Bis 2005 war mein Leben ein Märthyrium, eines, das ich niemals mehr wieder erleben möchte, abgesehen von Schläge, Misshandlungen,. Bis zu diesem Datum wußte ich aber, es gibt hier in diesem Leben einen Menschen, und auf den wartete ich seit Kleinkind an, hab sogar Fotos, wo danach mein Jürgen sagte: so sieht ein Kind in Verzweiflung aus. Also wartete ich und machte ungeheuer viele Fehler. Suchte, suchte immer nach Liebe, die ich von daheim nie bekam, auch diese Aufmerksamkeit, auch das Annehmen und nicht diese Worte: Du bist nichts, Du hast nichts, Du kannst nichts......
Ich hab sehr viele Bekanntschaften gehabt, war wohl sehr attraktiv und anziehend, war alleinerziehend, hab jahrzehntelang
selbständig durchgearbeitet von Montag bis Samstag, aber kein Geld übrig gehabt für die Renteneinzahlung, wollte für mein Kind alles ermöglichen, aber das bereu ich auch nicht. Hab keine Erinnerung an einen Urlaub, , bis heute nicht. Aber: ich traf 2005 diesen Menschen, wir beide wußten vorher schon, daß wir irgendwann nochmal jemand in diesem leben treffen werden, da gibts noch was.
Wir waren von Anfang an schon so, es war irre, ich konnt kaum meine Hand von ihm fernhalten, es war so vertraut. Später erzählten wir uns und merkten, daß´wir beide es tatsächlich waren, auf die wir immer warteten. Es war merkwürdig und gleich auch wunderbar, so ein Gottesgeschenk, so was zu erleben dürfen. Wir waren oft dagesessen, ständig haben wir uns gehalten, ständig bin ich bei ihm geklebt.
Er ist und war für mich: meine Geborgenheit, mein Zuhause, mein Ankommen, endlich daheim zu sein, mein Trost, mein Beschützer.............. und ich für ihn.
Ich zog mit ihm ins Elsass, verlor dadurch mein Haus, weil meine Mutter es nicht einsah, daß ich wegging, war dort fremd und ohne alles. Wir waren plötzlich wie Hund und Katz. Ich wars nicht gewohnt, bei jemand abhängig zu sein, er hatte wenig Vertrauen, durch seine Vergangenheit.
Aber wir liebten uns ohne Ende. Danach: Große Herzoperation, danach große Narkose durch Schulterbruch, Danach Zahnnarkose.
ER: die erste Narkose hat mich fertig gemacht, die Zahnnarkose hat mir den Rest gegeben.Denn nach dieser elendigen Zahnnarkose sagtest Du mir noch: Ange, ich hab Angst, Du hattest niemals Angst, im Gegenteil, Du warst immer so positiv und hast es mir ständig beibringen wollen, ich fragte Dich: warum, wegen Deinem Kopf? Du nickstest nur. Du hast es gewusst, daß es Dir dieses Mal vom Kopf her so schaden wird,. Man sagte: Demenz, aber es waren diese Durchblutungsstörungen von etlichen Attacken, dadurch kamen Gehstörung, Sprachstörung. Vom Hirn her war er absolut immer da und absolut .Dazwischen etliche KH-Aufenthalte. Ca. 1 Jahr brauchte ich bzw. wir, daß Jürgen nach dieser Narkose wieder normal wurde. Etliche Delirien. Kurzzeitpflege, Pflegestation, wo ich immer und immer bei ihm war, jeden Tag, von morgens bis abends. Nach ca. 1 Jahr absoluter Liebe mit Arbeit ohne Ende war er nach dieser großen Narkose, die 2016 war, wieder fast Mensch. Dieses Jahr war so voll mit Liebe, Mühe, Hoffnung, Energie, die Liebe ist wirklich eine Himmelsmacht, eine Kraft ohne Ende.
Er ist tatsächlich 2016, ein Jahr später wieder Mensch gewesen, er sagte mir immer, seine Augen, schau, wie die ohne Leben sind. Ich sagte: oh Gott Jürgen, bitte! Wir schaffen das. Und tatsächlich, sie waren wieder voll Leben. Aber nicht zu vergessen: sein Hausarzt hatte ihn schon abgeschrieben und sagte mir danach: wir hätten nie gedacht, daß er nochmal so wieder wird.
Das ist und tut und kann nur die Liebe!!
Seine Liebe zeigte er mir ständig durch seine Augen, wie er mich anschaute, wie er meine Hand suchte, wie er stets versuchte, mich auf seine Art zu trösten, mich zu beschützen, mir zu helfen. Es war seine eigene Art, mir beizustehen, etwas schroff, aber wenn man ihn anschaute, wenn man ihn kannte, einen liebevolleren Menschen kenn ich nicht, er war eigen, er war unnachahmlich, er war selbstlos, in seiner Art und so sehr verwundbar. Das weiss ich deshalb, weil er mir mal sagte: " als ich meine tote Mutter küssen musste, ab da hab ich mir geschworen, ich werd niemals mehr wieder was schlimmes an mich heranlassen". Ja, so verwundbar war er. Er liebte seine Mutter bis zum Schluss und: sie hat ihn abgeholt, als er im Sterben war, und ich durfte dies miterleben. Das ist ein Trost für mich, solang ich lebe!!!
Bin ja jeden Tag dagewesen, hab ihm Essen gegeben, ihn gepflegt, mit ihm gearbeitet, auch körperliches Training, , bin im strömenden Regen mit leichten Schuhen in Stadt gelaufen, nur um ihn eine Butterbretzel zu besorgen, weil er die so liebte, ich hätte und hab alles getan, wenn er sich nur freute! Und da war ich richtig glücklich, wenn ich dann seine Augen sah.............
Aber ich war da, war fast immer da, bei Dir, Jürgen, nur zum Schluss, als wir wieder, wie immer, unsre Hände gehalten haben, da waren Deine so feucht, so kraftlos, da hab ich gemerkt, jetzt brauchen wir wohl nicht mehr zu kämpfen, ich hab Dich noch gebeten: mach doch bitte Deine Augen auf, und Du hast versucht: das linke Auge hast bisschen öffnen können, es war auch so feucht, mehr ging nicht.
Jetzt bist Du doch tot, mein Jürgen, es war zu viel. Aber vielleicht hast auch einfach mal wieder die Kurve geschafft, du Hamburger Jung, vielleicht hättest sonst noch mehr leiden müssen, jetzt in dieser Coroanazeit, da hätt ich wohl nicht bei Dir sein können. Aber: ich hätt auch da einen Weg für uns gefunden und wär bei Dir gewesen, und wenn ich in Dein Zimmer eingebrochen wär oder wenn ich es selbst bezahlen müsste und danach abzahlen, aber uns hätten die niemals trennen können. Bis auf jetzt, aber das war der Tod, und dagegen bin ich, mein Herz, machtlos!
Ich liebe Dich bis in alle Ewigkeit und darüber hinaus, so wie Du mich, mein Jürgen.
Ange