Beiträge von Sturm

    Lieber Robert,


    ich denke an dich.

    Falls du in nächster Zeit einmal Spazierengehen möchtest und Gesellschaft nicht schlecht fändest, könnten wir gerne etwas ausmachen. (Für große Gespräche fehlen mir wahrscheinlich die Worte, aber ich kann zuhören und ich kann auch Schweigen gut aushalten. Es ist ein unverbindlicher Vorschlag, der mir gerade völlig spontan in den Sinn kam. Wenn es für dich ein schlechter Vorschlag ist, ist das vollkommen okay.)


    Liebe Grüße, Sturm

    Liebe Ganzallein,


    du hast so viele Menschen verloren, es tut mir leid das zu lesen.


    Meine Situation ist sicher ganz anders als deine, aber auch ich habe kein Elternhaus mehr, in das ich zurückkommen kann. Meine Familie war meine Partnerin und sie starb letzten Sommer. Jetzt gibt es auch niemanden mehr, zumindest nicht wirklich. Ich bin allein und teile viele deiner Gedanken und Ängste.


    Leider weiß ich auch nicht, wie man mit dem Alleinsein zurechtkommen kann. Es erscheint mir oft wie das Unmöglichste auf der Welt und das, obwohl ich mich unter anderen Menschen paradoxerweise noch einsamer fühle als alleine.


    Ich kenne das bittere Gefühl, wenn alle anderen um einen herum ein gutes, enges Verhältnis zu ihren Familien zu haben scheinen und man selbst alleine ist. Mich hat das vor allem in meiner Jugend und als junge Erwachsene oft sehr traurig gemacht und mich wie ein Alien fühlen lassen. Auch den Gedanken, dass es nicht fair ist, kenne ich in dem Zusammenhang.

    Ich möchte dir auf keinen Fall zu nahe treten und sicher kann ich mich nicht gut genug in deine Situation hineinversetzen, weil ich nie eine intakte Familie und gute Beziehungen zu meinen Eltern hatte, aber trotzdem kann ich mir vorstellen, dass der Umzug deiner Mutter bestimmt ein sehr schwerer Schritt für euch alle ist. Aber noch ist sie da, sie ist nicht aus dem Leben und nicht aus der Welt. Alles wird anders und ich verstehe, dass dir das große Angst macht. Aber auch mit dieser Veränderung könnt ihr euch nahe bleiben.

    Ist das Pflegeheim denn weit von deinem Wohnort entfernt? Wie gut lassen sich Besuche in deinen Alltag integrieren, wie oft kannst du sie sehen? Weißt du das schon? Ist es möglich, deine Mutter manchmal tageweise abzuholen und mitzunehmen, zum Beispiel über Weihnachten? (Bei meinem Opa ging das und das war sehr wertvoll für ihn und für alle andern)

    Es ist gut, dass du deinen Mann hast. Kannst du mit ihm über deine Gefühle und Ängste sprechen? Seid ihr euch nahe?


    Im Moment gibt es wegen Corona wirklich sehr, sehr viele Online-Angebote - auch für Psychotherapie (per Videotelefonat). Wenn du im Ausland lebst, kannst du das aber - denke ich - nicht über die Krankenkasse abwickeln. Aber vielleicht findest du trotzdem etwas Passendes, ich drücke dir die Daumen.


    Liebe Grüße, Sturm

    Lieber Robert, ich hoffe das Abschweifen hier bei dir ist okay. Wenn nicht, sag bitte Bescheid!


    Liebe Helga,


    ich kann dich gut verstehen, vor allem den Gedanken an alle Neuankömmlinge, die in ihrer Trauer und Verzweiflung einen Anker suchen und im Moment stattdessen bildlich gesprochen von hohem Wellengang und tosendem Sturm empfangen werden, mit dem sie gar nichts zu tun haben.

