Beiträge von Cildie

    Liebe Sverja und alle,


    ich freu mich immer über deine Zeilen, Sverja und vor allem für dein Verständnis - da kommen mir meine wirren Gedanken gleich weniger wirr vor:-). Ich hoffe die Zeit mit Mel war schön und auch in Schweden zieht langsam der Frühling ein.


    Seit ein paar Tagen beschäftigt mich ein Thema, das gar nicht so direkt etwas mit Trauer zu tun hat und dann doch ganz schön viel. Ich lebe ja seit fast 15 Jahre in Hessen, komme aber eigentlich aus Thüringen. Ich bin hier sehr glücklich gewesen, war mir aber immer sicher, zurück zu wollen. Für Lehrer:innen ist das nicht so ganz einfach. Wir müssen einen länderübergreifenden Versetzungsantrag stellen und lange gab es in Thüringen auch einfach keine Lehrer:innenstellen (zumindest nicht in meiner Heimatstadt, wo ich ja wieder hinwollte). Vor drei Jahren entspannte sich die Situation dann und ich bekam tatsächlich eine Stelle. Das war aber im April des ersten Lockdowns, wir waren alle grade krank, alles war völlig unsicher, wir wussten noch nicht mal, ob wir dahin fahren können, um Wohnungen zu besichtigen. Schweren Herzens lehnte ich damals die Stelle ab und entschied mich eigentlich hier zu bleiben. Aber so ganz hat das Thema mich nicht losgelassen und zu Beginn dieses Jahres stellte ich nochmal einen Versetzungsantrag - es sieht gut aus, er könnte durchgehen, aber mittlerweile habe ich das Gefühl, wir haben zu lange gewartet. Die Kinder sind mittlerweile in der Grundschule, die Große kommt nächstes Schuljahr in die weiterführende Schule und ich bin eigentlich die Einzige, die gern umziehen würde. Mein Mann würde mir zu Liebe mitkommen (er könnte dort im Homeoffice arbeiten), die Kinder sind nicht begeistert. Und ich merke, dass ich eigentlich nicht hierbleiben möchte, es meiner Familie aber auch nicht zumuten möchte, ihr Leben hier für mich aufzugeben.

    Und trotzdem fällt es mir unglaublich schwer, mich mit dem Gedanken anzufreunden, meine Heimatstadt aufzugeben. Es fühlt sich ganz schön nach Trauer an.
    Vor allem, weil mein Elternhaus eine so starke Verbindung zu meinem Vater ist. Er hätte sich so sehr gewünscht, dass eine von uns dort einzieht und es in der Familie bleibt. Ein bisschen kommt es mir vor, als würde ich ihn verraten, wenn wir nicht dorthin gehen. Und für mich ist es ein Stück Freiheit, das weg ist, wenn ich nicht dort leben kann. Aber vielleicht ist das einfach so - man bekommt etwas, wie Familie, und dann hat man weniger Freiheit. Trotzdem ist es traurig. Hier ist es echt nicht so richtig schön und vor allem unglaublich voller Menschen. In Thüringen gibt es Städte und drum herum ist dann erstmal lange nichts. Hier gibt es eine große Stadt, dann sieben kleine Städte und dann kommt die nächste große Stadt.

    Ich glaube das wird ein langer Abschiedsprozess werden, mal wieder.


    Ich hoffe euch geht es gut!

    Liebe Grüße

    Cildie

    Liebe Sverja und alle,


    ganz lieben Dank für deine Zeilen. Ja, ich glaube auch, dass Trauer ganz schön schwächen kann, vor allem, wenn man sie wegdrückt, wie ich das ja doch manchmal unabsichtlich mache. Und wie überrascht ich doch immer bin, dass sechs Monate nicht viel sind im "Land der Trauer", wie du so schön schreibst. Ich glaube das mittlerweile auch. Die Trauer verändert sich. Sie ist nicht mehr immer da, wie am Anfang und ich merke manchmal, dass ich schon ein wenig Frieden geschlossen habe. Manchmal rede ich jetzt mit meinem Vater, das ist schön. Mein Schutzmantel ist noch immer im Aufbau:-). Manchmal bekommt er ganz schöne Lücken, dann merke ich, dass ich doch noch recht empflindlich bin. Aber vieles klärt sich auch, ganz schön überraschend.

    Unsere kleine Tochter macht uns noch immer ein wenig Sorgen, ich glaube auch, dass die letzten Jahre sie etwas mitgenommen haben. Es war ja auch viel - erst Corona, dann der Tod der Oma und dann der Opa und dazu die ständig trauernden Eltern. Aber es geht ihr etwas besser, das ist schön.

    Ganz überraschend habe ich letzte Woche festgestellt, dass es da eine ganz neue Trauerschicht gibt. Bisher habe ich immer um meinen Vater getrauert und jetzt, zu Hause habe ich festgestellt, dass ich auch traurig bin, weil sich meine Familie, also die Familie meiner Eltern, so langsam auflöst. Mein Vater ist weg (eigentlich ja schon lange) meine Mutter vergisst so viel, dass sie auch nicht mehr so richtig da ist und meine Schwester und ich sind da ein wenig verloren. Wir waren immer wirklich gern zusammen. Meine schönsten Erinnerungen sind die gemeinsamen Ostseeurlaube, als wir schon etwas älter waren. Wie wir alle, die Hosenbeine hochgekrempelt, die Schuhe über der Schulter stundenlang am Strand entlang laufen, immer mit den Füßen im Wasser. Der salzige Wind hat immer durch die Haare gepustet und wir haben uns unterhalten, Steine gesammelt und wollten irgendwie nie zurück. Abends waren wir dann gemeinsam in der Ferienwohnung, haben Spiele gespielt, gelesen oder ferngesehen und am nächsten Tag dann oft einen Ausflug gemacht. Die Tage sind so dahin geplätschert, wie das in besten Urlauben der Fall ist und wir waren alle glücklich da zu sein und zusammen zu sein. Meine Schwester und ich sind noch bis Ende zwanzig einmal im Jahr mit meinen Eltern eine Woche an die Ostsee gefahren, es war irgendwie unser Ort. Irgendwie habe ich naiv angenommen, dass wir das immer weiter so machen werden. Dass ich früh aufstehen, mit meinem Vater zum Bäcker laufen, gemeinsam frühstücken und dann am Meer sein werde. Natürlich war mir klar, dass sie irgendwann sterben werden, aber das erschien mir zum einen noch immer weit weg und zum anderen bin ich davon ausgegangen, dass ich dann schon irgendwie damit klar kommen werde - ist ja normal und schaffen ja fast alle:-). Ich meine, ich komme ja auch irgendwie damit klar, aber wie viele von euch, habe ich nicht erwartet, dass es so schwierig ist.

