Meine Mama starb am 13.4. um 8 Uhr nach einer Notoperation, nachdem 2 Ärzte 3 Tage vorher eine Magenperforation nicht erkannt haben. Am 10.4. war sie 2 mal im Krankenhaus aufgrund unerträglicher Rückenschmerzen die bis in den Bauch zogen. Dort wurde sie 2x mit unterschiedlichen Diagnosen entlassen. Die erste hieß Verspannungen. Meine Mutter und mein Stiefvater waren dabei die Küche zu renovieren, weswegen das gepasst hätte. Als die Schmerzen abends jedoch schlimmer wurden fuhr sie wieder hin. Sie wurde mit einer Nierenbeckenentzündung entlassen. Ich sagte ihr, dass das sehr schmerzhaft ist, aber mit den richtigen Medikamenten wird das in ein paar Tagen besser sein.
Freitag Nachmittag rief mein Stiefvater an. Er sagte das er nicht weiter weiß, dass sie ein paar Minuten zuvor ohnmächtig geworden ist und sie auf dem Sofa liegt und nicht mehr aufstehen kann. Ich holte sie ans Telefon und sie sagte sie hat nichts, man hörte ihr aber an, dass etwas nicht stimmte. Ich zog mich an und fuhr sofort los. Da die beiden etwas außerhalb wohnen war ich 20 Minuten später da. Als ich ins Wohnzimmer kam, war meine Mutter kaum noch ansprechbar. Ich ruf sofort den Krankenwagen, versuchte meine Mutter anzuziehen. Als ich sie aufsetzte und ihr zumindest eine Hose halbwegs anziehen konnte sah ich wie schlimm es um sie stand. Ihre Augen standen hervor, sie war kreidebleich und ihr Gesicht war eingefallen. Sie kippte zur Seite aufs Sofa als der Rettungswagen eintraf. Sie sagte das sie auf Toilette muss und ein Rettungsassistent und ich haben versucht sie auf die Beine zu bekommen, sie schaffte 2 Schritte und wurde ohnmächtig. Wir legten sie hin und sie kam wieder zu sich. Als wir versucht haben sie wieder aufzusetzen wurde sie wieder ohnmächtig. Im Rettungswagen versuchten die Assistenten einen Zugang zu legen, was aufgrund ihres niedrigen Blutdruckes nicht gelang. Der Notarzt kam und legte ihr einen zentralen Venenkatheter.
Im Krankenhaus angekommen wurde sie sofort ins behandlungszimmer gebracht. Sie sagte mir, dass sie Angst hat. Und ich sagte ihr das ich auch angst habe, aber das alles wieder gut wird. Das war das letzte mal das ich meine Mama lebend gesehen habe. Ich musste sie anmelden und durfte nicht zu ihr. Nach einer Stunde fragte ich was mit ihr passiert. Die Frau sagte mir, dass mir in so einem Fall erst was gesagt wird, wenn die Ärzte zu 100% wissen, was ihr fehlt. Ich verstand das und setzte mich ins Wartezimmer. 1,5 Stunden später rief meine Oma mich an. Sie sagte: Mama ist im Krankenhaus. Ich meinte, dass ich mit im Krankenhaus bin, aber ich mich nicht gemeldet hab, weil ich gerad nicht weiß was passiert und was sie hat. (dazu muss ich sagen, dass meine Oma etwas durcheinander ist, seitdem mein Opa vor 2 Jahren starb. Ich wollte sie nicht in Unruhe bringen, vielleicht war es nicht so schlimm, wie wir dachten).Meine Oma sagte, dass die Ärztin sie angerufen hat und Gesagt hat, dass meine Mama eine blutvergiftung hat. Ich sagte ihr, dass ich sie gleich zurückrufe. Ich stürmte in die Anmeldung und fragte diese unglaublich inkompetente Frau, die falsch in ihrem Beruf ist was ihr einfällt mir nichts zu sagen. Die blieb völlig ruhig und sagte mir das ich mich auf der Intensivstation melden muss. Ich rastete völlig aus und ging hoch. Der Arzt kam raus und erklärte mir, das meine Mutter sofort operiert werden musste, weil im CT ein riesiger Hohlraum gefunden wurde und niemand sagen kann wo das herkommt. Er erklärte mir, dass meine Mutter vor Montag nicht selbstständig atmen wird und musste mit ihm die ganzen Dinge durchgehen wie wer, wenn der Fall Eintritt entscheidet, wann die Maschinen ausgestellt werden ? Wer, wenn der Fall Eintritt, ist für sie als Betreuerin zuständig? Ich beantwortete alle Fragen mit „ich“ und wurde dann gebeten nach Hause zu fahren. Da war es ca. 21 Uhr.