    Umso dankbarer bin ich für Sommermond (- sehr coole und starke Reaktion in ihrem Thread), Yanouk und alle anderen Menschen hier, die in ihrem eigenen Schmerz so viel geduldige, freundliche Akzeptanz, Nach- und Rücksicht aufbringen können aber auch wie z.B. Robert oder du Grenzen aufzeigen und in Worte fassen, wenn sie überschritten werden. Ich mag diese Bande an vom Unglück zusammengewürfelten, traurigen Menschen so sehr und die Mischung aus allen Charakteren macht diesen Ort zu so einem angenehmen, sicheren Zuhause für uns Seelenverwundete.


    Mir persönlich fällt es sehr schwer, etwas zu Matthias zu sagen. Ich weiß zu wenig. Was ich weiß: Trauer kann blind, egozentrisch und wild machen (- zumindest macht meine Trauer mich oft blind, egozentrisch und wild, leider). Ich verstehe, dass man sich manchmal nur noch um sich selbst dreht, weil die Gedanken nur noch um das eine Thema kreisen und man den Absprung aus dem Karussell einfach nicht schafft. Ich verstehe auch, dass man über der Trauer und Verzweiflung verrückt werden kann und Dinge tut, die einem am nächsten Tag so weit weg vorkommen von seinem normalen Verhalten, dass man es einfach nicht für möglich hält, nur ein paar Stunden vorher getan zu haben, was man offenbar getan hat. Mir selbst ging das schon mehrmals so. Zum Beispiel habe ich einige Wochen nach dem Tod von meiner Geliebten in meiner Verzweiflung einen Einbruch begangen. Die Medikamente und andere Dinge, die ich zu dem Zeitpunkt einnahm, taten ihr übriges. Das war verrückt und dumm und in jeder Hinsicht grenzüberschreitend. Trotzdem hat es nichts, rein gar nichts mit der Person zu tun, die ich eigentlich und unter normalen Umständen bin. Nie, nie, nie hätte ich so etwas getan, niemals würde ich so etwas tun. Aber es waren damals (und sind eigentlich bis heute) eben keine normalen Umstände. Das entschuldigt die Fehler, die man macht, nicht oder nur sehr bedingt. Aber ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schnell man sich selbst entgleitet, wie sehr man außer Kontrolle geraten aber zugleich trotzdem gefangen sein kann. Das ist so schlimm, vor allem wenn andere Menschen mit hineingezogen werden oder dadurch in irgendeiner Form verunsichert oder verletzt werden. Andere Menschen verletzten, das ist etwas, was nicht passieren darf. Und doch passiert es leider manchmal.


    Was ich auch weiß: wir sind alle Menschen. Leider sind wir alle sehr, sehr traurige und unglückliche Menschen. Uns allen ist in unserem Leben das für uns schlimmste passiert. Das verbindet und eint, aber zugleich ändert es nichts daran, wie verschieden wir alle sind, denken, fühlen, handeln.


    Umso wertvoller ist der respektvolle Umgang miteinander, den hier alle miteinander pflegen, auch wenn er oft auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck kommt, weil wir eben unterschiedlich sind.


    Ich habe euch unbekannterweise sehr gern


    Liebe Grüße, Sturm

    Hallo Bowie,


    nur damit du Bescheid weißt: ich bin kein Mann, sondern eine Frau. Aber du musst nicht Frau Sturm schreiben, Sturm reicht vollkommen aus.


    Ich kann gut verstehen, was du meinst wenn du sagst, dass es dir wie zu viel Glück vorkommt ein Geschenk bekommen zu haben. Wenn man so lange so traurig ist wie du und große Schuldgefühle hat, fühlt es sich sehr ungewohnt und auch unpassend an, wenn einem etwas Gutes passiert. Zumindest geht es mir auch oft so. Eigentlich ist das merkwürdig, denn es ist sehr schlimm wenn alles immer nur traurig ist und man sehnt sich ja irgendwie auch danach, dass man wenigstens manchmal eine kleine Pause von der Traurigkeit bekommt und es zwischendurch auch einmal ein bisschen gut ist, weil es so furchtbar anstrengend ist so traurig zu sein.

