Beiträge von Sturm

    Guten Morgen,


    ich stelle diese Fragen bewusst in einem eigenen Thread, weil ich sie gerne allgemein diskutieren würde, wenn jemand mag. Dass das nicht vollkommen losgelöst (oder eher gar nicht losgelöst) von den eigenen Erfahrungen möglich ist, ist mir dabei natürlich klar.

    Trotzdem betrifft es vielleicht auch einige von euch und ihr habt diesbezüglich womöglich auch Redebedarf? Jedenfalls hoffe ich, es ist in Ordnung hierfür ein eigenes Thema zu öffnen. Falls nicht: sorry.


    Mich beschäftigt in den letzten Wochen zunehmend ein Thema und ich habe immer verstärkter damit zu kämpfen: verzerrte oder vielleicht sogar falsche Erinnerungen und Gefühle bezogen auf meine Partnerin und unsere Beziehung.

    Das geht Hand in Hand mit der zum Teil vollkommenen Unfähigkeit, realistisch einschätzen zu können, was tatsächlich wahr ist und was nicht, weil es vielleicht durch die Trauer verfälscht wird.

    Kennt jemand dieses Problem und wie geht ihr damit um?


    Was mich zusätzlich belastet und verunsichert, ist, dass ich merke, wie der allererste Schock über das Geschehen langsam und kontinuierlich abklingt. Dieser eiskalte Schock, die Lähmung, Denkunfähigkeit und Unwirklichkeitsgefühle sind noch da, aber es wird in der Hinsicht auch besser und phasenweise kann ich wieder etwas strukturierter denken. Damit einher geht nun diese plötzlich ganz, ganz andere Wahrnehmung unserer Beziehung und unseres Lebens. Es fühlt sich leider an, als würde ich erst jetzt rückblickend klar erkennen, wie schlecht vieles lief, wie falsch ich mich verhielt und wie wenig ich meiner Freundin gerecht wurde.

    Wenn ich versuche mit jemandem darüber zu reden, der uns beide sehr gut kannte, wird das allerdings negiert. Bisher wurde mir (teils liebevoller, teils unangenehmer, teils genau so) gesagt, dass ich mich in etwas verrenne und hineinsteigere und diese Gedanken Quatsch sind, wir seien doch ein tolles Paar gewesen. Das hilft mir leider nicht weiter und ich möchte mit den Menschen in meinem Umfeld, die es sicher gut meinen, auch nicht mehr darüber sprechen.

    Ich merke zwar tatsächlich, wie diese Gedanken in meinem Kopf kreisen und dabei an Fahrt aufnehmen, aber zugleich habe ich das sehr bittere Gefühl, erst jetzt richtig sehen und realistisch einschätzen zu können, dass ich in unserer Beziehung versagt habe. Wenn mir dann jemand sagt, dass es Quatsch ist, denke ich: was weißt du schon? Du kennst uns zwar, aber nicht das, was nur zwischen uns beiden war.


    Kurz: meine Erinnerungen und Gefühle wirken auf mich einerseits sehr klar und real (- was leider zu unfassbar schmerzhaften und unerträglichen Erkenntnissen führt), andererseits auch verschwommen und verzerrt und seltsam weit entfernt. Selbst in schönen und liebevollen Situationen sehe ich plötzlich so viel Falsches, Schlechtes und das Schlimmste daran: es zwingt mich, alles in Frage zu stellen. Auch unsere Liebe.


    Nun liegt der Fokus meines Textes doch viel zu sehr auf mir und meiner Situation, entschuldigt bitte. Es ist aber wirklich nicht meine Intention hauptsächlich über mich und meine Situation zu sprechen, bloß weiß ich nicht, wie ich das Problem allgemeiner und neutraler beschreiben soll. Natürlich ist es in euren Antworten vollkommen okay, über euch und eure Situation zu schreiben. Mir ist an der Stelle nur sehr wichtig, klarzustellen, dass es nicht primär um meine spezifische Situation gehen soll.


