Ich vermisse meine Freundin so sehr

  • Meine Freundin wurde vor 6 Wochen Opfer eines tragischen Unglücks.
    Sie ging mit ihrer Hündin nach einem Gewitter spazieren und wurde von einem Baum erschlagen.
    Es ist für mich immer noch unfassbar.


    Sie war eine Freundin, die frau nur einmal im Leben findet, aber auch nur, wenn sie viel Glück hat.
    Wir waren uns immer so nah, und nun ist sie nicht mehr hier.


    Wir wollten irgendwann in vielen Jahren eine Alten-WG aufmachen (ich bin 51 Jahre alt, sie war 47).
    Mit einem netten Zivi und alten Tieren aus dem Tierheim.
    Ich wusste, egal, was ist, ich kann sie immer anrufen. Oder einfach vor ihrer Tür stehen.
    Wir haben viele Kilometer auseinander gelebt, aber wir hatten täglich Kontakt.


    Sie hat die Natur geliebt, sich darin wohlgefühlt, hat jeden Hasen, Igel, Spatz gerettet, der in Not war.
    Und dann wurde sie von einem Baum getötet.
    Nur 3 Sekunden früher oder später an diesem Ort und sie würde heute noch leben.


    Ich konnte nicht bei ihr sein. Sie kam hirntot ins Krankenhaus und starb 2 Stunden später. Ich war 1800 km entfernt, weil ich in Urlaub war.
    Die zwei Stunden habe ich auf ein Wunder gehofft.
    Ich bin zur Beerdigung geflogen, danach zurück zum Urlaubsort.


    Es fühlt sich so an, als hätte sie die Hälfte meiner Seele mitgenommen.
    Ich möchte schreien vor Verzweiflung, aber ich kann noch nicht mal weinen.
    Sie war die Schwester, die ich mir immer gewünscht habe.
    Ihre witzige Art, ihr Lachen, ihre schönen Augen - ich werde es nie wieder erleben.
    Sie ist weg.
    Und das fühlt sich so falsch an.


    Meine Freundin war nie auf Rosen gebettet.
    Sie hat als Kind sehr leiden müssen und es ging ihr lange sehr schlecht.
    Sie hat sich da rausgearbeitet, hat das Beste daraus gemacht.
    Andere Menschen hat sie wie Könige behandelt, aber dass sie selbst eine Königin war, hat sie nicht geglaubt.
    Sie sah im Park einen alten Mann mit seinem alten Hund, der Schwierigkeiten hatte, ohne Unterstützung Stufen zu gehen.
    Abends setzte sie sich hin und nähte für den Hund stundenlang ein passgenaues Geschirr mit einer Halteschlaufe.
    Sie fand das ganz normal und wunderte sich über ein Danke.


    Ein verletzter Igel kreuzte ihren Weg am Ende des Herbstes.
    Igel bezog Quartier in der Badewanne und war im Frühling der bestgenährteste Igel, der in die Freiheit entlassen wurde.
    Sie musste ihn zum Duschen täglich kurz aus der Wanne setzen, was der Igel gelassen hinnahm.
    Allerdings fauchte er jeden ausser ihr an.


    Sie hatte sich im Hinterhof ihrer kleinen Wohnung ein Gartenparadies gestaltet. Mit einem kleinen Teich, der Frösche anzog und vielen Vögeln, die bei ihr immer Wasser und ein Häppchen fanden.
    Um sie herum war immer eine Aura von Frieden. Wenn ich in ihre Wohnung kam, die sie so liebevoll gestaltet hatte, war es wie Urlaub.
    Und dann reichte sie mir einen Kaffee und ich fühlte mich unendlich wohl.


    Nie wieder werde ich sie besuchen können.
    Nie wieder am Bahnhof ankommen und ihr wild zuwinken, noch im Zug.
    Nie wieder ihre Stimme hören, am Telefon. Nur auf dem Anrufbeantworter ist noch ein Anruf.
    Nie wieder...