    Meiner Meinung nach ist es nicht zu viel Glück für dich, denn gerade wenn man so traurig ist, kann man ein bisschen Glück besonders gut gebraucht. Auch wenn man sich schuldig fühlt. Das ist aber komplizierter. Ich fühle mich auch sehr verantwortlich und schuldig daran, dass meine Liebe tot ist. Deswegen kommt es mir falsch und unverdient vor, wenn jemand nett zu mir sein möchte. Ich habe zum Beispiel vor einer Weile einen sehr netten Brief bekommen und beim Lesen fühlte sich das ganz, ganz komisch und unpassend an, weil ich mich zu schuldig für so einen netten Brief fühle. Aber als ich nun über dich und die Schokoladenhühner nachdachte, kam mir der Gedanke, dass es vielleicht ein Denkfehler ist. Ja, vielleicht wissen die Menschen, die dir dieses Geschenk gemacht haben, nichts davon, dass du nicht 112 anrufen konntest und wie schuldig du dich fühlst. Aber das Wichtigste daran ist: du wolltest ja gar nichts falsch machen. Du hast dich nicht absichtlich dafür entschieden, 112 nicht anzurufen. Du wolltest alles für deine Mama tun und du wolltest auf keinen Fall, dass sie stirbt.

    Das ist für mich persönlich sehr entscheidend. Es ist ein Unterschied ob man jemandem absichtlich etwas Schlechtes antut oder ob etwas schiefgeht und Fehler passieren, weil man es einfach nicht besser kann oder die Situation zu schwierig ist, um sich richtig zu verhalten. Solche Situationen gibt es, auch für Erwachsene. Deswegen ist Schuld vielleicht nicht gleich Schuld, sondern es gibt Unterschiede darin.


    Mir ist klar, dass es dir nicht weiterhilft, wenn dir andere Menschen sagen, dass du die Schokoladenhühner ruhig behalten kannst. Wenn es sich für dich nicht richtig anfühlt, bringt das nichts. Ich weiß auch nicht, was ich an deiner Stelle machen würde.

    Den netten Brief, von dem ich schrieb, habe ich behalten und der Person, die ihn mir geschickt hat, Danke gesagt, aber auch, dass mir ihre Worte zu nett und auch unverdient vorkommen, weil ich mich so schrecklich schuldig fühle. Die Frau sagte dann, dass sie den Brief trotzdem so meint. Für mich fühlt sich das noch immer komisch an, aber es ist für mich kein Betrug mehr. Vielleicht wäre es eine Möglichkeit, etwas Ähnliches zu schreiben. Könnte das gehen und meinst du, es wäre ein Weg um das Geschenk behalten zu können?


    Liebe Grüße, Sturm

    Hallo Bowie,


    ich verstehe, dass du an deinem Glückstag traurig und verzweifelt warst. Aber es ist auch gut, wenn man sich später doch ein bisschen darüber freuen kann.


    Warum kannst du die Hühner aus Schokolade vielleicht nicht behalten? Das wäre schade.


    Liebe Grüße, Sturm

    Das ist furchtbar.


    Ich bin nicht Mutter und nicht Schwester, aber als mein Mensch starb, bekam ich aus ihrem Arbeitsumfeld auch viel Post. Komischerweise haben mich gerade die Menschen irgendwie "erreicht", die über ihre eigenen Gefühle schrieben. Dass sie es nicht fassen können und nicht glauben wollen. Wie geschockt und traurig sie sind, wie sehr sie ihnen fehlen wird. Direkt danach konnte ich das kaum lesen, weil es mir zu unerträglich war. Als ich es irgendwann konnte, waren es diese Briefe und Karten, die mich mehr erreichten als "Mein Beileid" und "Unsere Anteilnahme" und sowas (wobei ich das niemals kritisieren würde. Ich verstehe zu gut, wenn man nicht mehr sagen kann, als "Mein Beileid.").

    Und dann auch noch persönliche "Geschichten" und Anekdoten. Wobei das ambivalent ist. Unendlich schmerzhaft und dann doch wieder so kostbar, sowas zu lesen.


    Ach, ich weiß auch nicht. Wie furchtbar das alles... Aber ich finde es wundervoll, dass du dir Gedanken machst.