    Ein gemeinsamer Austausch wäre wirklich schön, wenn ihr möchtet, und sich jemand auch in dieser inneren Zerrissenheit, Verschwommenheit, Verwirrtheit wiederfindet und auch gar nicht mehr einschätzen kann, ob man blind ist oder doch klarer sieht als je zuvor.


    Liebe Grüße, Sturm

    Liebe Markiin,


    es ist unfassbar traurig und doch gut, dass du hier bist. Ich verstehe gut, dass du keine Zukunft willst und Angst hast. Schön, dass dir die Sonne ein bisschen gut tut. Fühl dich willkommen, mir half das Lesen hier bisher sehr und ich hoffe, dir auch.


    Liebe Grüße, Sturm

    Ich bedanke mich für das Teilen Eurer Gedanken zu diesem schwierigen Thema. Ganz unabhängig vom jeweiligen Standpunkt und Glauben. Jeder Mensch und seine Meinung ist wichtig und ich würde mich freuen (und hoffe) wenn es so weiter geht.

    Ich empfinde den Austausch und vor allem die Toleranz für die teils sehr unterschiedlichen Perspektiven und Zugänge auch sehr angenehm und wertvoll. Danke für die Möglichkeit, Robert.


    Was mir zu dem Thema noch einfällt und ein wenig zu Beas Beitrag hier passt:

    ich meine, es gehört eine unfassbar große mut-menge dazu,

    sich selbst um dieses leben zu bringen.

    Kennt ihr das Buch "Die Brüder Löwenherz" von Astrid Lindgren? Es fällt mir schwer, die Geschichte kurz zusammenzufassen, weil sie mir so wertvoll ist und mir einige philosophische Aspekte sehr helfen.

    Trotzdem ganz kurz: es geht um zwei Brüder, die beide sterben und sich in einer Art Nachwelt wiederfinden. In dieser Nachwelt ist vieles anders, manches besser, aber nicht perfekt, es gibt auch dort viele Schwierigkeiten. Die Brüder erleben viele Abenteuer und müssen sich vielen Gefahren stellen. Es geht vor allem um Liebe, Loyalität, Angst, Mut und Zeit und wie das alles durch den Tod oder eher über den Tod hinaus plötzlich "aufgeweicht" wird und sich verändert, aber im Kern dennoch gleich bleibt. Am Ende der Geschichte treffen die Brüder die Entscheidung in einen erneuten Tod zu gehen, zumindest ist das die wahrscheinlichste Interpretation (- die von Astrid Lindgren auch so bestätigt wurde).


    Dieses Buch wurde zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung sehr kritisiert und von vermeintlichen Experten wurde sogar explizit davor gewarnt, es Kinder lesen zu lassen. Astrid Lindgren wurde vorgeworfen, den Tod und vor allem Suizid zu verharmlosen und zu beschönigen. Das Ende wird als zu hoffnungslos und düster beschrieben, gerade wenn man bedankt, dass es sich um ein Kinderbuch handelt.

    Was ich daran interessant finde, ist, wie anders Kinder das empfinden. Ich habe das Buch selbst schon ein paar Mal mit Kindern gelesen und viele von ihnen empfanden gerade dieses Ende als sehr glücklich und dabei kein bisschen hoffnungslos. Die Entscheidung der Brüder fanden sie mutig. Auch Astrid Lindgren selbst hat ein paar Mal davon erzählt und geschrieben, wie sehr die Wahrnehmung von Erwachsenen und Kindern in diesem Punkt auseinander geht und wie freier Kinder darüber denken können. Das ist ein Ansatz über den ich oft nachdenke.


    Liebe Grüße, Sturm

    Für mich bleibt aber dennoch die Frage, ob und welche Konsequenzen es möglicherweise hat, sich aus der großen Chance zu Leben und zu lernen davon zu stehlen.

    Das ist eine schwierige Frage, die sicher jeder Mensch für sich beantworten muss. Deswegen kann ich dir nur meine persönliche Sichtweise schreiben ohne jeglichen Anspruch auf Allgemeingültigkeit oder gar Richtigkeit.