Um 00 Uhr rief mich die Ärztin an, die sie operiert hat. Sie erzählte mir, dass meine Mutter ein Magengeschwür hatte, was geplatzt ist. Durch das auslaufen des Mageninhaltes wurde 2/3 ihres Dünndarms zerstört wurde. Dass es meiner Mutter Schon wesentlich besser ging, als dieser Teil raus war. Allerdings konnte man zu dem Zeitpunkt nicht sagen, welche Auswirkung die blutvergiftung bereits hatte. Sie sagte mir, dass sie jetzt viel Ruhe braucht, sie immer noch in Lebensgefahr schwebt und ein paar Tage im künstlichen Koma bleiben wird um ihr hochdosiert Medikamente zu geben. Dann sagte sie mir etwas, was mir nie wieder aus dem Kopf gehen wird. Sie erzählte mir, dass sie zuvor mit meiner Oma telefoniert hat. Und ich sagte, dass ich im Wartezimmer saß und ich nur wusste was los ist weil sie mich angerufen hat. Die ärztin sagte dann: dass tut mir unendlich leid, hätte ich das gewusst, hätten sie ihre Mutter in denn OP begleiten können. Heute wiegen diese Worte unglaublich schwer. Als sie das aussprach war ich mir allerdings sicher, dass meine Mutter es schaffen wird. Sie war 52, hatte keine Vorerkrankungen und war fit.
Eine Stunde später rief der Arzt der Intensivstation an. Er sagte,dass die Leber zu Versagen droht und dass sie die Nacht wahrscheinlich nicht überstehen wird. Er muss mich bitten ins Krankenhaus zu kommen, damit ich mich von ihr verabschieden kann. Ich fuhr mit meinem Stiefvater hin und der Arzt erklärte mir was passiert. Eine Niere versagte bereits, die Leberwerte wurden alle paar Minuten schlechter. Er erklärte mir, dass sie einen Nierentumor hatte und fragte uns ob wir etwas davon gewusst haben. Ich schaute meinen Stiefvater schockiert an, weil ich dachte, dass er etwas davon gewusst hat. Aber auch ihm war das neu. Der Arzt erklärte, dass sich die Polizei einschalten wird, wenn Patienten innerhalb von 24 Stunden nach einer OP versterben. Dieses Gesetz hab ich in der Form nicht gefunden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass dieser Arzt wusste was 3 Tage zuvor falsch gelaufen ist.
Nach all den Gesprächen mit dem Arzt musste ich dann also den schwersten Schritt meines Lebens gehen. Meine Mama lag da, an 100 Schläuchen, schlafend. Trotzdessen sah sie im Gesicht wieder normal aus. Und das beruhigte mich irgendwie.