    Dieses "Nie wieder" tut so weh.
    Seitdem sie gegangen ist, habe ich keine Angst vor dem Tod mehr.
    Sie hat an ein Leben danach geglaubt und ich wünsche ihr da, wo sie jetzt ist, alles Liebe.
    Trotzdem tut es so weh, weil ich sie vermisse. Sie fehlt so sehr.
    Manchmal denke ich, dass meine Trauer sehr egoistisch ist. Ich möchte, dass sie wieder hier ist. Ich möchte wieder ihre Stimme hören. Ich möchte sie lachen sehen.


    Ich habe noch nie in meinem Leben so sehr um jemanden getrauert.
    Auch nicht bei Verwandten wie meine Grosseltern.
    Manchmal denke ich, ich versinke im Schmerz und ich habe Angst, dass ich in eine Depression rutsche.
    Ich habe auch schon überlegt, in eine Selbsthilfegruppe zu gehen, aber es gibt hier im Umkreis nichts in der Richtung.


    Danke fürs Lesen...

  • Liebe Nora,


    beim Durchlesen Deiner Zeilen musste ich weinen. Warum müssen immer die Guten so früh gehen. Es tut mir so leid für Euch. Anscheinend war sie Deine Seelenverwandte und auf jeden Fall "ein Engel auf Erden". Dort, wo sie jetzt ist, geht es ihr mit Sicherheit gut. Ich weiß, es ist nur bedingt ein Trost, da man den geliebten Menschen ja hier auf Erden so sehr vermisst.


    Den Schmerz kann Dir leider niemand abnehmen, aber hier im Forum bist du gut aufgehoben und kannst jederzeit Deine Gedanken und Gefühle niederschreiben.


    Ich schicke Dir mein Mitgefühl aus der Ferne und wünsche Dir viel Kraft auf dem Weg der Trauer.


    Alles Liebe
    Susanne

  • Liebe Nora!
    Ein Stilles Willkommen hier bei uns.Es tut mir so leid, das Deine Freundin unter so tragischen Umständen gehen musste! :30:
    Du schreibst so unendlich viele , liebe Dinge über sie. Ich kann sie mir gut vorstellen.
    Das sie Dir nun unendlich fehlt ist absolut normal, zumal es doch erst 6 Wochen her ist.
    Susanne sagt es schon. Den Schmerz kann Dir keiner nehmen. Wir können uns hier nur gegeseitig "zuhören". Das macht es -irgendwann- ein wenig leichter.
    Schreib, wann immer Du möchtest oder Dir danach ist.
    Lass Dich in den Arm nehmen- wenn Du möchtest.
    Liebe Grüße
    Karla :30:

    Mein Kind Juliane,
    Mein Bruder Rene,
    Mein lieber Vati,
    Ihr seid mir nur einen Schritt voraus-tief in meinem Herzen lebt ihr weiter :005:

  • Liebe Susanne, liebe Karla,


    danke für Eure Worte, sie tun mir so gut.


    Ich könnte über meine Freundin stundenlang schreiben.
    Sie bedeutet mir so viel.
    Liebe, Vertrauen, Vertrautheit, Lachen.
    Natürlich war meine Freundin nicht perfekt.
    Aber sie war nahe dran :)


    Sie war sehr spirituell, sie war Homöopathin, sie hatte viel Wissen über Feng Shui, sie konnte nähen.
    Ihr Wissen hat sie nie gegen Geld weiter gegeben.
    Durch ihre Rente (Opferentschädigungsrente) hat sie eine Grundsicherung gehabt, die nicht prickelnd war, aber die ihr das Leben sicherte.
    Sie hätte mit ihren Talenten Geld machen können, aber sie betrachtete ihre Fähigkeiten als Geschenk, und das verschenkt man weiter.
    Das klingt vielleicht etwas langweilig, weil zu gut.
    Aber sie war so und gleichzeitig hatte sie Humor und Witz. Oft habe ich Tränen gelacht über so manche trockene Bemerkung.


    Sie musste so viel kämpfen in ihrem Leben. Ums pure Überleben.
    Und sie hat so sehr leiden müssen.
    Letztlich hatte sie so viel verarbeitet und sie liebte ihr Leben.
    Dann kam der Baum und riss sie aus dem Leben.
    Ich bin sicher, trotz all ihrer Spiritualität wäre sie gerne noch geblieben.