    Und jetzt verschwindet meine Familie. Ich bin natürlich sehr dankbar, dass ich Kinder und einen Mann habe, aber das ändert natürlich nichts daran, dass die Verbindung, die ich zu meinen Eltern hatte, nicht mehr so da ist. Ich kann nicht mehr mit ihnen sprechen, keine Witze mehr machen, wir können uns nicht gemeinsam über den schönen Ostseestrand freuen oder über ein Buch streiten. Und es wird nie mehr so werden. Dieses "nie mehr" ist ja immer da Unglaublichste am Tod.

    Liebe Sverja, ich werde versuchen, mehr bei anderen zu schreiben. Aber oft habe ich das Gefühl, gar nicht richtig etwas zu sagen zu haben und dann schreibe ich lieber nicht:-).


    Ich wünsche euch allen noch ein schönes Wochenende und hoffe ihr freut euch wie ich auf den herannahenden Frühling.

    Liebe Grüße

    Cildie

    Liebe Sverja und alle,


    ganz lieben Dank für deine Neujahrswünsche Sverja! Ich wünsch dir und euch allen das gleiche. Sverja, auch, dass ihr gut durch die herausfordernde Zeit kommt.

    Ich habe lange nicht geschrieben, weil in den letzten Wochen andere Dinge im Vordergrund standen. Nachdem ich froh war, mein erstes Weihnachten ohne meinen Vater gut überstanden zu haben (bitte sagt, dass das erste das schlimmste ist:-)), ging es in unserer Familie recht turbulent zu. Zunächst waren wir ständig krank und meiner kleinen Tochter ging es in der Schule nicht gut. Jetzt hat sich das zum Glück etwas geklärt und schwupps, ist die Trauer zurück und erinnert mich daran, dass sechs Monate nicht viel sind und das erste Trauerjahr noch lange nicht vorbei.

    Der Auslöser ist sicher, dass wir am Wochenende vorhaben nach Hause zu fahren. Wir waren lange nicht mehr da. Im August, zu Beerdigung zwei Wochen, danach war ich froh, dass ich wieder fahren konnte. Dann nochmal kurz im Oktober, was mich doch sehr mitgenommen hat. Weihnachten war meine Mutter dann hier. Als ich den Besuch ausgemacht habe, habe ich gar nicht daran gedacht, dass es schwer werden könnte. Ich habe mich eigentlich gefreut - endlich mal wieder meine Schwester sehen, die Nichten und Neffen, meine Mutter und ein paar Freunde. Aber seit gestern macht mir die Trauer ganz schön zu schaffen. Mein Mann hat heute noch Probleme in seine, 20 Minuten entfernte, Heimatstadt zu fahren, vermutlich ist das normal. Aber schön ist es nicht. Ich mag meine Heimatstadt, habe dort noch viele Freunde und war eigentlich immer gern da. Aber seit mein Vater so krank war, waren die Besuche immer schwieriger. Auch hier zu Hause wusste ich, dass er schwer krank ist, aber dort zu sein und es zu sehen, war immer hart. Jetzt, nach seinem Tod kommen so viele Erinnerungen hoch. Manche davon ganz schön überraschend und ganz schön unbearbeitet. Wer hätte gedacht, dass man so viel vergessen kann, mit dem man sich eigentlich einmal beschäftigen sollte? Viele der Erinnerungen haben gar nicht direkt etwas mit meinem Vater zu tun. Es sind nur Dinge, die passiert waren, als er dabei war. Und jetzt, wo er gestorben ist, habe ich das Gefühl so etwas wie einen Zeitzeugen verloren zu haben. Und gleichzeitig ist meine Heimatstadt so stark mit ihm verbunden. Es war seine Stadt, er ist dort geboren und aufgewachsen und hat nach dem Studium alles daran gesetzt wieder zurück zu kommen, was in der DDR gar nicht immer so leicht war. Er wollte nie woanders leben und ist eigentlich noch nicht mal gern in den Urlaub gefahren. Es kommt mir falsch vor, dass die Stadt jetzt noch da ist, aber er nicht mehr in ihr leben kann. Klingt das komisch? Wahrscheinlich. Aber es ist für mich als würde ein Stück meiner Heimat fehlen. Tut es ja auch. Wenn die Trauer nicht ganz so schlimm ist, versuche ich mich darauf zu konzentrieren, was schön sein könnte: zum Grab gehen zu können. Dort mit ihm reden zu können. Das vermisse ich hier. Sein Grab ist sehr schön. Es ist in einem Friedwald, unter einem Baum. Zwei Bäume weiter liegt sein Bruder. Der Friedwald ist ganz oben auf dem größten und einem der ältestens Friedhöfe der Stadt. Wann immer ich bisher da war, war ich ganz allein. Es ist so schön dort. Das vermisse ich oft hier. Nicht nur den Friedhof, sondern, dass die Stadt so schön ist. Die Stadt in der ich jetzt lebe ist wirklich nicht schön. Den Menschen hier scheinen Autostraßen so viel wichtiger zu sein als eine schöne Umgebung - damit werde ich wahrscheinlich nie ganz klar kommen. Und dann ist da noch das Gefühl, dass er es schön gefunden hätte, wenn meine Schwester oder ich in das Haus ziehen, in dem schon meine Urgroßmutter gelebt hat. Ob das jemals etwas wird, ist sehr fraglich.

