darf ich Dir ein Gedicht von Christine Lavant als Begleitung für den Tag mitgeben?
"Sag mir ein Wort, und ich stampfe dir aus dem Zement eine Blume heraus, denn ich bin mächtig geworden vor Schwäche und vom sinnlosen Warten, magneten in allen Sinnen.
Sicher wirst du erscheinen müssen! Über dem Bahnhof zittert die Luft, und die Taubenschwärme erwarten den Einbruch der großen Freude.
Das Licht hat sich sanft auf die Schienen gelegt, weg von den Haaren der Mädchen und aus den Augen der Männer.
Ich habe aufgehört zu weinen, aufgehört auch, auf das Wunder zu warten, denn eines ereignet sich immerwährend im Wachstum meiner Schwäche, die da steigt und steigt über die Tauben hinauf und hinunter in schwarze Brunnen, wo auch tagsüber noch sichtbar sind die verheimlichten Sterne.
Dort unten wechselt nicht Tag und Nacht, dort unten begehrst du noch ununterbrochen die sanfte Blume meines Willens."
damals waren wir irgendwie "besser drauf". Wir konnten uns stützen obwohl bei uns alles viel "frischer" war. Uwe hat uns viele Geschichten aus dem Dorf erzählt und ich nahm rege Anteil.
oder es tritt eine resignation ein, weil man merkt, dass sich immer noch nichts bessert.
Liebe Luise, liebe Flora, liebe alle, besonders liebe neuen Mitglieder, denn Euch bitte ich mir die folgenden Zeilen
zu verzeihen - oder besser noch überlest sie! (Ich weiß....)
Ja.
Im ersten Jahr kämpften wir tapfer und ertrugen alles unter unerträglichen Schmerzen zum ersten Mal.
Im zweiten Jahr kämpften wir tapfer und begannen unter unerträglichen Schmerzen zu realisieren, dass die Trauer nicht nur kein Mitgefühl mit uns hat, sondern auch kein Zeitgefühl.
Im dritten Jahr kämpfen wir tapfer und mit unerträglichen Schmerzen, dem Gefühl der Unendlichkeit im Herzen und dem Begriff der Ewigkeit
im Kopf.
Im vierten Jahr werden wir vielleicht das Zählen verlernt haben ...
Das gilt natürlich nicht für alle.
Für mich schon. Leider.
Doch immer, wenn ich solche für mich gültigen Zeilen schreibe,
dann bin ich in Gedanken auch bei den neuen Mitgliedern und frage mich,
ob ich sie veröffentlichen kann bzw. nicht besser sofort löschen sollte.
Denn ich erinnere mich noch sehr genau daran wie sehr mir zu Beginn meiner Trauer
die Texte im Forum der bereits "länger" Trauernden halfen.
Aber ich erinnere mich auch noch genau daran welche Angst mir Texte machten
in denen sie offen und ehrlich von Zeit sprachen ... diese versetzten mich in Panik und Schrecken.
Im ersten Jahr verglich ich immer die Anzahl der Trauermonate, um irgendwie einschätzen
zu können wo ich mich befinde und "wann es besser" werden würde....
Ich erinnere mich noch genau an einen Text in dem ein Mitglied schrieb wie es ihr nach 18 Monaten Trauer
ging.
Mich erfasste Panik: 18 Monate???? Wie sollte ich diese überleben???
Befand ich mich doch gerade in der Zeitrechnung von Tagen und Wochen und ersten Malen...
Liebe Luise, liebe Flora,
ja.
Leider.
Folgende Zeilen von Andre Heller aus "Leon Wolke"
gelten für mich mittlerweile auch der Zeit gegenüber:
"...
Fürchtet sich auf Erden nicht,
Nicht vor Krankheit nicht vorm Sterben,
Nicht vor Dummheit jeder Form,
Und will ihm wer imponieren,
Sagt er, sie sind sicherlich enorm
Nur hab ich einen anderen Maßstab,
Vor dem wirkt fast alles klein,
Wirklich groß ist nur die Trauer
..."
Für Uwe.
Tereschkowa
PS: Für Löschungsvorschläge aus JEDER Richtung bin ich offen und lösche es sofort.
Alleine mache ich viele Fehler... treffe falsche Entscheidungen und dadurch habe ich schon menschliche Enttäuschungen gehabt und ziehe mich immer mehr zurück.
darin geht es mir genau so... und ich kann Dich - denke/hoffe ich sehr gut verstehen.
Bei mir liegt es natürlich am allermeisten auch an mir selbst. Mein Blick auf "das Leben" ...
Das weiß ich ... doch wissen bedeutet nicht automatisch auch ändern können...
Mit der Vorstellung bzw. Gewissheit, dass das Beste was man in seinem Leben "hatte" hinter einem liegt
und vor sich nur eine Mischung aus Nebel und Nichts ist es schwierig bzw. unmöglich so zu leben wie davor.
Das ist für mich der entscheidende Unterschied: ich lebte immer nach vorne - ohne mit dessen so recht bewusst zu sein.
Mir wurde dies erst bewußt seit ich es verloren habe.
Den meisten Menschen bzw. fast allen um mich herum ist es - genau wie mir früher - nicht bewußt,
dass sie ohne dies zu hinterfragen nach vorne leben... daher ist es auch kaum vermittelbar "woran es hakt".
Das meine ich tatsächlich jenseits jeder Art von Kritik im Gegenteil:
alles würde ich geben, um diese Art des "unbewussten voran denken und fühlen" wieder zu erhalten.
Doch ich fürchte das ist mir unmöglich. Obwohl ich nach wie vor kämpfe bzw. es nicht wahr haben möchte..
Dieser Riss bzw. diese unsichtbare Wand zwischen mir und "den andern" ist da, nein wächst...
das ist die Einsamkeit, die mich den Anschluß zu ihnen immer mehr verlieren lässt...
Bitte entschuldige. Keine Worte des Trostes fallen mir ein, doch aufrichtige Anteilnahme.
Soll ich meinen Beitrag zu mir verschieben?
Herzlichst, sei umarmt,
Tereschkowa bzw. Terry (diesen Namen verdanke ich ja Dir... )