Liebe Gabi, liebe Alle,
ich danke Dir - wie schon so oft - für Deinen Text.
Vieles von dem was Du schreibst, kann ich sehr, sehr gut nachempfinden.
Dein Text hat mich dazu angeregt nachzudenken und meine Gedanken dazu aufzuschreiben.
Danke!
Denn das hilft mir immer sehr mich selbst zu verorten.
Tigerlily schrieb:
Die Vorstellung meine Kraft und Eigenliebe im Alleingang aus mir selber kreieren zu müssen bereitet mir maximales Unbehagen.
Mein sozialer und/oder lebenspragmatischer Handlungsspielraum ist im Vergleich zu vor einem Jahr gewachsen.
Doch gerade wenn mir dies bewußt wird, dann taucht in meinem Kopf der Gedanke des
"Potjomkinschen Dorfes" auf: Ich simuliere Leben.
Unternehmungen mit oder ohne Menschen die der Zerstreuung dienen, könnte ich mittlerweile (fast) alle wieder bewerkstelligen,
aber ich will nicht bzw. ich weiß nicht wozu.
Ich lasse mich zwar immer mal wieder aus einer seltsamen Art des Pflichtgefühls mir selbst und/oder dem Leben gegenüber
darauf ein, doch dabei oder danach geht es mir meist schlechter als zuvor.
Ich sehe mir selbst über die Schulter:
Das Potjomkin-Ich in seinem Potjomkin-Leben.
Gleichzeitig habe ich dann auch noch zusätzlich ein schlechtes Gewissen den Menschen gegenüber mit denen ich bzw. die mit mir
etwas unternehmen.
Das liegt nicht zuletzt daran, dass ich von meinem Wesen her ein "Wir-Mensch" bin.
Was nicht bedeutet, dass ich meine Zeit nicht alleine verbringen kann - im Gegenteil -
das gelingt und gelang mir eigentlich schon immer.
Dieses "Wir-Mensch-Sein" gelingt mir nicht mit mehreren und/oder verschiedenen Menschen
bzw. ich meine damit etwas anderes:
Die symbiotische im täglichen Alltag verwurzelte Liebe zu und mit einem Menschen.
Das ist mein Motor, mein Sinn, mein Alles... und ich sehe weder eine Möglichkeit
noch einen Grund oder Sinn dies "zu überwinden"...
Das wäre für mich eine Rückentwicklung.
Ein "Wir-Mensch" zu sein bzw. zu werden ist für mich kein Makel oder eine Schwäche, die es zu überwinden gilt.
Im Gegenteil:
Wir werden meiner Auffassung nach nicht als "Wir-Menschen" geboren, sondern wir entwicklen uns
bestenfalls gemeinsam mit einem anderen Menschen dazu.
Meine Definition von "Wir-Menschen" hat nichts, aber auch rein gar nichts mit jener
emotionalen Abhängigkeit, Notwenigkeit und Bedürftigkeit eines unselbständigen Ichs zu tun,
denn eine "Wir-Mensch-Bindung" nach meiner Definition beginnt erst dann,
wenn zwei selbständige Ichs zu einem Wir verschmelzen:
Es ist die gemeinsame Überwindung der Ich-Begrenzung.
Auch wenn es einige "versprengte" Denkschulen gibt, die die symbiotische Liebe
zu und mit einem anderen Menschen als "Prothese der prolongierten kindlichen Abhängigkeit" herabwürdigen.
Diese Haltung ist für mich eine Beleidigung und Verkennung der Liebe....
Um ein "Wir-Mensch" mit P. zu werden brauchte es Mut, Vertrauen, Geduld, Toleranz, Interesse, Kompromissfähigkeit,
Hoffnung, Glaube, Zuversicht, Rücksichtnahme, Höflichkeit ... und vieles vieles mehr.
Liebe eben.
Real gelebte Liebe.
Der erste Funke der Liebe zwischen zwei Menschen mag ein Geschenk
ungeklärter Herkunft sein, doch dieses angemessen zu würdigen, zu pflegen und daraus
zwei "Wir-Menschen" werden zu lassen ist für mich eine "Leistung".
Eine der schönsten und sinnvollsten Aufgaben und Leistungen, die ich im Leben leisten kann.
Wenn nicht überhaupt die - für mich - einzig sinnvolle und wesentliche Aufgabe.
Die Liebe ist ein gegenseitiger lebenslanger (!) Lernprozess.
Tagtägliche Herausforderung zur Erweiterung der - mitunter egoistischen - eigenen Begrenzungen.
Diese mich fordernde und sinnstifende Aufgabe fehlt mir nun.
Daher stehe ich - vermutlich ähnlich wie Du - ständig bei der Frage des alleine Lebens an.
Soll ich nun alles was ich auf dem Weg der "Wir-Werdung" gelernt habe wieder verlernen?
Wozu?
Ich möchte kein Ich-Mensch mehr werden. Das war ich lange genug vor dem Leben mit P..
Einsamkeit ist für mich keine Herausforderung des Lebens, sondern eine Zumutung.
Noch dazu eine sinnlose Zumutung.
Sie ist da, dafür muss ich nichts tun außer sie passiv "mit Haltung und Anstand" zu ertragen.
Oder ohne Haltung und Anstand.
Der Unterschied ist letztlich unwesentlich.
Das interessiert mich nicht.
Daran "zu arbeiten" mich alleine nicht einsam zu fühlen interessiert mich auch nicht.
Ich wüßte nicht was das Ziel sein sollte.
Schmerzfrei zu sein?
Wozu?
Schmerzen per se stören mich nicht.
Mich stört die von mir so empfundene Sinnlosigkeit des alleine seins.
Um meine Liebe mit allen zu teilen und in einer göttlichen oder spirituellen Gesamtheit aufgehen zu lassen
bin ich scheinbar nicht gemacht - mir fehlt es an Talent, Zuneigung, Glaube oder was auch immer.
Vielleicht ist es mir auch nur zu theoretisch ... oder ich bin zu irdisch - zu stumpf.
Es ist zumindest für mich kein Weg aus meinem"Potjomkin Leben".
Das macht mir Angst.
Große Angst.
Diese Betrachtungen meine ich ausdrücklich jenseits der hier im Forum öfter besprochenen Gewissens- und Möglichkeitsfragen rund um die
Frage eines "neuen" Partners oder Partnerin.
Für mich hat jede Haltung zu diesem Thema eine gleichwertige und individuelle Berechtigung.
Ähnlich wie bei Fragen der Glaubensfreiheit. (Das Recht des Einzelnen zur Beurteilung des Anderen endet dort ...)
In den Fragen ob und wie ein Leben mit einem anderen Partner gelingen könnte bin ich
vollkommen diffus und keinen Schritt weiter - denn bei diesen Fragen sind theoretische
Überlegungen zwar wichtig, doch letztlich erst wenn ein konkreter Mensch auftaucht
lassen sich für diese Fragen auch Antworten finden.
Denn das ist/wäre ein gemeinsamer Prozess. Mit gemeinsamen Antworten.
Zumindest für mich. Irdisch stumpf eben.
Danke fürs Lesen.
Leider kann ich nicht weniger "verschwurbelt" schreiben, denn ich denke und empfinde so "verschwurbelt" ...
Herzlichst,
Tereschkowa