm nagt), dann muss ich das halt irgendwie aushalten.

    Immer wieder habe ich das Gefühl, mein Leben zu verscheißen.

    Ich möchte lachen. Ich möchte unbeschwert sein können. Ich möchte als Frau wahrgenommen werden. Im Moment bin ich irgend etwas zwischen Mama und bester Freundin. Das kann jetzt, wie gesagt, jahrelang so weitergehen. Oder nein, es geht nicht so weiter, es wird immer schlimmer werden.


    Ich hasse diese Situation. Ich hasse ihn, weil er das alles in mein Leben gebracht hat. Weil er so leichtfertig umgegangen ist mit seiner Gesundheit. Weil er nicht erkannt hat (und auch jetzt noch nicht erkennt), dass Mann seiner Partnerin gegenüber eine Verantwortung hat. Sich selbst gegenüber auch. Aber die hat er ja nicht wahrgenommen.

    Und jetzt darf ich ihm zusehen, wie seine Krankheit voranschreitet, und meine Bedürfnisse bleiben auf der Strecke. Schließlich ist ja er der Kranke, er ist derjenige, der Unterstützung und Rücksichnahme braucht.


    Es ist einfach nur zum Kotzen!

    Ladies,

    ich bin nicht ganz so gut drauf. Das Gefühl, ein menschlicher Kollateralschaden auf unbestimmte Zeit zu sein, hat sich intensiviert. Aber darüber muss ich jetzt nicht reden..... Das ist eh morgen auch noch da :33::33::33::33:

    Wurscht jetzt....

    Was ich sagen will ist: wir haben es schon einmal ( und wahrscheinlich schon mehrfach) erlebt, einen Partner ganz analog zu finden. Ohne Bildschirm, Maus, Handy oder sowas.

    Insofern haben wir einen Riesenvorsprung: wir wissen, das ist möglich - und wir wissen, wie das so gehen kann ;)

    Insofern gibt es für die Menschen unserer Generation quasi zwei Optionen: die analoge und die computergestützte. Eigentlich positiv, oder?????

    Wir können es uns leisten, auf digital zu verzichten :):):)

    Liebe Hedi,

    vielen Dank für Deine Offenheit :):):)

    Dann kennst Du das also auch.....

    Nun, in meinem Fall geht es um Jahre (so wie es aussieht). Es ist ja schon seit dem Sommer so.

    Und ich würde das nicht als Egoismus bezeichnen. Ich meine Du, ich - wir haben ja trotzdem unser Bedürfnis danach, von unserem Partner im umfassenden Sinn als Frau wahrgenommen zu werden. (Das Bedürfnis besteht, unabhängig davon, ob wir es aussprechen oder nicht, unabhängig davon, ob wir es uns zugestehen oder nicht.)

    Wir bleiben ja wir selber. Der Partner verändert sich, durch die Krankheit. Ich habe den Eindruck, dass sich so zwei Leben, die nach dem Kennenlernen damals (mehr oder weniger langsam) aufeinander zu entwickelt haben, jetzt wieder von einander weg entwickeln, auseinander gehen - bis zum Abschied. So habe ich mir das im Kopf zurecht gelegt. Mein Problem ist, wie ich das in der Praxis aushalten soll. Eben jahrelang. Jahrelang in Geiselhaft dieser Krankeit zu sein. Ein menschlicher Kollateralschaden....

    Liebe Ela 232,

    es ist gut, dass Du den Weg in unser Forum gefunden hast. Hier kannst Du alles schreiben, was schwierig ist für Dich. Und hier gibt es auch Menschen, die Dir zuhören und auch Tipps haben, wie so eine Situation besser bewältigt werden kann.

    So wie Du das schreibst, ist alles gerade sehr schmerzhaft für Dich.

    Ich wünsche Dir, dass sich bald etwas ergibt, dass Deine Situation leichter und erträglicher wird.