    Und so ist dieser Besuch eine ganz schön heftige Mischung aus Gefühlen. Ich fände es schon sehr wünschenswert, dass mein Leben irgendwann mal wieder weniger gefühlsmäßig intensiv wird. Aber na ja - das geht euch sicher allen so.


    Liebe Grüße

    Cildie

    Liebe thelostsoul,


    ich habe grade erst deinen Beitrag gelesen und schicke dir mein herzliches Beileid. Mir ist ganz eng in der Kehle geworden, beim Lesen deines Textes. Du musst so erschöpft gewesen sein. So viel Kraft geht in die Pflege der Eltern und meist, um sie am Ende dann zu verlieren. Aber es ist auch ihre letzte Zeit hier auf Erden und das letzte Mal, dass wir für sie da sein können.

    Ich habe meinen Vater im Sommer nach einer sehr langen Pflegezeit verloren und trotz aller Vorbereitung war es schrecklich. Beide Eltern so kurz nacheinander zu verlieren - ich glaube es ist absolut nicht verwunderlich, dass es dir nach acht Monaten noch zu schaffen macht. Für mich war es nicht nur der Tod meines Vaters selbst, ich habe in den letzten Monaten auch viel über die Pflegezeit davor nachgedacht, ganz viele Dinge, die schnell entschieden werden mussten, die aber ganz schrecklich waren. Du schreibst, dass du deinen Eltern immer wieder sagen musstest, dass der Krebs unheilbar ist. Eigentlich denkt man vermutlich schon ein Leben lang daran, wenn man so etwas einmal sagen muss. Das tut mir wirklich leid. Als ich meinem Vater sagen musste, dass er nicht mehr zu Hause bleiben kann, dass er ins Pflegeheim muss - sein unglücklicher Blick verfolgt mich noch immer.

    Mich überrollen die Trauerwellen noch immer mit schöner Regelmäßigkeit. Ein wenig gewöhne ich mich jetzt daran, aber es ist unglaublich kraftraubend. Hier zu lesen und zu schreiben hilft aber sehr. Hier verstehen dich viele und das hilft der Einsamkeit und der manchmal auftauchenden Verzweiflung schon sehr.


    Sei ganz lieb gegrüßt

    Cildie

    Hey ihr Lieben,


    ich hoffe ihr habt euch etwas von den (hoffentlich nicht zu) anstrengenden Weihnachtstagen erholt.

    Heute ist der letzte Tag des Jahres. Die Sonne scheint grade schräg in mein Dachfenster und ich bin etwas traurig. 2022 ist das letzte Jahr in dem mein Vater noch gelebt hat. Das letzte Jahr in dem ich noch mit ihm gesprochen habe und das wird jetzt für immer so bleiben. Mit dem Jahr lasse ich ihn auch ein Stück weit gehen. Er hat in den letzten Jahren nur noch existiert, nicht mehr gelebt, es ist wirklich ok, dass er gehen durfte, aber ich vermisse ihn trotzdem, auch das kleine Stück, das von ihm noch übrig war.

    Letztes Jahr ist so viel passiert. Ein Jahr ist so kurz und dann doch so lang. Vieles ist besser geworden. Ich bin an einer neuen Schule, der Wechsel war anstrengend, aber meine neue Chefin hat keine psychischen Probleme und das macht es so viel angenehmer, auch wenn ich meine langjährigen Kollegen sehr vermisse. Corona wirkt, als wäre es hinter uns (nicht beschreien:-)) und ich gehe wieder in Restaurants, treffe mich mit Freunden und ins Kino ohne mir viele Gedanken um Ansteckung zu machen. Die einzigen Menschen, die auf meine sozialen Netzwerken noch Coronadiskussionen führen, sind die, die eigentlich immer behauptet haben, das Virus sei gar nicht so schlimm. Interessant, dass sie gar nicht davon lassen können, jetzt wo es wirklich weniger schlimm scheint. Und mein Vater ist gestorben. In dem ganzen Sumpf aus Trauer, Anstrengung, Alltag, abgebrochenen Urlauben, anstengenden Neubeginnen und Vergangenheitsaufarbeitung schleicht sich manchmal der Wunsch nach Leichtigkeit. Grade finde ich wenige Dinge leicht. Alles scheint meine Aufmerksamkeit und meine Entscheidung zu brauchen und wenig läuft einfach so. Und dann erinnere ich mich wieder, was eine Frau in einem Trauerpodcast gesagt hat - dass schon allein der Wunsch "ich will das das aufhört" Energie kostet, die ich eigentlich anderswo gebrauchen könnte. Daher versuche ich die Dinge so zu nehmen wie sie grade sind, viel ändern kann ich ja nicht. Und ich freue mich, wenn sich doch mal ein leichter und freier Moment zwischen die schweren schleicht. Hoffentlich werden es im nächsten Jahr ein paar mehr.

    Bis dahin wünsche ich euch, dass das neue Jahr auch ein paar leichte und schöne Momente bereit hält und danke euch fürs Lesen und Zuhören.


    Guten Rutsch!

