Teil 1
Liebe Bowie,
danke für die ausführliche Antwort. Ich freue mich sehr von Dir zu lesen.
1.) Die kyrillische Schrift ist auf meinem Computer installiert, daher ist es nicht schwer für mich sie abzuschreiben.
Schau mal, das ist Nick Knox in kyrillischer Schrift: Николай Георгиевич Степанов
Habe mir Nick Knox angesehen, den kannte ich nicht. Es sieht cool aus. Leider ist er auch im vergangenen Jahr gestorben.
2.) Hoffentlich macht Lego bald ein Set mit Kosmonautinnen. Dann schenke ich uns beiden eines.
Ich sammle Kosmonautinnen und Kosmonauten auch als Schmuck für den Weihnachtsbaum.
Mein Lebensgefährte hat mir immer wenn er irgendwo russische Kosmonautenfiguren für den Weihnachstbaum fand eine geschenkt.
Danke für den Tip zu dem Blog von Alexander Gerst. Habe mir den Blog gerade angesehen und werde ab jetzt auch dort lesen.
3.) Schuldanteile
Danke, dass Du darüber nachgedacht hast wie viele Schuldanteile ich am Tod meines Lebensgefährten habe.
Deine Gedanken helfen mir sehr. Du hast recht: Genau wie Du bei Deiner Mutter hätte ich ALLES getan, um seinen Tod zu verhindern.
Und Du hast auch recht damit, dass der Grund warum ich nach einem Jahr Nachdenken keine Lösung finde vielleicht einfach ist:
Traurigkeit und Ungerechtigkeit. Das Schlimme ist, dass der Tod für immer ist. Das stimmt. Auch das ist ungerecht und traurig.
Ich kenne das Gefühl, dass mein Kopf explodiert. Es tut mir sehr leid zu lesen, dass Dir Dein Kopf so weh tut.
Das waren zu viele Eindrücke für Dich.
Du wolltest auch ALLES tun um zu verhindern, dass Deine Mutter stirbt.
Vielleicht konntest Du auch gar nichts richtig machen? Denn vielleicht hätte Deiner Mutter auch der Notarzt nicht helfen können.
Um genau zu wissen, ob bzw. wieviel Du wirklich falsch gemacht hast, wäre es sehr wichtig mit einem Arzt zu sprechen, der
genau weiß woran Deine Mutter aus medizinischer Sicht gestorben ist.
War denn ein Notarzt später da?
Viellicht kannst Du von ihm genaue Informationen bekommen.
Der Holzkopf Jens Spahn wird das nicht so genau wissen können. Vor allem nicht schnell genug antworten.
Kann Dir der Freund Deiner Mutter dabei behilflich sein? Oder Deine Schwester?
Weiß jemand wie wichtig diese Informationen für Dich sind?
Gibt es vielleicht einen Obduktionsbericht? (Weißt Du was das ist? Das ist ein genauer medizinischer Bericht darüber woran Deine Mutter gestorben ist.)
Die Familie meines Lebensgefährten konnten nicht verstehen, dass es für mich SEHR wichtig war alle medizinischen Fakten zu wissen.
Sie wollten gar keine Fakten wissen oder hören. Auch darin sind Menschen sehr verschieden.
Da Du erst 12 bist brauchst Du Hilfe von Deiner Familie, sonst bekommst Du diese Informationen nicht,
denn die Ärzte dürfen sie Dir laut Gesetz nicht sagen.
Vielleicht kannst Du dem Freund Deiner Mutter oder Deiner Schwester schreiben?
Ich könnte mir auch vorstellen, dass der Freund Deiner Mutter oder Deine Schwester, wenn Du es ihnen nicht kommunizierst nicht
daran denken oder sogar glauben diese Information würden Dich zusätzlich belasten. Das dachten bei mir die meisten Menschen.
Aber für mich war es das Gegenteil. Je mehr Information ich bekam, um so besser war es.
