Lieber Frank,
nein, das ist keines falls wirr!
Ich denke an vielen Punkten sehr genau wie Du bzw. empfinde wie Du...
für mich ist die "Warum"-Frage eine doppelte:
1. Warum musste es geschehen? Habe ich eventuell sogar dazu beigetragen? Warum habe ich so viel falsch gemacht?
2. Warum soll ich noch weiter leben? Welche Motivation gibt es dafür? Welche Ziele kann ich mir noch vorstellen?
Ja, Frank, für mich ist es auch eine doppelte "Warum" Frage.
Beide Fragen würde ich genau so auch unterschreiben - Du weißt, das mich meistens Frage 1 beschäftigt hält, doch über Frage 2 war ich besser in der Lage zu schreiben...
"Du hast Talente, mit denen du noch was für andere tun kannst. Das darfst du nicht wegwerfen."
Ich versuche es mit meiner Mini-Tätigkeit im Altersheim. Die alten Leute freuen sich, und mir tut es auch gut, merke ich.
Ja, das kann ich verstehen. Ich überlege auch immer, was ich in meiner Verfassung Sinnvolles tun kann.
(z.B. streunende Katzen zum Sterilisieren bringen... bei Menschen mache ich alles, was sich im Bekanntenkreis an Unterstützungen so ergibt:
ich habe gerade Bekannten bei den Begräbnisvorbereitungen geholfen, deren 9 jähriger Sohn überfahren wurde. Wirklich etwas regelmäßiges anzubieten, traue ich mir in meiner Verfassung nicht zu...)
Um Sinnvolles zu tun, muss man nicht zufrieden und schon gar nicht glücklich sein.
ABER:
Rein rational betrachtet, so viel Sinnvolles kann ich gar nicht tun, um zumindest halbwegs auszugleichen welche Belastung ich in den nächsten Jahren noch meinen Mitmenschen, der Umwelt und den Ressourcen etc... anhängen werde.
Auf der rein rationalen Ebene wird mein Leben nicht ins "PLUS" kommen ... man muss sein eigenes Leben schon lieben, um es zu rechtfertigen.
(Kinder sind immer ein anderes Argument, dann wird man von jemandem gebraucht, der einen liebt. Zumindest meistens. Das funktioniert in veränderter Form auch mit Haustieren. )
Ganz schlimm wird es, wenn Argumente kommen: "Du hast Dich doch auch vorher nicht ausschließlich über Deine Beziehung definiert."
Nein, natürlich nicht. Aber dieses Argument kommt von Menschen, die Erfahrung habe Beziehungen zu beenden und sich zu trennen...
(Diese Erfahrung haben wahrscheinlich die meisten von uns auch, deshalb wissen wir ja wie anderes es jetzt ist.)
Wenn der Partner oder die Partnerin stirbt geht es um ganz andere Fragen. (Zumindest bei den meisten.)
Es stirbt das eigene Leben und das ICH mit. Das ist keine Frage der Selbstverwirklichung mit etwaigen feministischen Tendenzen...
Die Formel lautet nicht: DU + ICH = WIR also bedeutet WIR - DU = ICH
WIR - DU - ICH = ????
Ich will es ja gern auch so sehen, das Leben für ein Geschenk halten.
Da bin ich momentan nicht so großzügig wie Du dem Leben gegenüber.
Das Leben hat mir gerade ein "Geschenk" gemacht, dass ich sicherlich nicht bestellt hatte.... und schon gar nicht gewollt.
Dass ich versagt habe und viel zu wenig für sie getan habe. Dann sehe ich meine jetzigen Qualen als Quittung dafür, die ich zu ertragen habe. Und dann sage ich mir: du musst es AUSHALTEN, so schrecklich es ist.
Ja, soweit war und bin ich auch immer Mal.... es als gerechtfertigte Quittung zu sehen.
Aber dann schreit auch etwas in mir... der Preis ist sehr, sehr hoch. Zu hoch gemessen an den tatsächlichen Verfehlungen ...
Das Schlimme ist die Vorstellung des AUSHALTENS.
Von nun an das Leben nur noch aushalten zu sollen, das ist der Moment an dem ich vollkommen verzweifle.
Nie bin ich näher am wirklichen Aufgeben als wenn ich dann z.B. im Forum oder von Bekannten höre "nach drei Jahren konnte ich zum ersten Mal wieder freuen als ich die Amseln singen hörte..."
Dann denke ich: Ich werde durch dieses Erlebnis für immer gezeichnet sein. Es ist zwar eine MEHR-Erfahrung, die jedoch sowohl von mir als auch von den anderen als menschliches Makel gesehen wird.... ok.
Dann dreht sich alles wieder im Kreis ...
Lieber Frank, vielleicht bist Du bist doch wirr und ich bin es auch!
Herzlichst,
Tereschkowa