Der Arzt sagte das wir auf ein Wunder hoffen. Auch er hatte die Hoffnung das sich alles dreht und wendet, weil sie vorher kerngesund war. Und ließ uns dann alleine. Nach einer halben Stunde bin ich mit meinem Stiefvater an die frische Luft gegangen. Er konnte nicht wieder hochgehen. Heute bereut er das zutiefst. Seine Hoffnung war zu groß, dass sie das alles übersteht. Ich ging alleine zu ihr hoch. Ich entschuldigte mich im stillen, für alles was ich jemals gesagt oder getan habe, wobei ich sie verletzt habe. Wie sehr ich sie liebe und das sie mich nicht alleine lassen darf. Mit 27 bin ich zu jung für sowas. Das Oma das nicht übersteht, wenn sie geht. Der Satz „ich liebe dich“ überschlug sich in meinem Kopf. Und irgendwo dazwischen machte sich bei mir die Hoffnung auf ein Wunder breiter, als die Tatsachen die gerade vor meinen Augen passierten. Ich rannte auf Toilette und übergab mich. Der Arzt sagte, dass ich bleiben kann, aber er es für das beste hält, wenn ich für 2-3 Stunden nach Hause fahre und ich meine letzten Kräfte sammel. Wenn ich das Verlangen danach habe darf ich ihn jederzeit anrufen. Meine beste Freundin kam sofort und unterstützte mich. Sie zwang mich zumindest was zu trinken, was nur ansatzweise klappte.
Morgens um 7 rief ich den Arzt an. Er sagte mir, dass wir an dem Punkt angekommen sind an dem das Wunder ausgeschlossen ist. Die Leber versagt. Er weiß nicht wann und wie es passiert, aber er rechnet nicht all zu schnell damit. Ich sollte mir Zeit lassen bis ich sicher bin, dass ich mich Halten kann. Er es aber versteht wenn ich sofort komme. Ich hörte auf ihn. Ich sagte das ich in ca 2 Stunden da sein werde. Ich hatte nicht geschlafen, nicht gegessen und kaum getrunken und das Was ich getrunken habe kam sofort raus. Ich wollte erst hin wenn ich das unter Kontrolle bringen konnte. 45 Minuten später rief das Krankenhaus an. Der Arzt sagte, dass vor 2 Minuten das Herz meiner Mutter stehen blieb. Er wusste nicht recht was er sagen sollte. Er hätte so schnell nicht damit gerechnet. Er sagte mir, dass wenn ich sie sehen will, er sie an den Maschinen lässt, solange bis ich ins Krankenhaus zu komme. Das ich mir dabei auch Zeit lassen darf. Aber ich konnte das nicht. Ich hatte zu viel Angst davor, dass sie „Tod“ aussieht. Als ich sie verlassen habe, schlief sie. Und das Bild wollte ich mir so beibehalten. Das sie dann friedlich ging. Sie muss tagelang gelitten haben. Sie jetzt weiter an Maschinen zu lassen und sie nicht gehen zu lassen wollte ich nicht. Heute bereu ich das auf einer Seite. Aber ich hatte zu viel Angst vor diesem Bild.
Die Tage danach waren nervenaufreibend. Da ich Einzelkind bin musste ich für die Beerdigung alles entscheiden. Ich musste mit der Polizei reden. Diese entschied das meine Mutter obduktiert wird. Seitdem kümmert sich die Staatsanwaltschaft um den Fall. Innerhalb von 2 Wochen musste ich sämtliche Sachen meiner Mutter entweder behalten oder wegwerfen. Meine Oma ist nicht mehr dieselbe. Meine Kolleginnen haben mir alle Zeit der Welt versprochen. 2 Tage nach der Beerdigung ging ich wieder arbeiten. Einen Tag später machte mein Körper aber völlig schlapp.
Es ist nun knapp 6 Monate her und an manchen Tagen kommt es mir vor, als hätte ich sie letzte Woche erst gesehen und manchmal als wäre das alles vor Jahren passiert. manchmal kann ich über meine Mama reden, als wäre diese Geschichte nicht mir passiert. Und manchmal so wie jetzt, muss es einfach raus. Ich musste in der Zwischenzeit das erste mal Muttertag ohne sie verbringen und sowohl an ihrem als auch an meinem Geburtstag war sie nicht mehr da.
Ich hoffe, dass ich durch Gesprächen mit anderen helfen kann und mir in schweren Zeiten geholfen wird. Ich denk an euch ❤️