Liebe Puzzle,
„sehr
speziell“ ist in der Regel eine höfliche Umschreibung für „etwas
sonderbar, wunderlich oder sogar übergeschnappt“, würde ich
sagen. Jedenfalls verwende ich die Umschreibung in diesem Sinne, und
habe von anderen gehört, daß sie auch genau das damit ausdrücken
wollen. In Bezug auf Dich ist das ganz bestimmt ein Irrtum, denn Du
kommst mir sehr normal vor. Ich glaube aber zu wissen was Du meinst,
denn ich habe auch einige Reaktionen auf frühere Beiträge von Dir
gelesen. Mein Eindruck war, daß Dein herzerfrischender Pragmatismus
nicht so von jedem in jeder Situation geschätzt wurde. Ich schätze
ihn aber sehr, und Reibungspunkte werden sich schon wieder finden. Wo
bleibt Dein Optimismus?
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Gruselig war das Wirken von Andreas überhaupt nicht, sondern sehr tröstlich. Er hat ja keine Möbel verrückt, sondern nur kleinere Gegenstände. Ich schreibe mal einige Beispiele, die ich auch im Thread „Zeichen von Verstorbenen“ erwähnt habe.
Andreas hat Frühstückseier geliebt, und wir hatten verschiedene Eierwärmer in Form von Wichteln, Schäfchen, Weihnachtsteddys usw. Die stehen teilweise noch als Deko in der Küche. Dann habe ich gesehen, daß zwei Wichtel anders stehen. Nicht mehr nebeneinander sondern sich gegenüber und gucken sich an. Ich habe sie nicht so gestellt, und es war zu dieser Zeit auch kein Besuch da.
Einige Zeit nach Andreas` Tod habe ich drei Engelfiguren aus Halbedelsteinen gekauft. Zwei kleinere und eine etwas größere. Die Engel stehen nebeneinander auf dem Nachttisch und gucken zu meinem Bett. Der große in der Mitte und die kleinen rechts und links daneben. Und auf einmal war ein kleiner Engel so gedreht daß er zum Fenster geguckt hat.
Und
einmal hat er mich ganz schön geneckt. Wir haben nie viel Fernsehen
geguckt, und nach seinem Tod habe ich den Fernseher nur noch Sonntags
angemacht um die Fußballergebnisse zu gucken. Die Fernbedienung lag
immer auf dem Receiver, und an einem Sonntag hat sie nicht mehr
funktioniert. Aha, dachte ich, die Batterien sind leer. Gehe mit der
Fernbedienung in die Küche, öffne das Batteriefach und will die
beiden Batterien herausnehmen. Aber ohne es gleich benennen zu können
denke ich, da stimmt doch was nicht. Gucke also genau hin und sehe
daß eine Batterie verkehrt herum liegt. Ich drehte sie richtig
herum, und siehe da, die Fernbedienung funktioniert wieder
einwandfrei.
Habe ich die Batterie in einem Anfall von geistiger
Umnachtung verdreht?
Wohl eher nicht.
Wir
hatten auch etliche Stofftiere in den Zimmern verteilt, und einige
saßen auf einmal anders als vorher oder lagen auf dem Bauch. Ich war
das ganz sicher nicht, und mein Besuch ist auch nicht so kindisch und
tut so etwas.
In meiner neuen Wohnung hat er auch Figuren verrückt.
Da wußte ich, er ist mit mir umgezogen. Leider ist es nun schon eine
ganze Weile her, daß er sich so bemerkbar gemacht hat, aber
vielleicht tut er es ja bald mal wieder.
Von
Deinem schwarzen Humor habe ich mich keineswegs veralbert gefühlt.
Im Gegenteil, habe herzhaft gegrinst.
Du wirst Deine Mutter kaum dazu
bewegen können daß sie den Spüler ein- oder ausräumt.
Mit
Hausarbeit hat sich Andreas leider noch nicht bemerkbar gemacht. Die
darf ich schon selbst erledigen, aber es hat mich immer sehr
aufgebaut wenn ich seine Zeichen entdeckt habe.
Einen
Plan B zu haben gibt allerdings Sicherheit. Du mußtest ja wesentlich
mehr Entscheidungen treffen als ich. Mit Hausbau und Kindern war ich
nie belastet, und durch eine falsche Entscheidung auf der Straße zu
landen brauchte ich auch nie befürchten. Ich war immer nur für mich
selbst verantwortlich und mein Berufsleben ist sehr glatt verlaufen.