    Cildie

    Liebe Sverja,


    ich habe gelesen, dass du so viel hier vor den Feiertagen geschrieben hast und so viele von uns aufgefangen hast. Danke dafür, deine Worte haben mir wirklich sehr geholfen. Ja, der Schutzmantel ist dicker geworden, aber er braucht noch ein wenig Futter:-). Grade merke ich, dass ich mich immer verantwortlich fühle, wenn es kein anderer tut und, dass mich das auslaugt. Da möchte ich noch ein bisschen lernen, besser für mich und meine Familie zu sorgen.

    Gut war Weihnachten nicht, aber erträglich, ich hoffe, dass es nächstes Jahr ein wenig leichter ist.


    Ganz liebe Grüße

    Cildie

    Lieber Maik,


    schön, dass du hier bist und dir Dinge von der Seele schreibst. Mir zumindest hilft es ungemein. Mein Vater ist dieses Jahr verstorben. Er war über 80 und ich hatte ihm viel länger als du deine Mutter. Und trotzdem kann ich deine Angst und Einsamkeit vor Weihnachten so gut nachvollziehen. Obwohl ich viel Familie um mich herum habe, ist diese Geborgenheit, die Weihnachten immer ausstrahlte weg. Lunchen hat vor ein paar Tagen geschrieben, dass sie immer ganz froh ist, wenn der 24. da ist, weil es dann bald vorbei ist. Und das ist ja auch irgendwie tröstlich. So viele schreiben dass es irgendwann leichter wird und das erste Weihnachten ist sicher mit des Schlimmste - heute Abend haben wir ein kleines Stück geschafft.

    Liebe Grüße

    Cildie

    Liebe Sverja,


    ich kann leider nur kurz antworten, dass deine Worte wirklich gut getan haben. Dass ich im ersten Jahr Weihnachten wenig schaffen kann, ist leider genau das, was ich fühle und es entlastet mich zu hören, dass es normal ist. Irgendwie hätte ich nicht erwartet, dass es so schlimm ist. Soviel Abschied. Eigentlich hätte ich Weihnachten dieses Jahr auch gern anders gestaltet, aber ich war zu erschöpft, es mir zu überlegen. Vielleicht nächstes Jahr.
    Dein Weihnachten (vergangen und aktuell) klingt sehr schön. Ich habe so gern in WGs gewohnt, mit netten Menschen ist es das Beste. Danke auch für den Buchtipp. Ich lese grade „Nullerjahre“ von Hendrik Bolz. Das tut mir gut und auch wieder nicht. Es beschreibt die Welt meiner Jugend zu akkurat und man, war ich froh, das hinter mir gelassen zu haben. Aber es bestätigt mir auch, dass ich mir das Grauen nicht nur eingebildet habe und so versöhnt es mich ein bisschen mit mir selbst. Dein Buch kommt als nächstes dran, ich bin sehr gespannt.

    Ich wünsche dir wunderschöne und entspannte Weihnachten in Schweden und ich werde versuchen meine hier so entspannt zu gestalten, wie es geht. Das tut uns sicher allen gut!


    Liebe Weihnachtsgrüße

    Cildie

    Ihr Lieben,


    danke für eure aufmunternden Beiträge. Auch wenn es merkwürdig ist, dass es hilft, wenn es anderen genauso schlecht geht. Linchen1 - schon das dritte Weihnachten ohne deine Mama? Das tut mir so leid. Aber es ist gut, dass du sagst - wenn es da ist, ist das Schlimmste schon fast vorbei. Das lässt mich hoffen. Und ich hoffe dein Papa und du, ihr könnt Weihnachten mit Klößen wieder genießen. Die gibt es bei uns auch;).

    Pia1962 - deine Mama liegt auf der gleichen Station? Zu Weihnachten? Ich drück dich ganz fest. Und hoffe, du hast Recht und irgendwann wird es wieder leichter.
    Zumindest sind seit heute Ferien, die erste richtige Ruhepause seit den Sommerferien. Das ist ja schon mal was.


    Seid umarmt

    Cildie

    Liebe Alle,


    wie habt ihr euer erstes Weihnachten ohne eure Lieben überstanden? Ich finde es grade unglaublich schwer. Je näher Heiligabend rückt, desto weniger bin ich entspannt oder fröhlich. Dabei mochte ich Weihnachten früher so gern und würde es jetzt meinen Kindern auch gern schön gestalten. Weihnachten war früher für mich die ultimative Geborgenheit. Die Welt blieb für dein paar Tage draußen, nur wir vier, oder manchmal ein Gast und viele schöne Dinge. Das letzte Weihnachten, was wir so gefeiert haben, war 2019. Damals war es schon nicht mehr ganz einfach. Mein Vater war sehr krank, meine Mutter überfordert und auch wir, mit zwei kleinen Kindern und der Pflegesituation, ganz schön angespannt. Trotzdem hätte ich nie gedacht, dass es das letzte Weihnachten mit meinen beiden Eltern sein könnte. Danach kam Corona und wir trauten uns 2020 nicht zu fahren. Ein Zoom-Weihnachten, ganz schön komisch. Letztes Jahr hatten wir dann fest vor zu fahren und auch meinen Vater aus dem Pflegeheim dazu zu holen. Aber dann kam, drei Tage vor Weihnachten, die Nachricht, dass sein Zimmernachbar Corona hat und er war bis Silvester in Quarantäne. Damals habe ich das alles furchtbar gefunden, aber diese Endgültigkeit von diesem Jahr war nicht da. Es war ja nicht klar, ob es sein letztes Weihnachten sein würde. Es gab die Möglichkeit, dass wir dieses Jahr wieder gemeinsam feiern könnten. Und jetzt scheint alles über mir zusammen zu brechen. Die ganzen letzten Jahre, in denen alles schlimmer wurde, ich aber nicht so richtig Abschied genommen habe, weil ich immer zu sehr versucht habe, Dinge zu organisieren und zu verbessern. Und dieses Jahr dann die Gewissheit: Es wird nie wieder, wie es vorher war. Ich habe ich richtig Angst vor Weihnachten. Mehr als jedes andere Fest war es für mich mit Familie verbunden, mit Zusammensein. Mein Mann hat wenig Beziehung zu Weihnachten, bei ihm zu Hause war es eher weniger schön, daher hat er immer mitgemacht, aber, dass er sich wirklich darauf freuen würde - das ist nicht so. Und damit ist Weihnachten für mich dieses Jahr diese riesige leere Hülle, die ich irgendwie füllen muss, damit die Kinder eine gute Zeit haben. Aber eigentlich will ich gar nicht, es ist so schmerzhaft. Und womit sollte ich sie auch füllen? Mit Zuversicht, die ich grade gar nicht empfinde? Mit Freude, die nicht da ist? Mit Aufregung, die wenn, dann eher der Angst entspringt?


