Es hat sich schon wieder so viel getan, dass ich richtig verwirrt bin.
Angefangen hat es damit, dass ich gestern in der Früh wieder mit dem Gefühl aufgewacht bin, dass ich ihm eigentlich lieber nachfolgen würde, als dieses unangenehme neue Dasein weiterzuführen. Das war jetzt schon einige Tage nicht mehr so, deshalb hat es mich ein wenig irritiert.
Kurz nach dem Aufstehen,d ann der Anruf der Polizei, dass ich ein Schriftstück in Empfang nehmen soll. Bin gleich rübergelaufen (Die Polizeistation ist gleich auf der anderen Straßenseite), es war die Einstellung des Verfahrens in Sachen meines Mannes.
Das Ergebnis kurz und bündig: Es war weitgehend Eigenverschulden, weil er die Haube des Flugzeugs nicht ordentlich verschlossen hat, sodass sie nach einer Weile aufging und das Flugzeug auf Grund des Strömungsabrisses abgestürzt ist. Das Problem ist, dass man von innen nicht mehr nachkontrollieren kann, ob die Verriegelung auch hält und man daher besonders sorgfältig beim Schließen der Flugzeughaube vorgehen muss. Ein bekanntes Problem bei diesem Flugzeugmodell, das schon zu mehreren Abstürzen und auch bereits zu einem weiteren Todesfall geführt hat.
Mein Mann wusste das aber und ist wie alle anderen im Verein das Risiko bewusst eingegangen. Dieses eine Mal war er offenbar nicht sorgfältig genug, aus welchen Gründen auch immer und dieser Fehler hat seinen Tod herbeigeführt.
Ich war enttäuscht und ein bisschen böse auf ihn, weil er sein Leben leichtfertig aufs Spiel gesetzt und verloren hat, ich fühlte mich betrogen, weil die Fliegerei immer Vorrang hatte und er mich einfach allein gelassen hat, wo ich ihn doch so gebraucht habe. Ich habe ihm immer die Freiheit gelassen und ihn unterstützt wo ich konnte, ich liebe ihn immer noch so wie vom ersten Tag an und hätte mir so gewünscht in dieser Liebe unser restliches Leben zu verbringen, seine Seele hat anders entschieden und mich alleine zurück gelassen.
Es ist irgendwie so, als wäre er nie dagewesen, wie eine Fata Morgana, die verschwindet, wenn man näher hinsieht.
Andererseits sind so viele Erinnerungen in der Wohnung, die ich mit niemandem mehr teilen kann. Ich träume nicht mehr von ihm, es gab keinen Abschied und nur mehr eine einzige Person, einen seiner ältesten Freunde, der im gleichen Alter wie ich ist, mit dem ich überhaupt noch gemeinsame Erinnerungen teilen kann.
Ich rede mit ihm, schreibe Briefe an ihn und stelle mir vor, dass er noch irgendwo ist, aber mir fehlt das Gefühl und das Vertrauen dafür, dass es tatsächlich so ist, auch wenn ich mir nichts mehr wünsche.
Gemeinsam mit ihm hatte ich immer das Gefühl, dass wir alles schaffen können, gemeinsam mit ihm konnte ich mich meinen Ängsten und meinem Leben stellen.
Ohne ihn, habe ich das Gefühl unterzugehen und ich habe Angst zu leben und deshalb kann ich auch nicht aus Überzeugung sagen, dass ich weiterleben will. Ich mache alles, ich arbeite, kümmere mich um alles, verplane meine Freizeit, damit ich nur ja nicht allein ein unserer Wohnung sein muss und immer im Hintergrund das Gefühl, dass das nicht das echte Leben ist, dass es nur ein Alptraum ist aus dem ich irgendwann wieder aufwache.
Es kann doch nicht sein, dass einem das ganze Leben so entgleitet, dass man sich in sich selbst fremd fühlt, dass man kein Zuhause mehr hat, sondern nur mehr eine Wohnung, in der man lebt und das alles von einem Moment zum anderen.