Liebe habe ich vermisst, doch im Nachhinein betrachtet, habe ich sie doch erfahren. Sie zeigte sich nicht immer so, wie man sie leicht erkennt, aber sie war dennoch da. Sich zu fühlen, als wäre sie nicht da gewesen, das übersteigt meine Möglichkeiten….
Liebe
Puzzle, ich möchte Dir mal einige Begebenheiten aus meinem Leben schildern. Es ist
nur eine ganz klitzekleine Auswahl, aber vielleicht kannst Du mich
dann wenigstens ein bißchen besser verstehen.
Meine
Eltern hatten sehr lockere Handgelenke, und für mich waren sie noch
um einiges lockerer als für meine Schwester. Meistens wurde nicht
erst groß gefragt, was war los oder wer war das. Ruck zuck hatte ich
rechts und links eine sitzen, und erst dann wurde -vielleicht-
gefragt.
Ich
habe schon als Kind sehr gerne gelesen. Auf dem Gelände unserer
Grundschule war eine Bücherei, die von den Schülern kostenlos
genutzt werden durfte. Eines der Bücher hatte mir besonders gut
gefallen, und ich wollte es nach einiger Zeit nochmal lesen. Weil ich
den Titel nicht mehr wußte hatte ich aber keine große Hoffnung es
wieder zu finden. Trotzdem habe ich gestöbert und es tatsächlich
entdeckt. Selig und voller Freude kam ich nach Hause, und hatte
meiner Mutter, noch ganz erfüllt von meinem Glück 0ber die
erfolgreiche Suche, das Buch gezeigt. Sie hat es mir wortlos aus der
Hand genommen und mir erst mal rechts und links eine gescheuert. Weil
ich vergessen hatte irgendetwas wegzuräumen bevor ich in die
Bücherei gegangen bin. So war sie, und dieses Verhalten hat sich wie
ein roter Faden durch meine Kindheit und Jugend gezogen. Kaum war das
Kind mal glücklich gab es sofort einen Dämpfer. Nur ja nicht
übermütig werden.
Einmal,
meine Schwester und ich gingen noch nicht in die Schule, hat sich
meine Mutter auf den Boden gelegt während sie mit uns spielte. Sie
sagte, so die Mutti ist nun tot, hat die Augen geschlossen und sich
nicht mehr gerührt. Kannst Du Dir vorstellen wie erschrocken und
verängstigt meine Schwester und ich waren? Uns sind die Tränen nur
so gekullert, als wir sie am Arm gerüttelt und geschüttelt haben
bis sie sich endlich wieder bewegt und die Augen geöffnet hat.
Vermittelt
man einem Kind so Liebe, Vertrauen und Geborgenheit? Tut mir leid,
aber ich vermag das auch im Nachhinein nicht zu erkennen.
Als
ich ungefähr 17 war, sagte mein Vater völlig aus heiterem Himmel zu
mir, warum bist Du eigentlich so dick. Guck Dir mal Deine Cousine an,
wie schön schlank sie ist. Meine Cousine war sehr zierlich, das
stimmt. Sie ist 1,62 und hatte Gr. 34. Ich bin 1,68 und hatte Gr. 38.
Und mein Vater was das, was man einen stattlichen Mann nennt. Auch
sehr liebevoll, oder?
Viele
Jahre später, ich war schon lange erwachsen, sagte er dann, wir
wissen ja daß wir viele Fehler bei Dir gemacht haben, aber wir haben
Dich auch lieb. Nun ja, vermutlich haben sie wirklich geglaubt daß
es so war. Trotzdem haben sie nie damit aufgehört immer wieder Gift
zu verspritzen und äußerst nette Bemerkungen zu machen. Irgendwann
hat mich das nicht mehr berührt, aber schön war es natürlich
nicht.
Vor
einigen Jahren ist dann auch meine Mutter gestorben. Mögen meine
Eltern in Frieden ruhen, aber ich habe nach ihrem Tod nicht getrauert
und sie noch nicht einen Tag lang vermißt. Möglich daß sie nicht anders
sein konnten als sie es waren, daß sie nicht aus ihrer Haut
herauskonnten. Für mich war es jedenfalls wie eine Befreiung.
Wenn
ich nun hier bei einigen von uns lese was für liebevolle Eltern sie
hatten, und wie behütet sie aufgewachsen sind, wird mir ganz anders.
Und ich frage mich warum ich in so eine Familie hinein geboren wurde.