    Ihre Schwester, ihr Bruder und ihre Mutter fanden auf Kühlschrank eine Art Testament:
    Wenn ihr etwas passiert, sollen ihre persönlichen Niederschriften vernichtet werden.
    Zudem soll mit dem Räumen der Wohnung 3 Tage gewartet werden, damit sich ihre Seele verabschieden kann.
    Ich habe dieses Testament bei meinem letzten Besuch nicht bemerkt.
    Hat sie etwas geahnt?
    Meine Freundin ist nicht mehr hier. Und ich frage mich, werde ich je wieder "ganz" sein?


    Gleichzeitig schäme ich mich.
    Hier sind Menschen, die ihre Kinder verloren haben, ihren Partner, ihre Eltern.
    Und mein Leid wird ganz klein.


    Danke fürs Lesen


    Britt, die sich unter dem Namen ihrer Freundin hier angemeldet hat

  • Liebe Britt,


    Dein Leid ist nicht klein. Bitte verbanne den Gedanken mit dem Schämen so schnell wie möglich wieder. Wo steht geschrieben, dass man für Kinder, Partner, Eltern mehr trauern darf, als um die beste Freundin, mit der Du eine sehr enge Bindung hattest. Dein Schmerz, Deine Ohnmacht ... all das tut genauso weh.


    Ja, Deine Freundin war was Besonderes. Spirituell hoch entwickelt. Sie handelte rein aus Liebe ... und das ist eine der größten Aufgaben, die wir Menschen hier auf Erden haben. Es ist schade, denn gerade zur jetzigen Zeit, auf der leider nicht allzu liebevolle Energien auf der Erde weilen, fehlt jeder Mensch, der durch sein Leben diese Liebe in die Welt bringt.


    Ich glaube das der Mensch unbewusst spürt, dass er nicht mehr lange hier ist. Das hört man oft. Mein Vater sortierte Tage vor seinem Schlaganfall, dem er dann erlag, seine gesamten Dokumente. Mein geliebter Andreas tat genau das auch (als ich das sah, hatte ich ein richtiges Schaudern) und er brachte so vieles in Ordnung was er längere Zeit liegen gelassen hatte.
    Auch er hätte gerne noch gelebt, denn er liebte das Leben, trotz schlimmen Erfahrungen. Und Rückblickend habe ich es irgendwie auch gespürt. Es ist seltsam.


    Wenn eine geliebte Person stirbt, stirbt meist auch ein großer Teil von uns mit. Ich muss auch erst meinen Weg finden (und es ähnelt momentan mehr einer Achterbahnfahrt) und mein Ziel ist es unter anderem, dass ich diesen unendlichen Schmerz und die Trauer in reine Herzensliebe zu meinem Schatz umwandle ... eines Tages ... und ich denke mir, dass man dann wieder Ganz ist. Denn die Verbindung bleibt ja im Herzen bestehen. Solange wir traurig sind ist das Herz blockiert.


    Nimm Dir die Zeit, die Du brauchst. Mache nur das, was Dir tut gut. Höre auf Dein Inneres, nur so kannst Du wieder heil werden.


    Ich wünsche Dir viel Kraft und Zuversicht,
    alles Liebe
    Susanne

  • Danke, liebe Susanne...


    Wir waren in Urlaub, als wir die Nachricht bekamen.
    Es war am 5. Tag, wir hatten uns so auf den Urlaub gefreut (wir, das sind mein LG, ich und unsere 3 Hunde) und wir waren erstmals 3 Wochen dort.
    Wir waren in Tweng in Lungau und wir lieben es, dort zu sein.
    Die ersten 4 Nächte kamen meine Eltern noch dazu und wir verbrachten eine schöne entspannte Zeit.


    In der Nacht vom 6. auf den 7. Juli rief mein Mann an, gegen 23.30 Uhr.
    Er war mit meiner Freundin ebenfalls befreundet und liebt sie sehr.
    Ich war schon erschrocken, als so spät ein Anruf von ihm kam.
    Er fragte mich, ob ich sitze. Und dann erzählte er mir, dass meine Freundin hirntot im Krankenhaus liegt und in den nächsten Stunden sterben wird. Ihre Mutter, ihr Bruder und ihre Schwester waren bei ihr
    Ich habe geschrien, geweint, ich konnte den Gedanken nicht ertragen.


