Beiträge von Cildie

    Liebe Sverja,


    vielen lieben Dank für deine Antwort. Es tut mir sehr leid zu hören, dass du mit Krebs und Operationen umgehen musst. Das ist sicher alles andere als leicht. Ich wünsch dir viel Kraft und du musst auch gar nicht antworten, ich finde es erleichternd hier zu schreiben...auch wenn ich mal keine Antwort bekomme.


    Liebe Grüße und viel Kraft und Durchhaltevermögen!

    Cildie

    Liebe Moni,


    das tut mir so leid. Wenn du erzählst, klingt es nach einem wunderbaren Verhältnis zwischen dir uns deinem Vater und es klingt als sei er ein wunderbarer Mensch gewesen. Ich wünsche dir, dass du die kommende Zeit irgendwie überstehen kannst. Du hast Recht, nichts ist mehr wie vorher:-(.


    Es tut mir so leid.

    Cildie

    Liebe Sverja,


    so jetzt ist sie vorbei - meine erste richtige Beerdigung. Es war ganz merkwürdig. Die Halle war so hässlich, das hätte meine Schwiegermutter sicher nicht gut gefunden, ich fand es nicht gut. Aber der Redner hat es toll gemacht. Er hat ihr Leben so erzählt, wie es war, mit dem Vielen, was gut war und leider auch dem Vielen, was schlecht war. Ich hoffe sie hätte sich gesehen und anerkannt gefühlt. Auf meinem Schoß saß die ganze Zeit meine kleine Tochter, die ganz fürchterlich geweint hat. Ich konnte nicht weinen, ich hätte es gern gekonnt. Irgendwie habe ich mir das abtrainiert in den letzten Jahren, als ich immer so viel funktionieren musste. Ich würde es gern wieder mehr zulassen.

    Danach sind wir zu Grab gegangen und ich war sehr berührt, wie viele Menschen gekommen waren. Meine Schwiegermutter hat sich immer so einsam gefühlt, weil sie keinen Partner hatte, keine große Familie, aber eigentlich hatte sie viele wunderbare Menschen um sich. Und für meinen Mann ist noch ein guter Freund gekommen, ich war ihm so dankbar. Beim Kaffeetrinken danach war es schön mit ihren Freundinnen zusammen zu sitzen und einfach ein wenig zu erzählen. Ich glaube viel mehr davon würde gut tun. Auch meinem Mann, der leider keine Geschwister hat, mit denen er Erinnerungen austauschen kann.

    Jetzt hatte ich gehofft, dass es ein wenig besser wird, mit der Trauer. Aber soweit ist es wohl noch eine Weile nicht. Vielleicht brauche ich auch für meine Schwiegermutter ein kleines Ritual, wie ich es für meinen Vater habe, um der Trauer Raum zu geben. Wer hätte gedacht, dass mich das alles so hinschmeißt. Früher habe ich viel mehr weggesteckt, da bin ich wütend geworden, habe geweint und dann war es aber auch manchmal wieder gut. Jetzt fressen die Dinge an mir innerlich, das ist viel schlimmer. Ich hoffe das wird irgendwann mal wieder besser.


    Ganz liebe Grüße

    Cildie

    Liebe Svenja,


    ganz lieben Dank für deine Zeilen. Es ist schön, dass ich hier schreiben kann. Morgen ist die Beerdigung und ich habe eine Weile gebraucht, um zu verstehen, dass ich davor ganz schön Angst habe. Aber vielleicht hilft es auch ein wenig bei Abschiednehmen.


    Ganz liebe Grüße

    Cildie

    Hallo ihr Alle,


    ganz vielen Dank für eure Antworten! Es hat mir so geholfen hier zu schreiben und eure Gedanken und lieben Worte zu lesen - ganz vielen Dank dafür.

    Vor zwei Wochen hat der Tod uns aus einer unerwarteten Richtung ereilt. Meine 64-jährige Schwiegermutter ist plötzlich an einem Herzinfarkt gestorben. Aus der langen Riege alter (und teilweise sehr klappriger) Verwandter - um sie hatten wir uns noch keine Gedanken gemacht.

    In mir geht seitdem viel Durcheinander. Ich weiß gar nicht so richtig, was ich empfinde. Ich bin traurig, dass die tot ist. Sie war mir, grade im letzten Jahr, ein große Stütze und eine tolle Oma für die Kinder, die jetzt auf ihre Art untröstlich sind. Mein Mann ist völlig schockiert. Und ich weiß gar nicht wo ich bin. Wir waren bei meinem Eltern, da kam wieder die Trauer um meinen Vater auf, der grade ein so unschönes Leben lebt und seit wir wieder hier sind, ist ihr Tod wieder präsent. Sie war ein so netter und doch so schwieriger Mensch. Mit einer schrecklichen Kindheit, der sie irgendwie nie entflohen ist. Sie war nie richtig glücklich und das hat dazu geführt, dass da immer diese Distanz war. Wenn man ihr zu nahe gekommen ist, wurde man hinein gezogen in ihre Traurigkeit. Und jetzt ist sie weg und unweigerlich kommen die Gedanken, ob man nicht mehr hätte tun können. Gleichzeitig weiß ich, dass es nicht möglich war - niemand kann jemand anderen komplett glücklich machen.