Aber vermutlich gibt es auch dafür einen höheren oder tieferen
Grund, und ich hatte es wohl verdient.
Nun
aber genug der inneren Nabelschau.
Dieser ständige, unerwartete Wechsel zwischen seinen „Persönlichkeiten“ verunsicherte mich.
Das
kann ich sehr gut verstehen, denn genauso ginge es mir auch. Ich bin
auch ein Fan von Beständigkeit, Sicherheit und Verläßlichkeit. Mit
solchen Wesenssprüngen umzugehen würde mir auch sehr schwer fallen.
Ich wäre ebenfalls irritiert, und würde mich fragen ob das an mir
und meinem Verhalten liegt. Wenn Du das ausgehalten und sogar
gemildert hast, muß Deine Liebe sehr groß gewesen sein. Manche Frau
hätte bestimmt schon längst aufgegeben.
Vielleicht gab es nicht noch mehr zu lernen und wäre deshalb nur schwierig geworden?
Es
heißt ja, daß jeder in seinem Leben bestimmte Aufgaben erfüllen
und Dinge lernen muß. Wenn das geschehen ist darf man gehen. Damit
tue ich mir etwas schwer, wenn es denn so stimmt. Was ist wenn jemand
diese Ziele verfehlt? Lebt dieser Mensch dann ewig, oder muß er nach
seinem Tod wieder zurück auf die schnöde Erde? Quasi nachsitzen bis
das Klassenziel erreicht ist? Aber wenn es so ist, dann war es
vielleicht tatsächlich so, daß Dein Partner genug gelernt hat. Und
daß er seine Aufgaben, die er auch Dir gegenüber hatte, erfüllt
hat. Du konntest auf einmal verstehen. Und dann durfte er gehen, denn
es ging ja um sein Leben das sich erfüllt hat und nicht um Deines.
Das ist noch nicht fertig, denn es warten ja jetzt neue Aufgaben auf
Dich. Ich glaube aber schon, daß Dein Partner versucht Dich zu trösten. Aus dem Jenseits kann er vielleicht endlich so
sein, wie er schon auf der Erde gerne gewesen wäre. Und Dein Gefühl,
es ist in Ordnung so, ist ganz bestimmt richtig. Auch wenn Du
manchmal noch haderst. Warum soll es Dir auch besser gehen als mir?
Wenn
ich meinen Plausch mit dem Schicksal halte werde ich mal darüber
nachdenken, ob es sich mit Andreas` Leben nicht auch so verhält. Er
hatte alles erledigt und durfte auch gehen. Ob mir das nun gefallen
hat oder nicht. Auch hier gilt, es war sein Leben, nicht meines. Ich
bin noch da, also ist für mich möglicherweise doch noch etwas
vorgesehen. Oder muß ich nachsitzen? Hoffentlich nicht.
Auch die heutige Chance, nicht nur von mir zu erzählen, habe ich vertan….
Ach
Puzzle, eben mußte ich doch mal herzhaft lachen. Und wieder verstehe
ich Dich sehr gut. Ich habe keine Verpflichtungen mehr, kann nach
Belieben vor mich hin gammeln, und mache mir ganz gewiß weder
selbst- noch fremdbestimmten Streß. Wenn aber noch Familie da ist
sieht das ja doch etwas anders aus.
Der
Austausch mit Dir ist mir sehr wichtig und wertvoll, und ich möchte
ihn gerne beibehalten. Tägliche Antworten sind aber generell kein
Muß. Keine von uns soll Knoten ins Hirn kriegen. Wir können auch
gerne jetzt einen break machen, und uns nach Neujahr wieder weiter
unterhalten. Vielleicht gehört es ja zu unseren Aufgaben sich
aneinander abzuarbeiten? Dann wird die Verbindung auch nach einigen
Tagen Pause nicht abreißen.
Und
zum Schluß werde ich doch nochmal salbungsvoll. Du kannst den
vergangenen Tag nicht mehr ändern, und verpaßte Chancen sind für
diesen Tag verpaßt. Du kannst aber an jedem weiteren Tag wieder neu
versuchen diese Chancen doch noch zu ergreifen.
Frei
nach Lilifee.
Ich
wünsche Dir und Deiner Familie für alle Fälle schon mal schöne
Weihnachten und einen guten Rutsch. Und bleib einfach die Puzzle, die
Du bist.
Ich
schicke Dir eine ganz liebe Weihnachts
Lilifee