    Es tut mir leid, dass der Beitrag zu negativ ist, aber zu wissen, dass ich nie mehr zu Hause Weihnachten feiern kann, macht mich unglaublich traurig. Und ich hätte so gern jemanden, mit dem ich die Trauer teilen kann. Aber es ist schwer mit meiner Mutter darüber zu reden. Sie ist eher von der "denk lieber an etwas anderes - Schule" und versucht sich abzulenken. Das ist sicher auch gut, aber nicht so gut für mich. Meine Schwester ist furchtbar beschäftigt mit ihren vielen kleinen Kindern, ständig krank und gestresst und hat gar keine Zeit zu trauern. Das ist natürlich auch nicht beneidenswert. Und so habe ich das Gefühl, ich bin ein wenig allein und dann auch noch dafür verantwortlich, dass Weihnachten für alle schön wird, was mich grade total überfordert. Eigentlich würde ich mich gern im Bett verkriechen (vorzugesweise möglichst weit weg von hier und dem ganzen Weihnachtstrubel) und warten, bis die Feiertage endlich rum sind. Wer hätte gedacht, dass die Trauer nochmal so furchtbar wird?


    Vielleicht brauche ich einen Plan für Weihnachten. Irgendetwas, was ganz ok ist, aber nicht an das heranreichen muss, was früher war. Danke fürs Lesen dieses deprimierenden Textes.


    Liebe Grüße

    Cildie

    Liebe Sverja und alle,


    wie schön, gleich eine Antwort zu finden. Antworte, wann immer es passt, ich hoffe du hast eine sehr schöne Adventszeit:-).

    Ich merke grade, dass ich noch mehr schreiben muss. Irgendwie hilft es.


    Weihnachten als Kind war magisch, wie hoffentlich für alle Kinder. Ich war Wochen vorher aufgeregt, hatte meinen Adventskalenderschokolade spätestens am 3. Dezember komplett aufgegessen und die restlichen, schokoladenfreien 21 Tage zogen sich so elend lang hin. Später war die Adventszeit oft so anstrengend, dass ich sie gar nicht mehr mochte. Zudem ist es die dunkelste Zeit des Jahres, die ich sowieso nicht mag (Sverja, Schweden ist wunderschön, aber der Winter wäre wirklich hart für mich). Spätestens aber Heiligabend habe ich dann doch immer Weihnachtsstimmung gespürt.


    Mein Vater, der immer viel zu beschäftigt war, um irgendetwas vorzubereiten, war das Ansicht, dass er mit dem Kneten des Stollenteigs seine Weihnachtsaufgaben erfüllt hatte. Am 24. fiel ihm dann aber siedensheiß ein, dass Geschenke von ihm erwartet wurden. Da er sich (aus gutem Grund) völlig außerstande sah, diese Geschenke selbst auszusuchen, stand er immer früh um acht am 24. Dezember vor meinem Bett und fragte, wann ich denn endlich aufstehen würde, wir müssten doch noch in die Stadt. Mein empörtes Gegrummel ignorierte er und spätestens um 10 standen wir in der ersten Parfümerie. Mein Vater hatte meiner Mutter nämlich einmal ein Parfüm geschenkt, dass sie wirklich mochte und benutzte. Da das in über 40 Jahren Ehe das einzig erfolgreiche Geschenk gewesen war, bekam die Arme die nächsten Jahre nur Parfüm. Wisst ihr, dass man spätestens nach dem dritten Kärtchen, dass einem die Pafümerieangestellte unter die Nase hält, gar nichts mehr riecht? Irgendwann habe ich meinen Vater angefleht, ihr doch mal etwas anderes zu schenken (meine Mutter hatte mich sehr nachdrücklich gebeten), da kaufte er ihr gegen meinen entschiedenen Rat eine Perlenkette. Ehrlich, ich wusste nie, warum er mich zu diesen gestressten Expeditionen mitnahm. Ich glaube er mochte einfach die Gesellschaft.

    Was schön war, war dass ich mich den Rest der Weihnachtszeit über ihn und seine hektischen Weihnachteinkäufe lustig machen konnte. Er nahm das mit Humor, machte sich im Gegenzug über meine liebevoll selbstgebastelten Ökogeschenke lustig, darüber, dass ich den Gänsbraten verschmähte und dass er alter Mann noch immer schneller den Berg hochkam als ich. Ich habe das in den letzten Jahren am meisten vermisst, die Leichtigkeit mit der wir früher, bevor mein Vater krank wurde, zusammen waren. Wie sich jeder über jeden lustig machte und wir alle gemeinsam lachten. Das ist uns in den letzten Jahren, als alles plötzlich ernster wurde, völlig verloren gegangen. Es war, als hätten wir keine Sprache mehr füreinander, besonders mein Vater und ich. Ich glaube wir hätten mehr Zeit gebraucht, um uns auf neue Art zu verstehen. So war jeder Besuch, bei dem er kränker wirkte als beim vorherigen, ein Schock für mich und ihm hatten die Schmerzen jede Selbstironie genommen.


