Heute hatte ich wieder einmal einen Termin bei meiner Psychologin in der Krebshilfe. Und da ist es auch viel um "damals" gegangen. Wie es war, als meine Mutter so krank war, wie ich das erlebt habe - mit meinen damals so beschränkten Möglichkeiten. Da gab es keine Angebote für die Kinder der Kranken, es gab keine Hospizteams, keine Trauerbegleitung - und von Palliativmedizin mit ihrem speziellen Wissen war damals in meinem Umfeld auch kaum etwas spürbar. Allenfalls ein Hausarzt, der von gewissen Therapien abriet, weil sie mehr Belastung als Nutzen gebracht hätten.
Tja... so war es damals in der ersten Hälfte der 1980er Jahre...
Ich schreibe das jetzt nicht, um zu jammern. Vielmehr ist mir da schon wieder klar geworden, wie "gut" ich trotz der widrigen Möglichkeiten mit der Situation zurecht gekommen bin. Ich meine: ich musste folgsam sein, durfte also so manches nicht, was mir vielleicht gut getan hätte (einfach allein fortfahren und Verwandte besuchen z. B.). Es gab keine Handys und keine E-mails, wenn ich Leute angerufen habe und Trost gebraucht hätte, habe ich also oft niemanden erreicht. Weil die Leute nicht daheim waren.
Und trotzdem habe ich es geschafft, Unterstützung zu finden. Trotzdem hatte ich ganz viel Positives in meinem Leben.
Ich hatte einen Brieffreund in England. Ich war gut in der Schule. Ich habe ein Café entdeckt, in dem ich gern gesessen bin und den Spiegel gelesen habe.
Es hat in jeder Phase (nach der Diagnose, während ihrer Krankheit, rund um ihr Sterben, in der Zeit danach) immer wieder Dinge gegeben, die mir Freude bereitet haben. Ich habe Menschen kennengelernt. Ich habe ein Studium begonnen. Ich habe gelacht. Ich habe mich über den Sommer gefreut.
Ich habe es geschafft, auch das Gute zu sehen. Wenn ich mich jetzt zurück erinnere, dann weiß ich: es war unglaublich schmerzhaft, aber es hat nicht mein ganzes Leben zunichte gemacht. Da gab es trotzdem Dinge wie Freundschaft, Neugier (bei mir ganz wichtig), Lebenshunger.
Jetzt, während ich darüber schreibe, fällt mir auf, wie viel (trotz allem) "gut" war.
Seltsam: auch in Therapien ist es so oft darum gegangen, wie schwierig diese Zeit war. Und das war sie ja auch! Und natürlich habe ich schon auch darüber gesprochen, was ich damals interessant gefunden habe, oder welche Formen der Unterstützung ich hatte.
Aber dass ich systematisch das "Gute" während dieser Zeit betrachtet hätte, das war nie der Fall....
Jahrzehnte lang nicht. Könnt Ihr Euch das vorstellen??????