Liebe Luise,
ich bin neu im Forum, daher zu nächst mein herzliches Beileid zu Deinem Verlust.
Vieles was Du schreibst kann ich sehr gut nachempfinden. Alleine, nicht geliebt und nicht gebraucht fühle ich mich auch oft.
Allerdings bin ich so froh kurz vor Silvester Dich und die anderen hier im Forum gefunden zu haben!
Hier ist geben, nehmen und gebraucht werden selbstverständlich!
Mich berührt Euer Umgang und der Trost, den hier alle im Rahmen ihrer Kräfte und Möglichkeiten versuchen weiter zu geben sehr.
Fast wütend jedoch machen mich die Erfahrungen, die trauernde Menschen mit ihrem (meist dann ehemaligen) sozialen Umfeld machen müssen. Viele - wie ich las - machten diese Erfahrung bereits während der Krankheit ihrer Geliebten.
Eigentlich unfassbar. Trauer ist kein Defizit, sondern ein mehr an Erfahrung.
Nur weil ein großer Teil der Gesellschaft mit diesem mehr an Erfahrung nicht umgehen kann, fühlen sich so viele Betroffene (und ich)
mit diesem zu viel an Erfahrung noch zusätzlich einsam.
Mein Lebensgefährte verstarb plötzlich und unerwartet am 27. August.
Ich bin seither nicht in der Lage zu arbeiten und daher krank gemeldet. Er war 59 Jahre alt, ich bin 50. Ich habe auch keine Kinder und sonst keine Familie.
Die vermeintliche sehr, sehr gute soziale Vernetzung meines Lebensgefährten und mir, stellte sich für mich in den vergangenen Monaten als großer Irrtum heraus. Der größte Teil unsers sozialen Umfeldes hat sich - von sich aus -bei mir seit des Begräbnisses im September nicht mehr gemeldet. Das war für mich ein zusätzlicher Schock. Ich habe sehr viel darüber nachgedacht, woran das liegt. Unter Umständen am Milieu - ich bin (war) im Kunstumfeld tätig. (Doch dazu vielleicht ein Mal später. Die vermeintliche Offenheit bestimmter sozialer Gruppen wäre einen eigenen Thread wert...)
Nach dem ich zunächst versuchte viel zu unternehmen, um in den Ruinen meines von einem auf den anderen Tag zusammen gebrochenen Lebens zumindest noch ein paar soziale Teile zu retten, kam ich mir selbst wie ein herrenloser Hund vor.
Denjenigen, die ich schaffte zu einem gemeinsamen Treffen zu bewegen versuchte ich - wenn sich sich schon trauten mich zu treffen - zu gefallen, damit sie wieder kommen ...
Das ist mein Stichwort, weshalb ich eigentlich begann an Dich zu schreiben.
(Bitte entschuldige, dass es so ausufernd wurde. Doch ohne ein wenig meiner Geschichte zu erzählen hätte ich mich schon gar nicht geraut Dir zu schreiben.)
Folgendes habe ich akzeptieren müssen:
Ich bin tief traurig, ich weiß nicht wie und ob sich dies jemals wieder ändern wird.
Für mich selbst erscheint mir mein Leben vollkommen sinnlos und Menschen, die meine Trauer überfordert hinterher zu rennen
verstärkt das Gefühl der Sinnlosigkeit.
Natürlich, wäre es wichtig gerade mit diesen Menschen über Trauer zu sprechen, damit sich langfristig gesellschaftlich etwas verändert.
Denn sie wissen nicht was sie tun: Sie verdrängen den Tod und die trauernden Menschen unter sich gleich mit ...
Doch für gesellschaftspolitische Agenden fehlt mir gerade die Kraft.
Momentan hangle ich mich durch meine Tage, die 300 Stunden zu haben scheinen, in dem ich mir einzelne sinnvolle Tätigkeiten suche.
Das ist nicht einfach, da meine nach wie vor anhaltende Traumatisierung mich stark räumlich, körperlich und mental einschränkt.
Ich probiere ich seit einiger Zeit das:
Mit Tieren konnte ich schon immer gut umgehen und dort wird Unterstützung immer gebraucht.
Ich surfe auf sämtlichen Ehrenamtsbörsen herum und suche nach kleinen Tätigkeiten im Tierschutz, die ich vom Computer aus erledigen kann.
Ehrenamtliche Tätigkeiten haben den großen Vorteil, dass niemand die Frage stellt wieviel Prozent zu 100% Leistungsfähigkeit einem fehlt, sondern jedes einzelne Prozent ist ein mehr.
Auf Facebook und bei Tierheimen - gerade zu Silvester war das sehr "ergiebig" - vergleiche ich vermisste/entlaufene und aufgefundene Hunde und Katzen und versuche die Besitzer zu kontaktieren.
Wenn in meinem (eingeschränkten) Spazierradius ein Katze als vermisst gemeldet ausgehängt ist, gehe ich diese Gegend - ohne meinen Hund - in der Nacht wieder ab, da verschreckte/ verirrte Katzen sich meist erst in der Nacht zu erkennen geben. Einen Kater konnte ich nach vier Wochen auf diesem Weg wieder seinen Besitzern zurück bringen. (Worauf ich sehr stolz bin!)
Ich hoffe ich war nun nicht zu aufdringlich in Deinem Therad, Luise? Dann bitte verzeih! Die Zeilen flossen so...
Mein Hund hat heute eine schwere Operation vor sich und ich bin sehr nervös.
Ich weiß nicht wie ich die Zeit während er in Narkose ist überstehen werde.
Heulend? Schreiend? Stumm? Egal: Ich liebe den Satz von Uwe: Wir sind frei, denn wir trauern.
Bitte wünsch uns Glück...
Sei umarmt, an diesem einem weiteren Tag in einer Lebenssituation, die sich niemand hier so ausgesucht und schon gar nicht gewünscht hat.
Ich bin froh, dass es Dich und die anderen hier gibt. (Und so viele Hund und Katzen.
Tereschkowa