    Trotzdem werde ich ihn sehr vermissen, dieses Weihnachten.

    Liebe Grüße und danke für die Lesegeduld heute.
    Cildie

    Liebe Sverja und alle,


    das ist ja ein schöner Zufall. Grade habe ich seit langer Zeit mal wieder das Bedürfnis gehabt, hier zu schreiben. Und an dem Tag hast du mir eine liebe Nachricht hinterlassen. Ganz vielen Dank dafür:-).

    Und danke auch für deine Gedanken zu meinem letzten Beitrag. Du hast einen Blick auf die Dinge, der mir mehr hilft, meine Eltern zu verstehen, die ja doch einer ganz anderen Generation angehörten. Und ich wandere auch so gern. Hier wandert nur immer keiner mit:-).


    Du hast geschrieben, dass der Weg zum Frieden durch den Verlust durch führt. Ich denke, das hast du komplett recht und trotzdem findet mein Geist immer wieder andere Schauplätze, mit denen er sich beschäftigen kann, nur um dann zu merken, dass ich eigentlich vor allem noch traurig bin. Es war schon eine Weile besser und dann hat mich vor zwei Wochen die Vorweihnachtszeit recht kalt erwischt. Das hatte ich unterschätzt. Ihr alle, die ihr schon mehr Erfahrung mit der Trauer habt, sicher nicht. Weihnachten war immer schön bei uns. Ich habe nie verstanden, warum Menschen zu Weihnachten nicht gern nach Hause sind. In einer ziemlich aufregenden und ungestümen Welt, war Weihnachten sicher. Wir kamen alle spätestens am 23. nach Hause. Am 24. wurde der Baum geschmückt, dann gab es Suppe zum Mittagessen, Kaffee, einen Weihnachtsfilm, dann sind wir in die Kirche gegangen, Bescherung, Essen, Spielen und zu viel Glühwein. Und die Sicherheit, dass auch die nächsten zwei Tage niemand etwas von mir verlangen würde, außer, dass ich den Kloß zum Mittagessen schaffe und dann noch Platz für (von mir verhasste, weil trockene) Weihnachtsplätzchen habe.

    Die letzten zwei Weihnachten habe ich schon ohne meinen Vater gefeiert. 2020 sind wir nicht hingefahren, weil wir Angst hatten ihn anzustecken und haben uns nur über Zoom gesehen. Letztes Jahr wollten wir ihn am Heiligabend aus dem Pflegeheim zu uns holen, aber er war in Quarantäne. Das war kein schönes Weihnachten. Ich vermute mal nicht, dass dieses viel besser wird. Zwischendurch hatte ich den Wunsch alle einzupacken, uns irgendwo auf einer Hütte einzumieten und Weihnachten ganz anders zu feiern, bloß nicht so, als würde es mich an Vati erinnern. Als ob das möglich wäre. Ich habe den Gedanken verworfen und jetzt kommt meine Mutter und wir werden gemeinsam mit ihr und meiner Tante bei uns feiern. Mir macht das Bauchschmerzen (leider) im wahrsten Sinne des Wortes. Weihnachten, das er auch so gerne mochte, ohne ihn. Er ist immer mit so großen Schritten gelaufen, der weite, schwingende Mantel, durch die Dunkelheit runter zur Kirche. Wo er dann die Weihnachtslieder mitgebrummt hat, so gut wie er es konnte und beim Vaterunser die Hände aufeinander gelegt hat, aus Höflichkeit. Er war nicht gläubig, aber immer in der Kirche, weil es den DDR-Staat geärgert hat. Weihnachten war wie Auftanken. Wir waren nur in der Familie und alles war für ein paar Tage in Ordnung, die Welt blieb draußen. Diesmal ist Vati irgendwo da draußen. Ich glaube ich werde eine Kerze kaufen und für ihn anzünden. Zu versuchen, zu ignorieren, dass er nicht da ist, macht wahrscheinlich alles nur schlimmer.

    Wie geht ihr (falls ihr Weihnachten feiert und es euch wichtig ist) damit um? Habt ihr alles beibehalten oder neue Traditionen entwickelt? Ist es trotzdem irgendwann wieder schön geworden?


    Liebe Grüße

    Cildie

    Liebe Melina,


    erstmal mein wirkliches Beileid zu deinem Verlust. Jemanden zu verlieren, von dem man das Gefühl hatte, dass er oder sie einen wirklich geliebt hat, ist unglaublich schwer.

    Du schreibst, dass du richtig fest steckst und ich kann das ein bisschen verstehen. Als mein Vater im Sommer starb, war das echt nicht unerwartet und trotzdem habe ich die ersten Tage total im Schock verbracht. Ich konnte kaum etwas fühlen, außer, dass es mir völlig unwirklich vorkam. Irgendwann hat sich das dann gelöst und seitdem kommt die Trauer in Wellen. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was du groß machen kannst, um diesen Zustand zu ändern. Ich habe aber neulich gelesen, dass unsere Psyche uns schützt, sie lässt nur so viel an uns heran, wie wir auch verarbeiten können. Bei dir kommt da ja ganz schön viel zusammen: der frühe, unerwartete Tod, die große Verantwortung nach der Beerdigung, die Art, wie du es erfahren hast, dass du dich nicht verabschieden konntest... Das sind alles ganz schön heftige Dinge und vielleicht kannst du deshalb grade noch nicht die ganze Wucht fühlen.