    Dann habe ich gebetet, um ein Wunder, gebettelt, dass sie bleiben darf und dabei bin ich eingeschlafen.
    Um 2.30 Uhr klingelte das Telefon noch mal. Men Mann teilte mir mit, dass sie gegangen ist.
    Ich habe es im Hotel nicht ausgehalten, bin raus in den Garten mit meinem Partner und da sangen die Nachtigallen.
    Sie hat Nachtigallen so sehr geliebt.


    Es dauerte etwas, bis die Staatsanwaltschaft ihre Leiche freigegeben hat.
    Am Freitag, den 13. bin ich nach Köln geflogen von Salzburg aus und ab da mit meinem Mann nach Lüneburg weiter gefahren.
    Abends haben wir ihren Freund und seinen erwachsenen Sohn besucht. Der Sohn ihres Freundes war beim Unglück mit ihr zusammen.
    Er hat gejoggt, sie ist Fahrrad gefahren und ihr geliebter Hund war dabei.
    Sie blieb stehen und beugte sich zu ihrem Hund, um ihn zu loben.
    Da knirschte es und der Baum fiel um.
    Der Sohn ihres Freundes sprang instinktiv zur Seite, ihr Hund auch. Der Baum erwischte sie am Kopf.
    Der Sohn hat um Hilfe geschrien und sie dann gehalten, herausziehen konnte er sie nicht.
    Sie wurde am Unfallort reanimiert, im Krankenhaus wurde der Hirntod festgestellt.


    Trotz Hirntods hat sie noch reagiert:
    Ihre Schwester versprach ihr, dass sie sich um ihren Hund kümmern wird und sie gehen kann.
    Bei den Worten reagierte meine Freundin mit beschleunigtem Puls und einem Blutdruckanstieg.
    Und dann verabschiedete sie sich langsam von dieser Welt.


    Die Beerdigung am nächsten Tag war so passend für meine Freundin.
    Kein Pfarrer, kein Redner. Kaum einer kam in schwarz.
    Wir folgten dem Sarg zum Grab, dort wurde er abgestellt und die Bestatterin sprach ein Gedicht. Sie trug einen sonnengelben Blazer, das hätte meiner Freundin gefallen.
    Der Sarg wurde in die Erde gelassen und wir gingen nacheinander ans Grab, um uns zu verabschieden.
    Ich legte einen langen Brief ins Grab und meine Blumen neben das Grab.


    Als wir alle Abschied genommen haben, bekam jeder einen weissen Luftballon mit einer Karte dran.
    Jeder durfte seine Wünsche und Grüsse aufschreiben.
    Dann las die Tochter ein wunderschönes Gedicht vor und wir liessen die Luftballons fliegen.


    Nach der Beerdigung gingen wir zum Haus der Eltern. In der Küche gab es ein Kaffeebuffett und wir fanden uns zu Gruppen zusammen und sprachen über unsere Freundin.
    Da wir auch mit der Tochter unserer Freundin eine sehr enge Beziehung haben, sassen wir die meiste Zeit mit ihr und ihrem Freund zusammen.
    Natürlich versicherten wir ihr, dass wir immer für sie da sein werden.
    Später gingen wir zur Unfallstelle. Dort standen Kerzen und ich stand lange da, legte meine Hände auf den Baum, der sie erschlagen hatte und versuchte, sie zu fühlen.
    Dann gingen wir in ihre Wohnung und dort war schon etwas vorbereitet für die Räumung.
    Ich sah auf den Küchentisch, wo ich so oft sass, auf das Sofa im Wohnzimmer.
    Sie hatte ihre kleine Wohnng nach Feng Shui eingerichtet und es war immer eine Wohltat, dort zu sein.


    Ihre Tochter hatte zwei Kuschelpullover von meiner Freundin für mich ausgesucht.
    Einen trug sie bei unserem letzten Treffen und er roch nach ihr.
    Den anderen hatte sie selbst genäht und ich fand ihn schon immer wunderschön.