    Ich will daran glauben, dass jeder Mensch die Freiheit hat (oder zumindest haben sollte) sein Leben so zu leben wie er es möchte. Zu dieser Freiheit gehört meiner Meinung nach auch die Entscheidung darüber, über das eigene Ende selbst zu bestimmen (oder eben nicht, wenn man den Dingen lieber ihren Lauf lassen möchte). Ich finde, jedem, der lebt steht das zu. Niemand von uns wurde gefragt, ob wir es haben möchten, dieses komische Leben, das so schön und so entsetzlich grausam zugleich sein kann. Ich mag die Floskel "Das Leben ist ein Geschenk" nicht, das ist für mich nicht mehr als ein lahmer Kaffee-Tassen-Spruch, aber Tatsache ist: wir wurden halt einfach ungefragt geboren und sind jetzt hier, wir hatten vorher nicht die Wahl ob wir leben wollen mit allen Folgen und Konsequenzen - oder nicht. Niemand konnte sagen: "Oh, das ist Leben? Nein, danke, möchte ich nicht haben." Klar, Leben funktioniert nur auf diese Weise und geht nicht anders, aber wenn es nur so funktioniert und nicht anders geht, sollte man zumindest weitestgehend und wenigstens in den elementarsten, pursten aller Dingen wie dem eigenen Lebensende Selbstbestimmung haben - zumindest wenn man das so möchte. Denn nicht jeder sieht das Leben als Chance und nicht jeder möchte oder kann lernen. Auch diese Freiheit muss, so sehe ich das, gegeben sein. Mir fällt es nach allem was passiert ist schwer, das Leben und die Zukunft als Chance zu sehen und ich, bitte entschuldige, scheiße darauf zu lernen. Für mich hat das keine Bedeutung und keinen Wert mehr. Das Leben hat mich in diese Situation gebracht und so viele andere auch, eine Stunde hier zu lesen, reicht um das zu begreifen. Sollte man sich deswegen also jemals für die Option Suizid entscheiden und müsste dafür noch mehr negative Konsequenzen tragen: nein, so viel Grausamkeit kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

    Aber vielleicht ist das naiv und nicht weit genug gedacht. Jedenfalls würde es bedeuten, dass es einen guten und einen schlechten Tod gäbe. Wer gut stirbt, hat keine Konsequenzen zu befürchten. Wer schlecht stirbt, schon. Mir fällt es schwer das so zu sehen, vor allem weil ich Suizid oder beispielsweise Sterbehilfe einfach nicht als Davonstehlen betrachten möchte, sondern als Option. Eine weitere Frage, die sich mir stellt: wann hat man die Chance zu leben ausreichend genützt, wann hat man genug gelernt, wann ist es gut? Ist das von den Lebensjahren abhängig oder so im Sinne von Carpe Diem-mach-das-Beste draus? Aber ist man wirklich verpflichtet das Beste draus zu machen? Vielleicht will man einfach nur seine Ruhe haben und eben: leben. Wer sagt, dass man, nur weil man das "Geschenk Leben" bekommen hat, auch verpflichtet ist, ein richtig guter Lebender werden zu wollen? Ich finde es prima, wenn man ein richtig guter Lebender werden will, aber ich finde nicht, dass man das wollen muss, um sich Freiheit, Selbstbestimmung und anderes zu verdienen.


    Ich möchte damit aber keinesfalls dafür sprechen, sich für den Tod zu entscheiden. Das würde ich niemals tun, genauso wenig, wie ich für das Leben sprechen möchte, wenn jemand gar keinen Sinn darin sieht. Ich will nur dafür sprechen, dass jedem diese Entscheidung frei zusteht und niemand sonst das Recht hat, darüber zu urteilen und zu werten.


    Liebe Grüße, Sturm

    Ich würde gerne wissen, was ihr darüber denkt: Wenn man seine eigene "Mission Earth" eigenhändig beendet, ist man dann früher bei dem unendlich geliebten Wesen, oder ist man dadurch weiter entfernt, als je zuvor? Verbaut man sich damit vielleicht sogar endgültig die Möglichkeit, mit der/dem Seelenlebenspartner(in) wieder zusammen zu kommen?

