Danke für eure Umarmungen, das ist sehr lieb.
Es ist komisch, es hat sich tatsächlich sehr viel verändert bei mir, anderes ist allerdings gleichgeblieben und ich komme grad mit mir selber überhaupt nicht klar, weil ich soviel hinterfrage was eigentlich mit mir selber zu tun hat und durch das Zusammenleben mit ihm und meine Ausrichtung auf ihn irgendwie maskiert wurde.
Mir wird gerade so krass vor Augen geführt, dass mein Mann ein Mensch war, der so fest im Leben stand und so intensiv und kompromisslos sein Leben genossen hat wie kaum ein anderer den ich kenne.
Das kam mir sehr gelegen, denn ich mit meiner immer schon mangelnden Lebensfreude brauchte mich da nur einzuklinken und war mitten im prallen Leben, ohne selber eigenständig allzuviel dazu beitragen zu müssen. Ich musste nur seine Beraterin und Helferin sein und hatte mehr als genug zu tun.
Es war halt nicht meines, aber was machte das schon?
Ich hatte kein "Meins" noch nie, ein paar Jahre dachte ich, dass ich mit den Pferden so etwas hätte, aber das hat sich als Fata Morgana herausgestellt, es hat den Stürmen des Lebens nicht standgehalten.
Schon als Kind antwortete ich auf die Frage, was ich mir denn wünsche, oder was ich tun wolle mit "weiß nicht"
Und eigentlich hat sich das nicht wirklich geändert, seit er nicht mehr da ist, ist sie wieder präsent, die Antwort: "Weiß nicht"
Herausgestellt hat sich das bei einem Konflikt, den ich heute Vormittag erlebt habe.
Ich habe eine PS4 und mir letztes Jahr die remasterte Version von Final Fantasy X und X-2 gekauft. Durch die sich überschlagenden Ereignisse mit meinem Vater und jetzt mit Hannes bin ich nie dazu gekommen das Spiel auszuprobieren. Ich habe es vor Jahren auf der PS2 gezockt und habe letztens wieder daran gedacht, weil die Story nämlich hochspirituell ist und Fragen zu Leben und Tod und dem Göttlichen behandelt.
Da ist mir der Gedanke gekommen, ich könnte es spielen und so habe ich heute vormittag erstmals meine PS4 angeschlossen und mich im Netzwerk angemeldet. Es gab dann gleich mal ein Update und ich war so beschäftigt, dass ich fast die Zeit übersehen hätte, mich auf den Weg zu meinem Nachmittagsbesuch zu machen.
Mich hat das ganze Erlebnis leicht schockiert:
1. habe ich mich für einen Moment vollkommen auf die Einrichtung der Konsole fokussiert, etwas das mir seit dem Tod meines Manns noch nie gelungen ist, mich auf etwas zu fokussieren!
2. Freue ich mich aufs Spielen - einerseits - andererseits stürzt mich das in einen extremen Gefühlswirrwarr.
Die Vorgeschichte dazu ist, dass Videospiele in meiner Umgebung nie den besten Ruf hatten und es stimmt ja, dass sie sehr zeitaufwendig sind und nicht wirklich kreativ oder produktiv sind. Und sie führen dich fort vom "richtigen Leben" hin zu einer virtuellen Traumwelt.
Also habe ich nie viel darüber geredet und mir immer heimlich dafür ein paar Stunden in der Woche abgezwackt. Mein Mann wusste es natürlich schon und er hatte auch nicht wirklich etwas dagegen, aber es war halt in seinen Augen Zeitverschwendung.
Ich habe mir oft gewünscht mehr Zeit dafür zu haben, habe mir aber gleichzeitig immer selber vorgehalten, dass es eigentlich Zeitverschwendung ist.
Jetzt stecke ich in dem Dilemma fest, dass ich ja eigentlich tun und lassen kann was immer ich möchte, dass aber mein innerer Zensor im Viereck springt, weil ich es wage meine Konsole auszupacken und meine Zeit zu verschwenden ... seufz
Und schon ertappe ich mich dabei mir zu wünschen, er wäre wieder da und ich hätte einen Anhaltspunkt was ich machen soll, bzw. genug zu tun, damit ich gar nicht erst auf komische Gedanken komme.
Ich hab da so einen Glaubenssatz in mir, der heißt: man soll sein Leben im Hier jetzt genießen, also alles was die Welt so zu bieten hat: In die Natur raus gehen, mit Menschen kommunizieren, Gutes und Nützliches tun und nicht sich in virtuelle Welten flüchten (obwohl ich das schon als Kind am liebsten getan habe, damals waren es halt Bücher die ich reihenweise und stundenlang gelesen habe)
Mein Problem ist halt, dass ich die virtuellen Welten genieße, aber nicht das kompakte richtige Leben, von dem alle sagen, dass man es genießen muss, punktum!
Und jetzt muss ich zum allerersten Mal in meinem Leben etwas ganz und gar auf eigene Verantwortung tun, weil es niemanden mehr gibt, auf den ich Rücksicht nehmen muss und der mir etwas zu sagen hat und ich finde das so richtig furchterregend.
Ich fürchte mich vor meiner eigenen Disziplinlosigkeit.
Und ich finde es erheblich leichter für jemand anderen (vor allem für den Lieblingsmenschen) da zu sein als für mich selber.
Vor allem weil mir so Dinge wie Pizza um Mitternacht und Konsolenspiele Spaß machen und nicht so akzeptable Dinge wie Waldspaziergänge und Schaumbäder ...
Irgendwie bin ich immer noch ein Kind mit meinen 60 Jahren und mit dem Leben ansich heillos überfordert ...