    Ich habe mir noch zwei Bilder von ihr ausgesucht. Eines von ihr und ihrem Hund, es hing im Wohnzimmer.
    Das andere war ein Druck einer Blüte mit Tautropfen.
    Ihre Schwester bat mich, noch eine ihrer so geliebten und gepflegten Pflanzen mitzunehmen.
    Und zwei Kühlschrankmagneten.


    Abends fuhr mich mein Mann zum Hamburger Flughafen und ich nahm die Maschine nach Salzburg.
    Dort nahm ich mir eine Zeitung, um mich abzulenken.
    Und dann schlug ich eine Seite weiter auf und da war ein Bericht über die Unwetter und ein Bild von ihrem zerschmetterten Fahrrad.
    Das Bild war durch die Presse und die Nachrichten gegangen und nun sprang es mir wieder ins Gesicht.
    Mir wurde schlecht.


    In Salzburg holte mich mein Partner ab und wir fuhren zum Hotel.
    Der Rest des Urlaubs war so traurig und wir blieben eigentlich nur für die Hunde, die dort ein Paradies haben.
    Und wie mein Partner wohl zu Recht sagte:
    Zuhause ist es noch schlimmer, denn da fehlen Dir die Anrufe...


    Vor dem Urlaub habe ich alle Nachrichten auf dem Anrufbeantworter gelöscht und das traf mich hart nach ihrem Tod.
    Allerdings hatte ich im Stress des Packens und der Abfahrt vergessen, mich telefonisch zu verabschieden.
    Ich bekam dann eine lustige sms von ihr und holte das vom Urlaubsort nach.


    Als wir wieder zuhause waren, hatte ich einen Anruf von ihr auf dem Anrufbeantworter, in dem sie mich scherzhaft fragt, ob ich wirklich losgefahren bin, ohne mich zu verabschieden. Das ginge ja wohl gar nicht...
    Ich hatte mich geschämt, dass ich vergessen hatte, mich zu verabschieden.
    Das tue ich heute noch, gleichzeitig bin ich froh darum, denn sonst hätte ich sie nicht auf dem Anrufbeantworter gehabt.


    Sie hatte nie viel Geld zur Verfügung, ganz im Gegenteil.
    Aber sie lebte so zufrieden, obwohl sie sich schon arg einschränken musste.
    Ihre Tochter erzählte mir dann, dass sie trotz des wenigen Geldes 4 Risikolebensversicherungen für Ihre Tochter abgeschlossen hatte.
    Das ermöglicht ihrer Tochter nun, ihr Studium in Ruhe abzuschliessen und die bisherigen Bafög-Schulden auf einen Schlag abzuzahlen.


    Sie fehlt mir so...

  • Liebe Britt!
    Zuerst einmal, Du musst Dich hier bei uns für nichts schämen oder entschuldigen. :24:
    Sicher haben hier die Meisten nahe Angehörige, wie Eltern, Partner, Kinder verlohren. Zu denen gehöre auch ich. ABER, die Trauer um die beste Freundin ist doch nicht etwa weniger klein, nur weil "blos" die Freundin war. Eine gute Freundin /Freund sind einem mitunter im Leben näher als mancher Verwandte.
    Also, bitte schäme Dich nicht. Und, erzähl uns von Norasoviel Du magst. Du beschreibst sie so wunderbar.
    Ganz liebe Grüße an Dich und eine :24:
    Karla

    Mein Kind Juliane,
    Mein Bruder Rene,
    Mein lieber Vati,
    Ihr seid mir nur einen Schritt voraus-tief in meinem Herzen lebt ihr weiter :005:

  • Liebe Britt!
    ein Herzlich Willkommen in unserer mitte
    mein Beileid zum gehen deiner Seelenverwandtinn
    ich las deine zeilen und es rührte mich zu tief
    welch freundschaft!!! EINMALIG!!!
    ich denke solch glück das du Nora kanntest,
    dich Nora einstück deines lebens begleitet hat,
    welch bereicherung in deinem leben,
    einmalig!!!
    musste an meine freundin denken
    es ist eine änliche bindung wie eures
    mein zwilling
    Liebe Britt ich habe meine Tochter gehen lassen "sollen"
    und doch bin ich überzeugt, das nicht das verwandschfts grad (blutsverwandt oder auf papier)
    uns das erlauben soll die trauer zu leben oder nicht zu leben
    sondern die BINDUNG
    wie die bindung zu diesem besonderen menschen wahr und sein wird
    in einer anderen art wirds sein
    und doch wird es immer DA sein


    schreib Bitte mehr über deine Freundin.würde gernemehr über sie erfahren, über dein
    Engel auf Erde!!!
    In liebe maki

  • Danke, danke ... mehr kann ich grade nicht sagen.