    Robert, ich frage mich das auch oft. Erschwert wird der Gedankengang (für mich persönlich) dadurch, dass ich nie religiös oder auf andere Art und Weise gläubig war (z.B. alternativ oder esoterisch). Ich mag Wissenschaft und ich mag den Gedanken, dass es mehr gibt, als man als Mensch wissen und verstehen kann, aber in Sachen Tod dachte ich trotzdem bisher: wenn man stirbt, ist das Leben zu Ende und im besten Fall wird aus den menschlichen Überresten eine Blume und gute Erde für Regenwürmer.


    Jetzt hoffe ich mit ganzem Herzen, dass es anders ist. Das ist keine konkrete Hoffnung, ich habe (leider) keine konkrete und für mich sinnvolle Vorstellung einer Möglichlichkeit, mit dem geliebten Menschen wieder zusammensein zu können. Trotzdem habe ich diese Hoffnung, weil ich den Gedanken nicht ertragen kann, dass es diese Möglichkeit nicht gibt. Bitte entschuldige, wenn das alles sehr wirr klingt. Ich bin entsetzlich müde und, ja, tatsächlich einfach sehr, sehr wirr im Kopf. Die Hoffnung ist real und ich muss daran glauben, anders kann ich keinen einzige Tag weitermachen. Letztendlich ist die Hoffnung (für mich) aber zu vage. Der Reiz des selbstbestimmten Schlussmachens liegt im Moment eher darin dieses endlose Rasen in meinem Kopf, diese Rastlosigkeit und diesen alles überstrahlenden Schmerz zu stoppen, weil mir das alles so zu schaffen macht, physisch und psychisch. Ich fürchte, du kennst das. Dem Leben ist es aber vermutlich total egal, wie man stirbt. Wenn es also die Chance auf ein Wiedersehen gibt, gibt es die bestimmt unabhängig davon, ob man sich bewusst entscheidet zu sterben oder ob man gestorben wird. Dass man sich etwas verbaut, denke ich nicht.


    Letztendlich überwiegt für mich trotzdem das Risiko, was ich mit dieser Entscheidung alles verlieren würde. Prinzipiell wäre es natürlich egal, denn im (je nach Betrachtungsweise) schlimmsten Fall wäre mein Leben dann eben vorbei und ich könnte ohnehin nicht mehr damit hadern. Was dann aber womöglich - und das meine ich mit Risiko - auch weg ist: alle Erinnerungen an das Leben mit meiner H. Alle Empfindungen, die ich dank ihr jemals hatte. Alles, was ich für sie fühle. Alles, was sie ausmacht, alles was unsere Beziehung und unser Leben ausmachte und ich jetzt versuche so gut ich kann in meinem Kopf und meinem Herzen zu speichern, zu konservieren und für immer festzuhalten, könnte damit weg sein. Das will ich nicht. Wie gesagt, wahrscheinlich ist das dann auch egal. Aber jetzt zu sehen und zu erleben, dass sich die Welt einfach weiterdreht, dass sich die Lücke für manche Menschen so schnell schließt, dass Menschen tatsächlich austauschbar sind und alles einfach total fucking normal weiterläuft wie vorher ist unerträglich für mich. Ich habe keine Erklärung dafür und es aufzuschreiben, erscheint mir selbst sehr wirr und verrückt, aber ich habe das starke Gefühl, bleiben zu müssen, in der Welt und im Leben, allein um die Erinnerungen an H. bewahren zu können. Dass es jemanden gibt, für den sich nichts weiterdreht und für den sich die Lücke nicht schließen lässt. Für mich ist die Lücke schreiend groß und die Tatsache, dass H. ihr Leben nicht weiterleben kann, dass deine geliebte Christine ihr Leben nicht weiterleben kann, ist ein Verbrechen. Und ich empfinde (für mich), dass ich bleiben muss, um es weiterhin als Verbrechen sehen und mich weiterhin an H. erinnern zu können. Mir geht es nicht darum, dieses Verbrechen anzuprangern oder ihr ein Denkmal für den Rest der Welt zu setzen. Das ist mir alles egal, es geht mir nur um sie und um mich. Ich fürchte, das macht keinen Sinn oder? Wie auch immer, wenn man sich dafür entscheidet, zu enden, besteht das Risiko, dass nichts mehr da ist und nichts mehr kommt. Keine Erinnerung, kein Wiedersehen. Daran, dass es kein Wiedersehen gibt, möchte ich, wie gesagt, nicht glauben. Ich muss daran glauben, voller Verzweiflung, und hoffe für dich und uns alle, dass es wirklich eines gibt. Für den Moment erscheint es mir trotzdem sicherer, hier zu bleiben, egal wie unerträglich sich das anfühlt und wie orientierungslos ich mich dabei fühle. Vielleicht empfinde ich das alles aber schon morgen wieder ganz anders, keine Ahnung.