    Mir hat es in den letzten Monaten sehr geholfen, meinen Gefühlszustand so zu akzeptieren, wie er grade ist. Es macht nicht viel Spaß, aber es fühlt sich richtig an. Ich glaube viel mehr kannst und musst du im Augenblick nicht machen. Und vielleicht hier schreiben. Manche Leute (ich auch:-)) benutzen das Forum als eine Art Tagebuch für ihre Gefühle. Es hilft nämlich manchmal einfach zu beschreiben, was grade in einem los ist, manchmal versteht man es dann besser.


    Ich würde mich auf jeden Fall freuen, wieder von dir zu lesen.

    Ganz liebe Grüße

    Cildie

    Hallo ihr alle,


    ich hoffe es geht euch gut. Hier sind es jetzt fast drei Monate, nachdem mein Vater gestorben ist. Einerseits kann ich kaum glauben, dass es schon so lange ist und andererseits kommt es mir merkwürdig vor, dass es erst drei Monate sein sollen - so viel ist schon passiert, ohne ihn. Kennt ihr das? Mittlerweile gibt es Tage, an denen ich nur noch wenig traurig bin und dann, besonders, wenn ich eine Weile wenig an ihn gedacht habe, kommt es wieder ganz stark. Mein Mann, der ja letztes Jahr seine Mutter verloren hat, hat neulich ein wenig verzweifelt gefragt, wann man sich denn endlich dankbar und liebevoll an den Verstorbenen erinnern kann und nicht immer mit diesem Schmerz. Das frage ich mich auch. Wird das jemals? Ich möchte mich an meinen Vater erinnern, meinen Kindern von ihm erzählen, aber im Augenblick ist das noch schwer, denn an ihn denken heißt immer, so einen Stich spüren, dass da ein ganz großer Verlust ist, mit dem ich noch nicht meinen Frieden gefunden habe. Mein Umfeld denkt, glaube ich, dass ich eigentlich schon längst darüber hinweg sein müsste - es war ja nur der Vater (erwartbar) und er war auch schon lange krank (und daher war ja auch klar, was kommt). Das empfinde ich nicht als besonders hilfreich, aber ich glaube das geht vielen hier so. Wie ist das passiert, dass Trauer, so ein wichtiges Gefühl, so tabuisiert wurde?

    Jetzt werde ich ein wenig in den Garten gehen und dort arbeiten, da fühle ich mich ihm immer ein Stück näher.


    Einen guten Abend euch allen noch!

    Cildie

    Liebe Nessx00,


    herzlich Willkommen hier im Forum und es tut mir sehr leid, dass deine Mama so plötzlich und früh gestorben ist. Wie die anderen schon geschrieben haben - du hast völlig Recht mit deinen Empfindungen - sechs Wochen nach einem schmerzlichen Verlust wieder "ganz normal" zu funktionieren, kann kaum jemand erwarten. Trotzdem begegnet das uns allen wohl immer wieder. Ich habe das Gefühl, viele Menschen haben keine Ahnung, wie sie mit Trauer umgehen sollen und versuchen den/die Trauernde abzulenken. Dass das eine doofe Idee ist, wird den meisten erst klar, wenn sie selbst mal einen Verlust erleiden.


    Für mich ist daher dieses Forum ein toller Ort. Wenn ich mal wieder das Gefühl habe mit mir stimmt was nicht, weil ich nach fast drei Monaten noch immer so traurig bin, merke ich hier, dass es ganz normal und wichtig ist. Und ja, Trauer ist natürlich belastetend für einen selbst und ja, auch für andere. Ich bin grade auch kein Quell der Freude. Aber so ist das nun mal und jeder, der Menschen liebt, wird leider irgendwann auch einmal trauern und das Umfeld hat die Aufgabe das auch mal mit zu tragen.


    Ich vermute aber auch, dass es für dich besonders schwierig ist. Wenn deinen Mama erst 45 war, bist du sich nicht in dem Alter, in dem viele Freunde schon Eltern verloren haben - da ist dann doch mehr Verständnis da. Das tut mir nochmal extra leid. Sei dir einfach sicher, dass du keinesfalls nach sechs Wochen wieder funktionieren musst. Trauer braucht echt Zeit.


    Ganz viele Grüße

    Cildie

    Liebe Sverja,


    wie geht es dir? Du hast lange nichts mehr von dir hören lassen. Vielleicht brauchst du, nach all den schlechten Nachrichten, auch einfach eine Schreibpause, ich hoffe es ist alles in Ordnung.


    Liebe Grüße

    Cildie

    Hallo ihr Lieben,


    Sverja, ich hoffe es geht dir mittlerweile etwas besser - es ist wirklich heftig, wenn Verluste so kurz nacheinander kommen. Ich wünsche dir, dass es zunächst der letzte war und du Zeit hast, alles zu verarbeiten. Sicher vermisst du deinen Freund auch noch sehr.


    Mittlerweile ist es mehr als zwei Monate her, dass mein Vater gestorben ist. Vor ein paar Tagen ist sein Konto aufgelöst worden und wir haben sein Geld bekommen. Das war ein komisches Gefühl. Normalerweise freut man sich ja über Extra-Geld, aber diesmal hatte ich das Gefühl, ich will das nicht - das ist sein Geld. Zu Lebzeiten hätte er uns nie sein wertvolles Geld überlassen, viel zu groß die Sorge, dass wir es in sinnlose Sachen wie schicke Stiefel oder Reisen investieren würden:-). Dass es jetzt auf meinem Konto landet, lässt seinen Tod nochmal deutlicher werden.

