Liebe Sverja,
du hast mich markiert zu diesem Beitrag von Barbara Pachl Eberharter.
Ich kannte sie und ihren unfassbaren Leidensweg schon vorher und auch diesen Beitrag von Planet Wissen.
Ich komme gleich darauf zurück, zuvor aber noch ein paar Bemerkungen meinerseits zu dem Thema "Netzwerke schaffen"
Du hast geschrieben, dass du dich von einem lieben Netzwerk getragen fühlst und du hast offenbar nicht nur eine innige Seelenfreundin, sondern auch eine zahlreiche liebevolle Familie um dich.
Das ist wunderschön und aufbauend, aber leider für die meisten von uns, die hier schreiben, nicht der Fall und auch nicht machbar.
Möglicherweise sind es gerade die Menschen, die davon schreiben, dass sie nach relativ kurzer Zeit (unter drei Jahren) wieder ins Leben gefunden haben (und die mahnen, dass man aufpassen muss, dass man sich nicht der Trauer ergibt, sondern dass man nach vorne sehen muss, trotz des schweren Verlustes), die Menschen die eben so ein starkes liebevolles Netzwerk um sich haben, dass sie das Leben weiter voranträgt, trotz des schmerzhaften Verlustes eines sehr nahen Menschen.
Deren Leben wurde zwar sehr schmerzhaft beschädigt, ist aber dank des Netzwerks nicht total verlorengegangen, sondern konnte nach einer gewissen Zeit des tiefen Schmerzes wieder weitergelebt werden - so wie das nach dem Verlust meiner Eltern war, die ich zwar enorm vermisst habe, um die ich getrauert habe, wo die Trauer aber an der Basis meines Lebens nichts Grundlegendes verändert hat, weil eben diese Basis, mein Mann, noch bei mir war.
Ich persönlich habe tatsächlich liebe Menschen um mich und ich bin stark genug, um wieder zu leben und zu lachen und tatsächlich fühle ich mich inzwischen wieder als Teil eines Netzwerkes für andere, die es schätzen, wenn ich für sie da bin, ihnen zuhöre und wieder "die alte vertraute Gabi" bin.
Das freut mich und macht mich stolz, bedeutet aber eines nicht: Dass das ein Netzwerk ist das mich stützt und an das ich mich anlehnen kann.
Ich bin durch Eigeninitiative und viel selbstorganisierte und selbstbezahlte Therapie inzwischen wieder mehr ich selbst geworden und bin froh und dankbar, einen Großteil meiner inneren Ruhe wiedergefunden zu haben.
Vielleicht ist meine Sichtweise falsch und die Menschen um mich, die sich gerne mit mir treffen sind mir eine Art Stütze, von der ich nichts bemerke.
Vielleicht wäre ich tatsächlich nicht dort, wo ich bin, wenn es sie nicht gäbe.
Aber Tatsache ist, für mich fühlt es sich anders an.
Ich fühle mich als Stütze für die anderen, während ich in meinem Innersten auf mich selbst gestellt bin, in einer Art, die ich vor den Tod meines Mannes nicht kannte.
Er war auf eine gewisse Art DIE Stütze meines Lebens.
Er war derjenige, an den ich mich anlehnen konnte, der mir Sicherheit gab und die Liebe die ich so dringend in meinem Leben brauche, um nicht nur zu funktionieren, sondern auch Kraft zu tanken und das Leben wirklich zu leben.
Und das was die Sache so kompliziert macht, ist der Umstand, dass er DER EINZIGE war.
Mein lebenslanges Netzwerk bestand nur aus insgesamt drei Personen: Mutti und Vati, die ihr Leben bereits beendet hatten und Hannes, der Letzte meiner kleinen Familie.
Mir ist klar, dass durch den Altersunterschied mein Überleben als Letzte schon voraus definiert war, ich hatte mich auch schon damit auseinandergesetzt, aber nicht bedacht, dass es für mich schon so früh so weit ist. Und dass ich dadurch vermutlich noch so entsetzlich viele Jahre vor mir habe.
Leider habe ich nun schon wieder so viele Worte gebraucht, um zu beschreiben, was ich meine.
Als Zusammenfassung möchte ich es so formulieren:
Ist man in einem Netzwerk der Liebe geborgen, verarbeitet man jeden Verlust, ohne dass das komplette Leben zusammenbricht.
Wenn man dieses Netzwerk nicht hat, aber eine von Grund auf positive Lebenseinstellung, eine unerschütterliche Lebenslust sozusagen, dann verarbeitet man auch den Zusammenbruch seines alten Lebens früher oder später auf produktive Art und Weise.
Für alle anderen ist es ungleich schwieriger.
Ich möchte nicht behaupten, dass es nicht möglich ist wieder in ein freudvolles Leben zurückzufinden, aber es ist ungleich schwerer, das muss man sich klar machen, um Schuldegfühle zu vermeiden, wenn man von Menschen liest, die in relativ kurzer Zeit wieder ins Leben zurückgefunden haben.
Das was als mutmachend und als Ansporn gedacht ist, kann nämlich auch viel Druck und Scham auslösen und dadurch das Gegenteil von dem bewirken was beabsichtigt war.