    Liebe Grüße, Sturm

    Robert, ich glaube es ist hier nicht anders, als überall im Leben.


    Wahrscheinlich sitzen wir alle im selben Boot, aber vielleicht nicht mal das. Vielleicht wurden wir alle einfach in den selben, riesengroßen, dunklen, kalten Ozean geworfen. Manche wehren sich gegen das Ertrinken, weil der menschliche Instinkt sie dazu zwingt. Manche kämpfen dagegen an, weil sie es wollen. Manche würden lieber ertrinken. Manche ertrinken, weil ihnen die Kraft ausgeht. Manche haben Land in Sicht. Manche sehen nur unerträgliche Unendlichkeit ohne einen einzigen Anker. Manche gehen immer wieder unter. Manche halten sich gerade so über Wasser. Manche schaffen es zu schwimmen, manche nicht. Manche winken ein Rettungsboot herbei, manche wollen gar nicht erst einsteigen. Menschen sind so, so verschieden.


    Das Gute: du musst nirgendwo dazugehören, aber kannst dir suchen, was zu dir gehört. Das was du über dein Gefühlsleben schreibst, ist meinem eigenen Empfinden sehr nahe. So geht es mir bei vielen Menschen, die ich hier lese. Bei anderem nicht so sehr. Ist doch okay.

    Ich persönlich bin untröstlich und in meiner Untröstlichkeit für die meisten Menschen um mich herum mittlerweile unzumutbar geworden. Niemand versteht. (Damit meine ich: niemand versteht wirklich.) Daher bin ich froh (sehr froh!), dass es dieses Forum gibt. Mit dir und vielen anderen, die auf Grund ihrer ähnlichen Erfahrungen und ihrem ähnlichen Empfinden, verstehen.


    Liebe Grüße, Sturm

    den himmel haben wir hier auf keinen fall.

    liebe grüße

    flora

    Dazu fällt mir etwas ein, was meine geliebte H. oft gesagt und im Laufe der Zeit bei uns zu Hause zu eine Art geflügeltem Wort wurde.

    Wann immer es einer von uns oder beiden nicht gut ging, machten mir einen langen Spaziergang in der Natur. Einmal hatten wir beide gerade sehr, sehr schlechte Zeiten und passend zu unserer Stimmung hatte es seit Tagen graues Regenwetter gegeben. In einer Regenpause, in der sogar die Sonne schien, gingen wir spazieren und wateten einen matschigen Feldweg entlang. Irgendwann blieb H. vor einer großen Pfütze stehen und meinte: "Man kann in jeder Scheißpfütze den Himmel sehen. Ist dir das schon mal aufgefallen? Egal wie groß oder tief, man kann in jeder den Himmel sehen."


    Zwischen uns wurde dieser Scheißpfützen-Spruch ein Satz, den wir oft benutzten, um uns zu trösten. Wenn wir über Probleme sprachen, sagte irgendwann einer von uns bestimmt "Aber denk dran, egal wie groß oder tief die Scheißpfütze grade ist: man kann in ihr trotzdem den Himmel sehen." Und wir blieben auf unseren Spaziergängen an den meisten Pfützen, an denen wir vorbeikamen, stehen, um uns zusammen den Himmel anzuschauen.


    Was mich früher getröstet hat, tut jetzt doppelt weh. Einerseits wegen der Erinnerung und andererseits, weil es vielleicht bestätigt, was Bine sagt. Vielleicht ist das hier tatsächlich die Hölle und deswegen sieht man die Spieglung des Himmels in unseren Regenpfützen. Zumindest fühlt es sich wie Hölle an. (Und ich bin eigentlich weder religiös, noch glaube ich an Himmel und Hölle. Aber nachdem ich ohnehin meistens nicht mehr weiß, was ich denken soll und woran ich noch glauben kann, erscheint mir dieses Bild nicht mehr ganz so abwegig.)