    Heute vor 6 Wochen, ziemlich genau um diese Uhrzeit, habe ich erfahren, dass sie hirntot im Krankenhaus liegt.


    Meine Nora - wir nannten uns Seelenzwillingsschwestern.
    Und dabei waren wir so unterschiedlich.
    Ich bin Nachtmensch, sie stand sehr früh auf.
    Ich bin blond, sie ist dunkelhaarig.
    Sie ist sehr spirituell, sie ist zum Buddhismus übergetreten.
    Ich bin eher so der Typ, der weniger spirituell ist.
    Sie war Vegetarierin, ich esse Fleisch (aber nur aus artgerechter Haltung)
    Sie war sehr kreativ -gib mir einen Bleistift in die Hand ich und bekomme mit Mühe ein Strichmännchen zusammen.
    Und trotzdem liebten wir uns.


    Irgendwann klagte sie, dass ihr Dekollete Falten bekommt.
    Ich hatte einen Tipp in der Zeitung gelesen, dass das Dekollete praller wird, wenn man einen Eiswürfel nimmt und damit über das Dekollete streicht.
    Den Tipp gab ich ihr und sie fand das eine klasse Idee.


    Eine Woche später erhielt ich eine Mail, in der sie mir androhte, dass ich mich warm anziehen muss:
    Sie hätte den Tipp probiert. Und nun sind die Falten eingefroren und man könne aus ihrem Dekollete eine Murmelbahn machen.
    Ich bin vor Lachen fast vom Stuhl gefallen.


    Das letzte Mal habe ich sie am 14.12.11 besucht.
    Sie bat mich, zu kommen, weil sie ihre Hündin einschläfern lassen musste.
    Die Hündin war alt, im Kopf ganz klar, aber die Knochen versagten.
    Drei Stunden später sass ich im Zug und nach 7 Stunden Zugfahrt war ich bei ihr.
    Der Tierarzt kam ins Haus, wir liessen ihre Hündin gehen, begruben sie nach einigen Stunden im Garten ihrer Eltern.
    Meine Freundin starb ein bisschen mit.


    Ihre Hündin kam auf merkwürdige Weise zu ihr.
    Ein Mann ging mit ihr an ihrem Garten vorbei und sie kamen ins Gespräch.
    Dabei erfuhr sie, dass die Hündin einer krebskranken alten Frau gehört, die nicht mehr mit ihr spazieren gehen kann.
    Und es stände die Überlegung im Raum, sie ins Tierheim zu geben.
    Meine Freundin bot sich sofort an, die Hündin täglich abzuholen und sich um sie zu kümmern.
    Das tat sie. Zwei Jahre lang, bei Wind und Wetter, an Feiertagen - immer war meine Freundin da und holte den Hund zum langen Spaziergang, fütterte ihn, pflegte ihn und liebte ihn.


    Leider war die Besitzerin der Hündin ein ziemlich mieser Charakter, was sich nicht mit ihrer Erkrankung erklären lässt.
    Sie war reich, sie war böse.
    Einmal machte sie Spargel und wollte meiner Freundin die Spargelschalen schenken, damit sie sich eine Suppe davon kochen kann.
    Zu Weihnachten gab es eine Tafel Schokolade.
    Und angesichts ihrer Krankheit versicherte sie meiner Freundin mehrmals, dass sie nach ihrem Tod den Hund nicht übernehmen darf, da hätte sie vorgesorgt.
    Lieber soll der Hund im Tierheim landen als auf 60qm leben müssen.
    Meine Freundin hat das ertragen, denn sie liebte die Hündin, hatte aber fürchterliche Angst.