    Liebe Grüße und bitte entschuldige, sollte mein Text zu konfus sein. Sturm

    Zitat

    Und so verrückt es Euch erscheinen mag, manchmal denke ich, dass das ganze vielleicht doch ein Irrtum oder böser Traum ist und ich will sie anrufen, wieweit das Mittagessen ist, aber dann bricht wieder die Hölle der Realität los.

    (Aus Shivas Thread, ich hoffe es ist okay, wenn ich dir hier antworte!)


    Ich finde das nicht verrückt, Matthias. Kein kleines bisschen verrückt. Wenn man so sehr liebt und so intensiv zusammenlebt, ist ein Anruf das natürlichste auf der ganzen Welt. Es ist ein Reflex, über den der Kopf gar nicht nachdenken muss. So selbstverständlich wie ein Instinkt. Wenn ich morgens aufwache, ist das erste was ich mache, neben mich zu greifen, um ihr über den Rücken zu streicheln oder durch die Haare zu wuscheln. Dieser Moment ins Nichts zu fassen ist so wie du sagst: die Hölle.


    Und so, so, so, so vieles was man nur dem Partner oder der Partnerin erzählen will. Nicht nur die tief persönlichen und ganz intimen Dinge. Die auch, natürlich, aber auch all die kleinen, winzigen Gedanken- oder Alltagssplitter, die man niemanden sonst erzählen will, weil sie eben klein und winzig sind und für die meisten anderen keine Bedeutung haben. Wem erzählt man das jetzt? Ich habe auch so oft den Reflex, sie anzurufen oder ihr zu schreiben. Aber auch abgesehen von diesen Sekundenbruchteilen, in denen man kurz vergisst (und ja doch nicht richtig vergisst, weil es die ganze Zeit so weh tut): ich habe manchmal auch ganz bizarre Anfälle von Wahnsinn, in denen ich alles für einen Irrtum oder eine Verschwörung halte. Plötzlich fallen mir tausend schlüssige Gründe ein, warum sie mich verlassen wollte, mir fallen tausende Fehler ein, die ich gemacht habe und es erscheint mir vollkommen logisch, dass sie es auf diese Art und Weise getan hat. Eigentlich ergibt das keinen Sinn und ist absurd, aber manchmal halte ich es für wahr. Wenn Trauer das Gehirn kaputtmachen kann, ist das bei mir wahrscheinlich passiert.


    Liebe Grüße, Sturm

    Liebe Kohlrabenschwarz (- ich mag deinen Nick sehr gerne),


    ja, Weihnachten. Gut, dass du zumindest nicht alleine sein musst, wenn du nicht alleine sein möchtest.


    Ich persönlich weiß im Moment gar nicht, was schlimmer ist: das sehr reale Gefühl, die sehr reale Angst, diese Tage nicht überstehen zu können oder das rationale Wissen, dass wir sie am Ende doch überstehen werden. Sie werden vorbei gehen, wir werden sie hinter uns bringen, irgendwie. Wie das gehen soll, ich kann es mir nicht vorstellen, beim besten Willen nicht. Aber ich weiß, dass es passieren wird. Das ist alles so falsch.