    Liebe Grüße, Sturm

    Vielleicht, weil manche Mitmenschen unter "lernen, den Tod des Geliebten zu akzeptieren" verstehen: wieder zum Tagesgeschäft übergehen, guter Stimmung sein, niemanden damit behelligen, belästigen, belasten, wie es einem wirklich geht, weitermachen, als wäre alles wie immer, schön lächeln und den Mund halten, damit sich niemand in unserer Gegenwart schlecht fühlen muss usw. usf. (Ein Teil von diesen Gedanken beruht auf meinen subjektiven Erfahrungen, ein Teil ist wilde, vielleicht auch ungerechte Spekulation. Mir geht dieser Spruch einfach wahnsinnig auf die Nerven, sorry.)


    Bei mir ist das mit der Akzeptanz im Übrigen anders. Ich wehre mich dagegen, was nur teilweise funktioniert. Ein Teil von mir, weiß was Sache ist, ein anderer kann dieses Wissen einfach nicht an sich heranlassen und noch ein anderer, will es einfach nicht glauben.


    Markiin, wie ist der Stand der Dinge bei dir? Steckst du schon mitten im Umzug oder noch in den Vorbereitungen? (Antworte nur, wenn du magst - ich will dir nicht zu nahe treten.)


    Liebe Grüße, Sturm

    Zitat

    der Trauerschmerz zerfrisst beinahe alle Liebe

    Ja. Leider empfinde ich überwiegend auch so. Deswegen versuche ich in letzter Zeit mir die Liebe und alles, was gut war, mehr ins Bewusstsein zu rufen. Es klappt manchmal, aber oft nicht. Und es tut natürlich zusätzlich weh, weil es noch deutlicher macht, was man verloren hat. Das alles ist nicht fair, Matthias. Ich bin auch ratlos.


    Liebe Grüße, Sturm

    Matthias, es tut mir so leid.


    Mein Versuch in ganz dunklen, verzweifelten Momenten, in denen mich die Erkenntnis, dass meine Liebe nicht mehr da ist, regelrecht erschlägt, ist derzeit, mich an folgenden Gedanken zu halten und zu klammern: in den mehr als zehn Jahren, die ich sie kannte, achteinhalb davon waren wir ein Paar, hat sie das Fass in mir (- so stelle ich mir mein Herz für diesen Gedankengang vor) voll mit Liebe gemacht. (Auch mit vielem anderen, Hoffnung, Mut, Lebenswille, Lebensfreude, aber vor allem: Liebe). Ich stelle mir dann vor, dass ich dieses Fass nie leerweinen kann. Dass meine Verzweiflung und Schuldgefühle keinen einzigen Tropfen davon verdrängen können. Dieses Fass kippt zwar ständig um und manchmal habe ich das Gefühl, dass ich in genau diesem Fass vorübergehend ertrinke, weil sich all die Liebe mit soviel Schmerz und Sehnsucht und anderen schlechten Gefühlen vermischt. Aber ich weiß auch, dass ich mit diesem Fass alle Pflanzen dieser Welt gießen kann, weil es so, so voll ist. Es wird niemals leer werden. Daran versuche ich mich zu klammern. Manchmal ist das nur ein kleiner Trost oder auch gar keiner, weil alles zu dunkel und zu schlimm ist. Manchmal hilft es mir aber tatsächlich, sie zu spüren, auch wenn ich sie nicht spüren kann. (Das ist eigentlich ein Widerspruch, ich weiß.)


    Bestimmt hat deine Dorit dein Fass auch voll bis obenhin gemacht. Sie ist die Liebe, die du für sie empfindest.


    Liebe Grüße, Sturm

    Klar, ich wollte damit auch nicht sagen, dass ich es besser wüsste (- ich weiß nichts!) und genauso wenig möchte ich Suizid beschönigen oder verharmlosen. Verurteilen aber auch nicht, denn in meinen Augen steht niemandem zu, so eine tiefgreifende Entscheidung eines anderen zu bewerten. (Theoretisch. Praktisch und mit persönlichen Berührungspunkten ist das natürlich viel komplizierter.)

    es mag ja sein, daß auch die Selbstmörder ins Licht kommen, aber ob die dann auch ihre Liebsten wieder finden??? Das glaube ich nicht.