    Mittlerweile passiert auch das, was mir alle erzählt haben, was ich aber nie für möglich gehalten hätte: Der Mensch, der Vati in den letzten Jahren war, der kranke, gebeugte, von Schmerzen geplagte, verblasst immer mehr und dahinter kommt wieder er zu Vorschein, wie er früher war: Vital, voller Lebenskraft, Diskussionsfreude und Neugier. Vor allem Neugier. Ihn hat wirklich alles interessiert, sogar meine schreckliche Seminararbeit zur "Satzklammer im Althochdeutschen", hat er gelesen. Unglaublich, dass so etwas einfach auslöschen kann, dass diese ganze Lebensenergie einfach weg sein kann. Ich suche noch immer wo sie hin ist, so unglaublich kommt mir ihr Verlöschen vor. Ich weiß nicht, wie mein Vater sich im Inneren gefühlt hat, aber nach Außen hat er gewirkt wie konzentrierte Energie. Er war fast immer der am schärfsten denkende Kopf im Raum, der analytischste, diskussionfreudigste, der nichts lieber mochte, als wenn er seinen Verstand mit jemand anderem messen konnte. Er war immer in Bewegung und ich bin mir sicher, dass es nicht wenige Menschen gab, die er furchtbar nervös gemacht hat, aber es war nie langweilig, wenn er da war. Und wenn ich mich an ihn erinnere, dann eigentlich fast immer an Spazierengehen mit ihm. Er saß nicht gern still und am liebsten diskutierte und redete er auf Spaziergängen, bei uns zu Hause durch die Berge oder an der Ostsee, die Füße im Wasser, die Hosen hochgekrempelt und stundenlang am Strand entlang. Noch heute erzähle ich meinen Schüler*innen so viel von dem, was er mir auf diesen langen Spaziergängen erklärt hat. Manchmal halte ich dann inne, weil ich etwas nicht mehr genau weiß und würde ihn, der immer eine Antwort auf alles hatte, gern fragen - aber er ist nicht mehr da. Das ist etwas, was ich gleichzeitig verstanden und nicht verstanden habe - ich weiß, dass er gestorben ist und trotzdem ist er für mich so gegenwärtig und lebendig, dass das irgendwie nicht sein kann. Und dann fühlt sich die Welt so leer an, ohne seine Leuchtkraft darin. Ich hoffe, ich finde irgendwann etwas von dieser Leuchtkraft in mir selbst wieder, damit sie nicht ganz weg ist. Ich vermisse ihn sehr.


    Alles Liebe und euch allen eine einigermaßen gute Herbstzeit

    Cildie

    Liebe Sverja,


    es tut mir so leid, dass du noch einen Verlust erleiden musstest. Manchmal kommt wirklich viel auf einmal. Ich hoffe du kannst zwischendurch auch ein wenig Kraft schöpfen. Und danke, dass du geschrieben hast. "Der Tod ändert alles" hast du gesagt. Ich glaube das stimmt, er hat so viel verändert, aber auch einiges Positives. Ich habe mich dann daran erinnert, dass mir, bevor unser erstes Kind geboren wurde, alles sagten "es ändert sich alles". Auch das stimmte:-).

    Und natürlich, kann man auch virtuell stark am Leben von jemand anderem Anteil nehmen - es gibt Menschen, denen ich seit Jahren fast nur noch virtuell begegne und um die ich aber sehr trauern würde, wenn sie nicht mehr da wären.


    Fühl dich umarmt,

    Cildie

    Hallo ihr Lieben,


    es tut mir leid, dass ich mich grade so selten melde, obwohl ihr so nett schreibt und ich mich immer freue, es zu lesen - weil ich dann das Gefühl habe verstanden zu werden.

    Aber diese Trauer ist ganz schön heftig (ich weiß, sonst wärt ihr alle ja nicht auch hier:-)). Es gibt Tage, da habe ich das Gefühl, sie ganz gut in mein Leben integrieren zu können, da kann ich früh Unterrichten, mich nachmittags um die Kinder kümmern und wenn ich dann mal, ein, zwei Stunden für mich habe, ist es gut. Aber dann gibt es auch Tage, da passiert etwas Schlimmes, wie dass meine Tante fällt und sich am Kopf verletzt und ich bin wieder weit weg, so wie ich es bei meinem Vater immer war und plötzlich ist alles wieder da, diese ganze Hilflosigkeit der Pflegezeit und ich merke erst jetzt, wie schlimm das eigentlich war.

    Übers verlängerte Wochenende ist mich dann meine Mutter besuchen gekommen. Sie ist auch traurig und zu meiner Überraschung spricht sie auch darüber, das hätte ich gar nicht gedacht. Und so sehr ich mich auch freue sie zu sehen, es ist trotzdem unglaublich traurig, dass sie alleine kommt und ich habe auch das Gefühl, dass wir erst neu lernen müssen, miteinander umzugehen. Es ist als würde mit meinem Vater so ein Stück in unserem Familienpuzzle fehlen und wir müssen erst lernen diese Lücke zu füllen. Manchmal habe ich das Gefühl wir waren als Familie so fein aufeinander eingestellt, alles hat funktioniert, aber eben nur, solange alle Beteiligten da waren. Jetzt fehlt mein Vater und irgendwie ist alles durcheinander gerüttelt. Ich weiß nicht, ob ihr das versteht. Mein Vater ist ja eigentlich schon so lange weg, aber ich merke jetzt, dass seine Pflege uns alle so in Anspruch genommen hat, dass wir gar keine Zeit hatten, uns neu aufeinander einzustellen, in der Dreierkonstellation, die jetzt noch übrig ist. Da kommen plötzlich alte Verletzungen und Missverständnisse hoch, die ich lange gar nicht mehr wahr genommen hatte. Manchmal habe ich das Gefühl, Trauer ist so eine Lebensphase, die sollte man nicht ohne Begleitung absolvieren:-). Daher schön, ... dass ihr hier seid.

    Danke auch Sverja für deine Bestärkung - ich habe als Kind nicht so gut gelernt mit Gefühlen umzugehen...ich versuche es jetzt besser zu machen, auch wenn es oft schwer ist sie zuzulassen.


    Ganz liebe Grüße und ich hoffe es geht euch einigermaßen gut

    Cildie