    Liebe Grüße, Sturm

    Liebe Bowie,


    ich bin 29 Jahre alt und schreibe dir zum ersten Mal, weil ich erst seit ein paar Wochen hier im Forum lese.


    Es ist sehr schlimm, dass deine Mama tot ist und noch schlimmer, dass für dich vieles durch deinen Autismus und Mutismus noch schwieriger und komplizierter ist. Ich glaube dir, dass es sich anfühlt, wie gefangen zu sein. Deswegen schreibe ich dir, denn ich kenne viele Kinder mit Autismus oder Mutismus. Ich bin nämlich Lehrerin und habe schon oft mit autistischen oder mutistischen Kindern gearbeitet.

    Gerade jetzt ist auch ein Mädchen in meiner Klasse, das genau wie du Autismus und Mutismus hat. Weil das Mädchen erst 6 Jahre alt ist, kann es noch nicht richtig lesen und schreiben. Das ist bei dir anders und kann theoretisch ein Vorteil für dich sein.


    Ich finde nämlich, dass du außergewöhnlich gut aufschreiben und im Schreiben erklären kannst, was du denkst und fühlst. Es ist eine große Stärke, das so klar formulieren zu können. Ist es für dich eigentlich möglich, den Leuten die für dich Entscheidungen treffen, zu schreiben oder geht das nicht?

    Ich kann gut verstehen, wenn das nicht geht, denn Sätze und Worte sind sehr persönlich, egal ob gesagt oder aufgeschrieben.

    Vielleicht könnte es dir aber helfen, Ja oder Nein ausdrücken zu können, damit du zeigen kannst, wenn du etwas gut findest oder etwas überhaupt nicht möchtest. Ist es für dich eine Option mit dem Kopf zu nicken oder ihn zu schütteln? Einige Kinder mit Mutismus, die ich kenne, mögen das gar nicht und finden es besser Daumen hoch oder Daumen runter zu zeigen. Für das Mädchen in meiner Klasse funktioniert beides nicht. Deswegen denken wir uns immer neue Tricks aus, bis wir einen finden, mit dem es klappt. Gerade testen wir Buttons. Das sind runde, flache Knöpfe, die man mit Nadeln an der Kleidung befestigen kann. Sie hat drei, einen roten, einen gelben und einen grünen - wie die Ampelfarben. Rot steht für „Nein“ oder „Nicht gut“, Grün für „Ja“ oder „Gut“ und Gelb liegt in der Mitte und kann z.B. „Ich weiß es nicht.“ oder „Egal.“ bedeuten. Wir probieren das erst seit ein paar Tagen aus, aber bis jetzt findet das Mädchen es okay auf die Buttons zu zeigen, wenn es darum geht, ob sie etwas gut findet oder nicht. Das findet sie besser als Nicken oder Daumen hoch und sie schafft es auch ganz gut. Vielleicht wäre das oder etwas ähnliches eine Möglichkeit für dich, damit du die Chance hast, zu zeigen, wenn du mit etwas nicht einverstanden bist. Ich finde es wichtig, dass du diese Chance bekommst.

    Dein Leben ohne deine Mama ist jetzt sehr schlimm und traurig, aber zumindest solltest du mitsprechen dürfen, wenn du etwas überhaupt nicht willst. Diese Chance steht dir zu, egal wie alt du bist.

    Erzählst oder schreibst du eigentlich dem einzigen Mensch, der dich lieb hat, was du denkst und fühlst? Manchmal kann so ein Mensch auch eine Brücke sein und den anderen Menschen, mit denen du nicht reden oder schreiben kannst, in deinem Namen weitersagen was du sie wissen lassen möchtest.


    Ich hoffe, es ist okay für dich, dass ich ein bisschen über Möglichkeiten für dich nachgedacht habe, obwohl ich dich nicht kenne und du mich nicht kennst. Wenn du möchtest, kann ich noch weiter überlegen, aber wenn dir das Angst macht oder komisch vorkommt, lasse ich es natürlich.