    Warum eigentlich nicht?


    Ich weiß, dass es hier eine verbreitete Annahme ist und habe großen Respekt vor jedem persönlichen Zugang, aber würde gerne verstehen, woher diese Meinung kommt.

    Nicht umsonst kam man in den letzten Jahren von dem Begriff Selbstmord ab, da er das Wort Mord impliziert und damit ein Verbrechen bezeichnet. Suizid hingegen wird z.B. vom europäischen Gerichtshof als Menschenrecht anerkannt.

    die Frage nach dem Was-hätte-ich-anders/besser-machen-können? Wieso wir mir erst jetzt bewusst, dass ich sie verletzt habe, obwohl ich es nur gut gemeint habe?

    wie war das doch gleich:

    "es sind die Lebenden, die den Toten die Augen schließen aber es sind die Toten, die den Lebenden die Augen öffnen"

    :13:

    Liebe traurige Speedy,

    diese Fragen verfolgen mich auch und es tut mir so, so leid, dass es dir genauso geht. In meinem Thread schrieb ich mehr dazu, es wäre unpassend das hier bei dir auszubreiten.

    Ich verstehe es auch nicht. Wieso merkt man erst, wenn es zu spät ist, was man falsch gemacht hat? Für mich auch entscheidend: Hätte ich es irgendwann bemerkt, wenn die Dinge anders gekommen und meine Freundin nicht gestorben wäre? Das Traurige: vermutlich nicht.

    Ich hoffe und wünsche mir sehr für dich, dass deine Liebe die Intention hinter deinen Handlungen doch sehen konnte und wusste, dass du es für sie gut machen wolltest.


    Alles Liebe, Sturm

    Wir wussten IMMER, wo die Andere grad war, was sie tat und jetzt:?::?::?:

    vielleicht weiß sie, wo ich bin aber ich weiß nicht, wo sie ist und eigentlich auch nicht, wo ich bin

    Liebe, liebe, traurige Speedy,


    was du schreibst, geht mir sehr nahe. Vor allem deswegen (- aber nicht nur deswegen -) würde ich dir gerne etwas Tröstendes oder Hilfreiches schreiben können, doch mir fällt nichts ein. Beschissen ungerechter, grausamer Tod. Es tut mir wahnsinnig leid für euch.


    Liebe Grüße, Sturm

    ist es eine sehr grosse innerliche Verweigerung sich ein erfülltes , glückliches LIEBESLEBEn mit einem anderen, das schreibe ich bewusst so

    neuen SEELENPARTNER<3<3 zu haben...

    Ich stoße mich ein wenig an der Formulierung. Du schreibst aber explizit, dass du sie bewusst so gewählt hast... vielleicht ist sie dennoch etwas unglücklich geraten?
    Etwas zu verweigern bedeutet für mich, etwas abzulehnen, das eigentlich richtig und naheliegend wäre. Etwas, das man zwar kann oder können sollte, aber aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht will. So wie ein kleines Kind, das im Winter keine Jacke anziehen will, obwohl es draußen kalt ist. Vielleicht bin es nur ich, aber mir persönlich gefällt das nicht.


    Was du sagst, will ich gar nicht in Frage stellen. Natürlich gibt es viele, viele großartige Menschen und wahrscheinlich kann man sich mehr als einem einzigen öffnen und nicht nur ein einziges Mal Liebe oder Nähe empfinden und erleben. Aber für mich (und ich spreche absichtlich immer nur für mich, weil ich niemanden verletzen möchte) ist die Liebe, die ich hatte und nun verloren habe, einzigartig und einmalig. Aus dieser Liebe heraus will ich einfach die Freiheit haben, zu entscheiden: nein, ich will keinen anderen Menschen haben. Keine andere Nähe, keine andere Beziehung, will mich dafür nicht öffnen, denn es gibt nur einen einzigen Menschen den ich wirklich will. So empfinde ich jetzt. Vielleicht nicht für immer, wer weiß das schon, aber jetzt. Dieses Recht hat man meiner Meinung nach und ich finde es schade, das als Verweigerung zu betrachten oder zu meinen, man würde sich nichts gönnen. Ja, vielleicht macht das einsam, vielleicht wird man damit von noch viel weniger Menschen verstanden als ohnehin schon, vielleicht macht man sich alles noch schwerer, aber egal ob es aus einem Nichtanderskönnen oder Nichtanderswollen so passiert: es sollte akzeptiert werden.