Da würde ich im nachhinein auch nichts anders machen wollen. Mit dem
Wissen von heute würde ich aber im Privatleben so einiges anders
machen. Aber der Zug ist abgefahren. Nur die Zeit mit Andreas würde
ich nicht ändern, abgesehen von der Dauer, denn sie war einfach
perfekt. Natürlich kann man freiere und durchaus auch riskantere
Entscheidungen treffen wenn es einen Plan B gibt, und offensichtlich
hast Du ja richtig entschieden. Deine Kinder sind groß, das Haus ist
fertig und mit der Straße habt ihr keine Bekanntschaft gemacht.
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Unsere
jetzige Situation war allerdings nicht unsere Entscheidung. Ich hätte
nie und nimmer gedacht daß es so schnell gehen könnte. Eigentlich
wollten wir die Silberhochzeit erleben. Das wäre 2040 der Fall
gewesen. Sportlich aber nicht unmöglich.
Andreas wäre dann 84
gewesen und ich 85, also kein unerreichbar hohes Alter. Für Andreas
war es leider doch unerreichbar, und ich werde es bei meinem „Glück“
wohl noch erleben müssen. Dafür gibt es einfach keinen Plan B. ![]()
ch
würde auch gerne bestimmen wann es gut ist, aber ich höre das
Schicksal im Hintergrund genauso laut lachen wie Du.
Das hättest Du
wohl gerne, bringt es unter fröhlichem Glucksen heraus, aber da
irrst Du Dich gewaltig. Ich, Dein Schicksal, bestimme wann etwas gut
ist, und niemand sonst. Also richte Dich auf eine noch lange
Wartezeit ein. ![]()
Meine Bewunderung für Deine Fähigkeiten kannst Du getrost annehmen. Sicher können noch andere was Du kannst, aber viele können es nicht, und Du bist auch noch sehr vielseitig.
Wenn du so gelebt hättest wie ich, könntest du vielleicht noch viel mehr als ich.
Aber
wirklich nur vielleicht. Interesse und Wollen sind schon wichtig,
aber wenn es beim Können hapert, zu wenig. Andreas konnte auch
nicht, da waren wir schon zwei. Ich finde es auch schlimm daß so
vieles nicht mehr repariert werden kann. Produkte werden so
hergestellt daß sie eine überschaubare Lebensdauer haben und nicht
repariert werden können. Nur um die Wirtschaft anzukurbeln. Das ist
doch krank. Mein Schwager hat vor kurzem seine Sonnenbrille in der
Jackentasche vergessen und sich in der Küche angelehnt. Da hat es
knack gemacht, und ein kleiner Zapfen war abgebrochen. Dadurch hält
der Bügel nicht mehr, und der Zapfen kann nicht angeklebt werden
weil er zu winzig und auch etwas gesplittert ist. Also neue
Sonnenbrille und die Wirtschaft gekurbelt. Da hättest Du wohl auch
nichts mehr machen können. ![]()
Was
der Tod genau ist möchte ich auch gerne wissen. Unsere Männer
wissen es schon.
Ich habe einige Bücher von einem amerikanischen
Arzt über Nahtoderlebnisse gelesen, und beneide die Menschen die das
erleben durften. Er hat viele Menschen befragt, alte und junge,
Männer, Frauen und auch Kinder. Die Erlebnisse ähneln sich in
vielem, es gibt aber auch Unterschiede. Den Arzt oder diese Menschen
würde ich gerne das eine oder andere fragen, aber dazu habe ich
leider nicht die Möglichkeit. Also muß ich abwarten bis ich alles
selbst erfahre. Aber die Berichte waren sehr tröstlich und es gab
nichts wovor man Angst haben müßte. Etliche der Befragten waren
überhaupt nicht glücklich weil sie wieder zurück mußten und noch
nicht bleiben durften. Kann ich sehr gut verstehen.
Tja,
wie sag ich`s meinem Kinde? Beziehungsweise Du Deinem Vater? Da kann
ich Dir leider nicht helfen, und ein Werkzeug wohl auch nicht.
Vielleicht einfach die Wahrheit? Immerhin hast Du ja noch so einiges
um die Ohren. Ich wünsche Dir aber daß Dir etwas passendes einfällt
und sage jetzt Gute Nacht. Es ist gleich halb zwei und das Kopfkissen
winkt. ![]()
Hab einen schönen Tag
Lilifee