    Liebe Grüße, Sturm

    Liebe as1304, was du über deine Gefühle schreibst, kann ich so gut nachfühlen. Ich würde dir gern etwas Tröstendes schreiben, aber ich glaube nicht, dass es etwas gibt. Du wirst hier verstanden. Das ist nicht viel, aber es ist auch nicht nichts.


    Liebe Grüße, Sturm

    Alva, was du gerade erlebst, klingt schrecklich. Dass dein Verlobter nicht mehr da ist, ist schlimm genug und dann noch so viel Streit und Hass um dich herum. Ich hoffe, dass du inzwischen nichts mehr mit der Familie zu tun haben musst, um zumindest in der Hinsicht ein wenig zur Ruhe kommen zu können.


    Liebe Grüße, Sturm

    Das verstehe ich sehr gut, as1304. Unterstützung ist hilfreich, wenn es viel zu organisieren und zu tun gibt, aber dieser konzentrierte, unendlich große Schmerz bleibt dir allein und dagegen gibt es keine Hilfe. Zusätzlich tut es bestimmt auch sehr weh, dass dein Sohn seinen Papa vermisst und die Situation noch gar nicht richtig begreifen kann. Das können wir Erwachsenen ja auch kaum.

    Lieber Robert,


    was du schreibst, macht mich gerade so traurig. Euer Dezember mit euren besonderen Tagen und eure Weihnachtszeit klingen wunderschön.

    Ich habe auch Angst vor den kommenden Tagen und Wochen und genau wie du, hoffe ich, dass sie sehr schnell vorbeigehen. Es tut mir so leid, dass deine Christine nicht mehr da ist.


    Liebe Grüße, Sturm

    Liebe as1304,


    was passiert ist, tut mir sehr, sehr leid für dich und für euch. Es ist schlimm genug, wenn der liebste Mensch stirbt, aber das Gefühl nicht genug getan zu haben, macht alles noch schlimmer. Von außen betrachtet hast du an diesem Tag alles richtig gemacht, um deinen Mann zu schützen, aber dass du es jetzt anders siehst, kann ich gut verstehen. Es ist so bitter, dass du nicht bei ihm sein konntest.


    Hast du ein bisschen Hilfe und Unterstützung für alles was getan werden muss, obwohl gerade dein ganzes Leben kaputtgegangen ist?


    Alles, alles Liebe für dich! Sturm

    Liebe Caro,


    als ich deinen Beitrag las, wollte ich dich ähnliches fragen, wie Urania. Wie geht es dir und wer kümmert sich um dich?


    An deiner Stelle würde ich deinen Vater einfach fragen, ob du etwas tun kannst und wenn er eher zurückhaltend ist, auch gleich Vorschläge machen wie zu telefonieren oder sich zu verabreden. Vielleicht tut es euch beiden gut, wenn ihr regelmäßig redet oder euch seht. Wünscht du dir das für dich?

    Bei mir selbst ist es so, dass ich am liebsten alleine bin und Menschen nicht sehr gut aushalten kann, weil ich mich einfach sehr alleine in meinem Boot fühle. Ich bin natürlich nicht die einzige, die um meinen Schatz trauert, aber für Freunde oder Kollegen ist es einfacher wieder zum Tagesgeschehen über zu gehen, weil sie zwar jemanden verloren haben, der Teil ihres Lebens war, aber sie nicht ihr Leben mit ihr geteilt haben, so wie sie mit mir und ich mit ihr. Bei deinem Vater und dir ist das vielleicht besser, weil ihr beide jemanden verloren habt, den ihr sehr liebt und der euch sehr nahe steht. Außerdem seid ihr alle eine Familie, das verbindet auch. Ich finde es ganz normal, dass du überfordert bist. Woher soll man denn wissen, wie man sich in so einer schrecklichen Situation verhalten soll? Uranias Ratschläge für ein offenes Gespräch finde ich gut.


    Alles Gute und ganz liebe Grüße, Sturm