    Eine Erfahrung die ich früher nicht kannte und seit bald sechs Monaten schon mehrfach gemacht habe: das Alleinsein ist oft die Hölle, aber nirgends fühle ich mich einsamer als unter anderen Menschen. Jedes Mal kommt mir der selbe Gedanke: "Ich wäre lieber allein, denn wäre ich alleine, wäre ich weniger einsam." Es sind (für mich) nämlich kein allgemeines, simples Alleinsein und keine allgemeine, simple Einsamkeit. Es ist die Tatsache, dass DER Mensch fehlt, mit dem das Leben vollkommen war. Das macht auch die Art des Alleinseins und die Art der Einsamkeit (wieder: für mich!) absolut einzigartig. Es ist nicht Sehnsucht. Es ist Sehnsucht nach H. Es ist nicht Einsamkeit, es ist H.-Einsamkeit. Hunderte liebe Menschen könnten um mich herum sein. Es würde für mich vermutlich wenig bis nichts ändern, weil eben nur der eine zählt. (Und das ist anderen Menschen gegenüber ganz und gar nicht abwertend gemeint.)


    Liebe Grüße, Sturm

    Ich möchte jetzt mal in die Diskussion die Frage einbringen, ob es eine Verpflichtung gibt, Ja zum Leben zu sagen?

    Oder ob man auch Nein sagen darf und zu diesem in unserer Gesellschaft tabuisierten Lebens (oder Nichtlebens) Gefühl stehen soll.

    Meiner Meinung nach darf man Nein zum Leben sagen. Das fand ich schon immer und schon bevor ich mein eigenes Leben in Frage stellte.

    Es liegt zwar in der Natur der Sache, aber niemand von uns wurde vorher gefragt, ob er das Leben überhaupt haben will. Es ist ein Geschenk, heißt es so oft. Das klingt erstmal ziemlich kitschig, aber vielleicht ist etwas Wahres dran. Es ist ein Geschenk, das man ungefragt bekommen hat. Ich denke: man kann und darf damit machen was man will. Nur weil man rein zufällig lebt, verpflichtet man sich nicht zum gerne leben oder leben wollen und am Leben bleiben, vor allem weil man nur zum Teil in der Hand hat, ob das eigene Leben gut läuft oder nicht. Wenn es so kommt, dass das Leben für jemanden eine Qual oder ein Unglück ist, kann ich gut nachvollziehen, dass er nicht leben will. Wer hätte in dem Fall das Recht dazu, ihm irgendetwas von einer Verpflichtung zu leben zu erzählen? Meiner Meinung nach: niemand. Jeder sollte über sein eigenes Leben frei entscheiden dürfen, egal in welche Richtung. Ich mag mir nicht anmaßen über solche Entscheidungen zu urteilen.


    Und klar, das ist nur die eine Seite. Natürlich will ich nicht, dass jemand, den ich mag und der mir wichtig ist, sein Leben nicht leben will und womöglich entsprechende Konsequenzen zieht. Aber letztendlich ist das von der Perspektive aus ein sehr egoistischer Gedanke, den man steckt nur im eigenen Leben und kann folglich nur für sich selbst spüren und entscheiden, was lebbar ist und was nicht (mehr).


    Hallo Tigerlily, Robert und Sunbabe und wen es sonst noch interessiert


    .......aber das kann ja doch nicht unser restlicher Lebensinhalt sein. Stellt Euch vor, Ihr werdet recht alt wer kann das wissen - und Ihr fragt euch "was habe ich die letzten 10, 20 ev. 30 Jahre gemacht" - "Ich hab getrauert"..... Wollen wir das wirklich? Es kann doch nicht sein, dass wir keinen Sinn im Leben finden, keinen Zipfel der früheren Leichtigkeit - und ich sag eh schon nur Zipfel, kleiner geht's nicht. Ich will auch das nicht akzeptieren und sehe es so wie Sunbabe.