4.) Verzeihen
Du bist sehr klug. Zum Verzeihen braucht man zwei Menschen. Das stimmt.
Es tröstet mich SEHR wenn Du meinst, dass mein Lebensgefährte mir verziehen hätte.
Denn dann bist Du der zweite Mensch. Du hättest mir verziehen. Danke.
Ich werde versuchen es so zu denken, wie Du es vorschlägst.
Du hast auch nicht ABSICHTLICH etwas falsch gemacht, sondern wenn dann weil Du es nicht richtig machen konntest.
Deine Mutter hätte es Dir sicher auch verziehen. Wetten?
Wenn Du magst bin ich Dein zweiter Mensch zum Verzeihen.
Man kann im Leben nicht alles wissen und auch nicht alles können, leider.
5.) Strafe
So lange Du Deine Schuldanteile nicht kennst ist auch nicht möglich die perfekte Strafe zu finden.
Also solltest Du damit warten. Bevor man sich eine Strafe ausdenkt, muss man genau wissen wofür.
Sonst kennt man kein Strafmaß und die Strafe macht keinen Sinn.
6.) Schlagzeug / Laufen
Ich bin beeindruckt. Cool! Du spielst jeden Tag so lange Schlagzeug. Das kann ich leider nicht.
Ich kann leider überhaupt kein Instrument spielen.
Gibt es ein Lied, dass Du am liebsten spielst?
Dass Du 36 km in der Woche läufst beeindruckt mich auch. Sehr sogar. Du bist wirklich fit.
Läufst Du in der Natur oder auf einer Bahn? Immer die gleiche Strecke oder wechselst Du sie?
7.) Meine Asche:
Dass Du Dir keine Meinung dazu ausdenken konntest liegt nicht daran, dass Du erst 12 bist oder dem Autismus, sondern
es ist auch kompliziert. Es war auch kompliziert für mich.
Aber vielleicht ist es wenn Du etwas mehr Information hast leichter Dir eine Meinung zu meiner Asche auszudenken.
Mir ist es wichtig, dass Du nicht denkst, dass ich klaue. Das könnte ich nicht.
Ich habe das Begräbnis meines Lebensgefährten alleine organisiert, seine Mutter und seine Schwester bei den meisten Dingen
jedoch nach ihrer Meinung gefragt z.B. bei der Musik oder den Blumen.
Sie sagten dann immer, dass ich alles so machen kann wie ich es möchte. Was sehr, sehr nett von ihnen war.
Das Bestattungsinstitut fragte mich, ob ich ein wenig Asche haben möchte.
Daraufhin habe ich JA gesagt, aber es der Mutter und der Schwester meines Lebensgefährten nicht erzählt,
weil ich wußte das sie das makaber finden.
Ich habe also nicht etwas genommen oder geklaut, sondern ich habe es nur nicht erzählt.
Aber ich erzähle ihnen auch sonst nicht alles, das möchten sie gar nicht.
Sie wollten auch die Todesursache von ihrem Sohn und Bruder nicht wissen.
Da habe ich sie gefragt, ob sie es wissen möchten und sie sagten "Nein".
Es ist nicht meine Mutter und nicht meine Schwester.
Vielleicht ist es nun leichter für Dich Dir dazu eine Meinung auszudenken?
Asche Deiner Mutter:
Ob es verboten ist Asche zu bekommen steht nicht im Grundgesetz sondern im Bestattungsgesetz.
In Deutschland hat jedes Bundesland ein eigenes Bestattungsgesetz.
Ich weiß nicht in welchem Bundesland Du lebst, aber Du findest das sicherlich leicht bei Wikipedia.
Ich wünsche Dir sehr, dass Du etwas Asche von Deiner Mutter bekommst.
Der Brief von Frau Astrid (Chef) ist sehr, sehr gut. Sie schreibt ja auch von der Asche. Vielleicht kannst Du ihn jDeiner Schwester
oder dem Freund Deiner Mutter zeigen. Du solltest nur schnell fragen, nach der Urnenbeisetzung ist es zu spät um etwas Asche
zu bekommen. Die Asche ist dann in einer Urne verschlossen.