    Hach, es ist so traurig. Wie geht das, heute noch da und dann plötzlich unwiederbringlich weg? Ich habe sie noch gesehen, bevor das Beerdigungsinstitut sie geholt hat. Sie sah gar nicht mehr aus wie sie selbst. Als wäre da tatsächlich nur noch der Körper. Und dann, auf dem Weg die Kinder zu holen, war da ein schöner, blühender Strauch, durch den fuhr der Wind, es regnete und gleichzeitig schien die Sonne. Da hab ich gedacht - das war sie, genauso war sie. Voller Schönheit, Sonne und doch war da immer Regen.


    Ganz liebe Grüße

    Liebe Ntschi, liebe alle,


    so vielen Dank für eure Antworten und besonders euer Verständnis, das tut wirklich gut. Viele Freunde hören zu, aber es ist schwierig das Gefühl zu haben, wirklich verstanden zu werden und nicht belasten, wenn jemand nicht in einer ähnlichen Situation ist.

    Ntschi - es hat mir so sehr berührt zu lesen, dass es bei dir ganz anders ausgegangen ist und du dich damit trotzdem schwer tust. Ich kann dich so gut verstehen. Als mein Vater plötzlich keinen Puls mehr hatte, wusste ich nicht, ob er das, was wir Jahre vorher besprochen hatten, wirklich noch wollte. Oder ob er doch noch etwas gefunden hatte, was ihn am Leben hält und er jetzt nicht loslassen möchte. Diese umumkehrbare Entscheidung für jemand anderen, treffen zu müssen ist furchtbar und eigentlich sollte das niemand tun müssen. Es tut mir so leid, dass es dir noch solche Probleme bereitet. Mir hilft grade ein wenig (neben dem Schreiben hier) zu denken, dass ich die Entscheidung von damals nicht mehr ändern kann. Das beruhigt meine Gedanken ein wenig, hilft mir, dass sie nicht nur darum kreisen, was hätte sein können. Das schlechte Gefühl und die Schuld bleiben trotzdem. Und, dass du geschrieben hast, hat mir geholfen zu realisieren, dass es vielleicht auch gar nicht die Entscheidung an sich ist (für oder gegen Wiederbeleben), die es so schwer macht. Sondern die Situation - man entscheidet darüber ob jemand lebt oder stirbt. Das ist einfach zu krass. Es gibt keine heftigere Entscheidung und man trifft sie für jemand anderen, der sich nicht mehr mitbestimmen kann, ob er leben oder sterben möchte. Das ist einfach zu viel und niemand hat es verdient, dass man das tun muss.

    Ich wünsch dir so sehr, dass du dein Leben nicht mehr hasst.

    Ich freu mich, dass du hier geschrieben hast und denke sehr an dich.

    Alles Liebe Cildie

    Liebe Svenja,


    ganz vielen Dank für deine lieben Worte. Es hat mich sehr gefreut sie zu lesen und auch, dass ich hier richtig bin. Es hat vorhin schon geholfen alles aufzuschreiben. Plötzlich ist mir klar geworden, dass ich mir das nicht verziehen habe, obwohl mein Verstand sagt, dass es so ist wie es ist. Deine Geschichte mit dem nativ man ist schön - ich glaube auch, meine Seele kommt grade noch nicht hinterher. Vielleicht muss ich einfach geduldig warten, bis sie meinen Verstand eingeholt hat.


    Ich danke dir!

    Cildie

    Ich weiß nicht, ob ich hier ganz richtig bin, denn mein Vater ist noch gar nicht gestorben. Er hat aber jetzt schon so lange Parkinson, dass ich den Menschen, der er eigentlich einmal war, schon verloren habe. Ich hoffe, es ist daher in Ordnung dass ich hier schreibe - auch wenn er eigentlich noch lebt.

    Ich bin 43 Jahre alt und habe bisher das Glück gehabt, noch nie jemand wirklich Wichtigen in meinem Leben zu verlieren. Und jetzt gleich mein Vater - eine der wichtigsten Personen in meinem Leben. Er hat vor fast 15 Jahren Parkinson bekommen. Damals waren wir erschrocken, aber er war schon 65 und die ersten zehn Jahre mit der Krankheit waren in Ordnung. Sie waren von Einschränkungen gekennzeichnet, aber vieles ging auch noch sehr gut. Wir sind keine Familie in der viel über Gefühle oder gar über den Tod gesprochen wird, auch keine spirituelle oder religiöse Familie. Daher hat mein Vater alles Organisatorische erledigt. Er hat die Vorsorge- Gesundheit- und Finanzvollmachten verteilt, seinen Nachlass geregelt und mit uns besprochen, dass er möglichst wenig medizinische Eingriffe möchte. Worüber er nie gesprochen hat, war - wie er sich mit dieser Krankheit fühlt oder wie es sein wird Abschied zu nehmen. Da er in so Vielem mein Vorbild war, habe ich, als er vor fünf Jahren deutlicher von der Krankheit gezeichnet wurde, versucht, es ihm nachzutun. Ich habe versucht die Probleme "wegzuorganisieren". Er hat alle Pflegestufen bekommen, den Pflegedienst, die Tagespflege, alle Hilfsmittel, alles damit er - wie es sein Wunsch war - zu Hause bleiben konnte. Aber je mehr er sich veränderte, desto mehr versuchte ich auch Abstand zu bekommen - ich hatte mir zwar ein halbes Jahr Pflegezeit für ihn genommen, bin aber immer weniger gern hingefahren (ich wohne 400km weit weg), die Besuche wurden immer schwieriger für mich, ohne, dass ich mir eingestehen konnte, dass ich trauere, um den Menschen, der eigentlich schon nicht mehr da ist.