    Ich kann MEIN Leben doch nicht geringer achten als das Leben meines PARTNERS!!!!!!!!!! Ich bin doch auch wertvoll und nicht nur er oder sie!!!! Wo stehe ich in der Trauerhierarchie - ganz unten? Kann doch nicht sein, wir müssen uns doch auch ein Leben wert sein!     

    Liebe Petra,

    vielleicht bin ich die falsche Person, um dir zu antworten. Ich trauere fast auf die Minute genau fünf Monate und 48h. Das ist eine Zeit, die sich länger anfühlt, als alle Jahre und Jahrzehnte meines bisherigen Lebens - und doch ist es wahrscheinlich nicht viel Zeit. Vielleicht bin ich immer noch in einem Schockzustand, manchmal kommt es mir jedenfalls so vor.


    Jedenfalls: wäre es andersum gewesen, wäre ich gestorben und wäre es meine Freundin, die weiterhin lebt, würde ich mir das was du beschreibst, für sie wünschen. Dass sie etwas findet, das ihr gut tut, ihr eine Perspektive und Hoffnung, vielleicht sogar Sinn gibt. Einen Neuanfang, ein anderes, neues Glück in was oder wem auch immer. Kurz gesagt: das bestmögliche, was aus so einer Situation heraus entstehen kann. Tatsächlich denke ich, dass das gar nicht so unrealistische Wünsche wären und sie das vielleicht wirklich haben könnte.

    Aber es ist ja anders. Für mich kann ich das nicht sehen, nicht mal einen Zipfel Gutes. In mir ist alles wie abgestorben. Das klingt immer so weltuntergangsmäßig und vielleicht sogar bockig. Leider ist es aber einfach so. Die Aussicht auf zehn, zwanzig, dreißig, vierzig oder mehr solcher Jahre ist schlimm. Ich hoffe, dass ich nicht für immer so empfinde wie ich jetzt empfinde und halte es für sehr wahrscheinlich, dass es nicht immer so bleibt wie jetzt. Deswegen werde ich vielleicht irgendwann doch einen Zipfel finden. Vielleicht aber auch nicht. Was ich hoffentlich nicht machen werde: zurückschauen und mir vorwerfen, getrauert zu haben. Denn das mache ich nicht, weil ich es will, sondern weil ich nicht anders kann. Das ist keine Entscheidung.


    Liebe Grüße, Sturm

    Tigerlily, ist es okay und in deinem Sinne sich hier bei dir allgemein auszutauschen?


    Sunbabe, ich finde es total schön, dass du wirklich so empfinden kannst. Rational betrachtet macht das sicher auch alles Sinn. Natürlich "bringt es nichts", wenn man traurig ist und sich über nichts freuen kann und natürlich ändert es nichts. Für mich (und vielleicht nicht nur für mich) ist der Punkt: ich weiß das alles, aber kann es halt einfach nicht so empfinden, folglich auch nicht umsetzen und das Leben positiv weiterleben. Mag sein, dass das irgendwann plötzlich geht, aber ich fürchte, dass Trauer ziemlich irrational ist und nicht besonders viel mit Einstellungssache zu tun hat (- vielleicht doch? Ich weiß es nicht, ich kann nur für mich sprechen). Jedenfalls war ich immer ein sehr fröhlicher und positiver Mensch, so war meine Persönlichkeit, und deswegen konnte ich auch in negativen Situationen oft oder meistens einen positiven Zugang finden.

    Jetzt merke ich, dass davon nichts übrig ist und egal mit wie viel Abstand und mit wie viel Verstand ich den Tod im Allgemeinen und den Tod meines Lebensmenschen betrachten will und egal wie gut ich weiß, dass es rein gar nichts bringt zu leiden und sie schon gar nicht zurückholt, so wenig ändert es am Ende doch an meiner Gefühlslage.