8.) Streicheln
Ich streichle auch ganz viele Sachen von meinem Lebensgefährten.
Seinen Hausschlüssel habe ich immer in der Hosen - oder Rocktasche oder am Armband.
In seinem Bett kann ich aber auch nicht schlafen, es macht mich sehr, sehr traurig.
Viele Sachen habe ich auch genau so stehen lassen wie er sie zuletzt angefasst hat z.B. in seinem Arbeitszimmer.
Hast Du mit Deiner Mutter alleine in Eurer Wohnung gelebt? Vielleicht ist es für Dich ja auch wichtig, dass einige Sachen
so bleiben wie Deine Mutter sie zuletzt berührt hat?
9.) Fotos
Fotos ansehen zu können ist wichtig. Gut, dass Du Dir Fotos von Deiner Mutter ansehen kannst.
Ich muss das erst noch üben bzw wieder lernen. Aber ich kann mir meinen Lebensgefährten auch ohne Fotos sehr gut vorstellen
und sehe ihn vor mir. Ich verstehe, dass es Dich sehr traurig macht Fotos Deiner Mutter zu sehen.
Du liebst sie sehr und sie ist Dein allerwichtigster Menschen.
Mein Lebensgefährte war auch mein allerwichtigster Mensch. Ich habe sonst keine Familie.
Es ist ungerecht und sehr traurig, dass Deine Mutter und mein Lebensgefährte tot sind.
(Und der Mann von Gabi. Und von allen hier im Forum.)
10.) Trösten
Ja, genau das ist trösten, Bowie.
Um mich zu trösten haben mir auch viele Menschen Tips gegeben.
Für mich funktionierten viele Tips nicht, aber einige Menschen hatten dann doch auch Tips, die mich ein wenig trösteten.
Hoffentlich gibt es auch bei Dir Menschen, die Dir Tips geben können.
Streicheln ist natürlich auch sehr wichtig um zu trösten. Das stimmt.
Gut, dass Du Josef hast - den kannst Du streicheln.
Gibt es noch jemanden aus Deiner Familie der Dich in den Arm nehmen kann?
Von Fremde angefasst und gestreichelt oder in den Arm genommen werden mag ich auch überhaupt nicht.
Höchstens die Hand geben.
11.) Zeichnen/ Kunst
Danke, dass Du es sehr gut findest, dass ich zeichnen kann. Das freut mich.
Ich zeichne mit Tuschestiften (Rapidograph) oder mit Bleistift.
Manchmal verwende ich auch Farben. Aber nicht oft.
Mein Beruf ist Künstlerin und ich habe das studiert.
Ich arbeite mit vielen verschieden Techniken.
Oft mache ich sehr große Arbeiten für den öffentlichen Raum oder für Gebäude.
Nur malen kann ich nicht.
Das Frieder-Burda-Museum kenne ich. Cool, dass Du dort warst und auch noch das Museum für Dich und Deine Mutter alleine hattest.
Toll, dass Du die Arbeiten von Gerhard Richter und Frida Kahlo kennst.
Ich mag die Arbeiten von Gerhard Richter sehr gerne.
Sind in Deinem Buch die bunten und abstrakten Arbeiten von ihm?
Oder eher die grau braunen auf denen man verschwommen Menschen oder Tiere erkennen kann?
Die traurige Geschichte von Frida Kahlo kenne ich auch.
Sie hatte viele Schmerzen in ihrem Leben. Ich glaube sie tröstete es Kunst zu machen.
Aber das glaube ich nur. Ich weiß es natürlich nicht.
Ich finde es SEHR GUT, dass Du Schlagzeug spielst. Das ist richtig cool!
Hast Du eine Lieblingsschlagzeugerin oder Schlagzeuger?
Da kenne ich mich nicht gut aus.