    Dann kam der Tag im Februar 2020, an dem ich im Haus meiner Eltern aufwachte und meine Mutter mir besorgt mitteilte, dass sie Vati nicht aufwecken kann. Auch ich bekam ihn nicht wach, aber er atmete noch, ich wusste nicht, was ich machen sollte. Dann kam die Pflegedienstfrau - mehr auf Zack als ich - die den Puls nahm und mir zurief, ich solle sofort die 112 anrufen. Ich hab nur noch funktioniert. Meinen Vater nach Anweisung des Menschen am Telefon auf den Boden gelegt, Herz-Lungen-Massage gemacht, ihn in die stabile Seitenlage gebracht. Zugesehen, wie ein Rettunghubschrauber auf der Wiese nebenan landete, ein Notarztwagen kam, Feuerwehrleute in schweren Stiefeln in sein Zimmer liefen. Die Stiefel sind mir immer noch vor Augen, schon damals dachte ich - sie gehören nicht hierher. Irgendwann kam eine Ärztin zu mir, und sagte mir was ich tun solle. Als sie die Papiere erwähnte, die ich mit ins Krankenhaus bringen solle, wurde mir schlagartig klar, dass mein Vater eine Patientenverfügung hat und, dass er nicht wiederbelebt werden wollte. Ich schaute meine Mutter an, die nicht richtig verstand, was das Problem war. Eine Stunde später im Krankenhaus, wachte mein Vater mit den Worten "hättet ihr mich doch nur gelassen" auf. Es war schrecklich, ich hätte es anders entscheiden sollen. Heute glaube ich, dass ich es nicht getan habe, weil ich mich noch nicht von ihm verabschiedet hatte, aber ich wünsche mir, wir hätten uns einen Stuhl genommen und daneben gesetzt, seine Hand gehalten und ihn zu Hause einschlafen lassen.

    Am Tag darauf bin ich wieder nach Hause gefahren, habe weiter gearbeitet, dann kam Corona, in der ersten Lockdownwoche bekam meine kleine Tochter eine Lungenentzündung, niemand teste sie, wir versuchten in Quarantäne zu bleiben. Die Angst und Unsicherheit setzten mir sehr zu und ich merkte, dass ich gar nicht mehr logisch und ruhig denken konnte, ich hatte nur noch Angst und Panik die Kontrolle über alles zu verlieren. Irgendwann wurde ich krank und nicht mehr richtig gesund. Irgendwann hörte sich mein Hausarzt alles an, was passiert war, schrieb "Posttraumatische Belastungsstörung" auf die Überweisung und schickte mich mich zum Psychologen. Das hat sehr geholfen, hat mir geholfen einen Zugang zur Trauer zu finden, aber ich finde es unglaublich hart.

    Mein Vater ist schon so weit weg. Er kann kaum noch sprechen, hat schwere Halluzinationen, fällt ständig um, hat Schmerzen. Letzte Woche hat die Tagespflege angedeutet, dass es nicht mehr lange gehen wird, mit zu Hause (meine Mutter ist auch fast 80) und Tagespflege. Mein Vater soll ins Heim und ich fühle mich wieder schrecklich. Ich hätte ihm so gern den Wunsch erfüllt zu Hause sterben zu können, einen Tod zu haben ohne all das, was er nicht wollte. Und diese Schuld macht es mir grade so schwer. Ich weiß, dass das damals eine Momententscheidung war - wir hatten noch nicht mir einer Nahtodsituation gerechnet und uns daher nicht darüber unterhalten, was wir machen würden. Aber trotzdem...es wäre das gewesen, was er sich gewünscht hätte. Jetzt muss er ins Heim und ich habe das Gefühl versagt zu haben. Es ist so schwer, sich mit dieser Schuld von ihm zu verabschieden. Ich habe das Gefühl, ihm einen so wichtigen Wunsch nicht erfüllen zu können. Bisher dachte ich: wenn er gehen will, dann wissen wir, dass wir es diesmal anders entscheiden, aber jetzt wird das passieren, was er nicht wollte. Mir geht es damit wieder sehr schlecht und ich weiß nicht gut, wie ich da heraus kommen soll.

    Ganz lieben Dank fürs Lesen dieses langen und sicher konfusen Textes.