    Dann starb die Besitzerin, ihre Erben kamen und wollten das Haus.
    Meine Freundin fragte, was mit der Hündin wird -Achselzucken.
    Es war keine Vorsorge getroffen worden für die Hündin. Und natürlich kann sie sie mitnehmen, gerne sofort.
    Meine Freundin fragte, ob sie auch das Bettchen, die Näpfe, Leinen, Restfutter etc haben könne.
    Klar, kann sie.
    Sie war mit dem Fahrrad da, aber keiner bot ihr an, die Sachen im Auto zu transportieren.
    Und so fuhr sie acht Mal mit dem Fahrrad hin und her, um die Sachen zu ihr nach Hause zu bringen.
    Sie war nur glücklich, denn sie durfte die Hündin behalten und nur das zählte.
    Ich hingegen hatte Mordgelüste.


    Sie hatte die Hündin noch 8 Jahre, dann musste sie sie gehen lassen.
    Alles hat sie für die Hündin getan: Gutes Futter, Tierarzt.
    Sie hat alles bezahlt, und die Tierarztkosten waren zum Schluss heftig.
    Aber immer war sie dankbar, dass sie sie haben durfte.


    Manchmal hätte ich schreien können vor Wut und Traurigkeit.
    Oft wurden ihre Grenzen überschritten, nicht nur von der alten Dame.
    Das lag daran, dass sie sehr bedacht darauf war, niemandes Grenze zu überschreiten.
    Sie selbst hatte Schwierigkeiten, "Nein" zu sagen.
    Es gab Menschen, die das gnadenlos ausnutzten.
    So hatte sie im Garten eine Werkzeugkiste, mit Bohrmaschine, Bewässerungssystem etc.
    Es kam vor, dass Nachbarn einfach an die Kiste gingen und sich Dinge ausliehen.
    Was nicht so schlimm gewesen wäre, aber sie brachten sie entweder gar nicht oder ruiniert zurück.
    Meinen Tipp, die Kiste mit einem Schloss zu sichern, fand sie okay, konnte ihn aber nicht umsetzen.
    Sie war einfach "zu gut" für diese Welt.


    Allerdings gab es einen Punkt, an dem sie zur Löwin wurde und das war ihre Hündin.
    Sie hat sie ziemlich verwöhnt, aber wehe, jemand kritisierte ihren Hund.
    Die Hündin hatte panische Angst vor Knallgeräuschen. Nach Sylvester ging sie mit ihrer Hündin spazieren.
    Auf der anderen Strassenseite lief ihr späterer Freund mit seinen fast erwachsenen Kindern und sie warfen kleine Knaller.
    Meine Freundin bat sie, Rücksicht auf die Hündin zu nehmen, es gab Widerworte und sie zischte "asoziales Pack" und stapfte weiter.
    Schon da wollte ihr späterer Freund sie knuddeln, aber das dauerte noch etwas. :-)


    Ich habe ihr geholfen, nach dem Tod ihrer Hündin eine Hündin im Tierschutz zu finden.
    Damals war ich froh, dass sie sich für einen neuen Hund entschieden hat, denn sie war durch den Tod ihrer Hündin sehr angeschlagen.
    Sie war wieder fröhlich -dann kam der Baum.


    Nora, Du Liebe...
    Nie habe ich gesagt, was Du mir bedeutest. Du warst immer da und das war selbstverständlich.
    Manchmal hatten wir Dreierkonferenz am Tele, mein Mann, meine Freundin und ich.
    Mein Mann hatte in 10 Monaten 15 Todesfälle, Arbeitskollegen, Verwandte, eine Mieze.
    Er war ziemlich fertig und meine Freundin und ich trösteten ihn. Und dann versprachen wir uns, dass von uns keiner stirbt.
    Sie konnte ihr Versprechen nicht halten.


    Ich wünsche mir, dass sie weiss, wie sehr ich sie liebe, auch wenn ich es nie so gesagt habe.

  • Liebe Britt,
    sei herzlich willkommen hier und mein herzliches Beileid zum Tod deiner besten Freundin Nora!
    Ich kann mich nur meinen Vorschreiberinnen anschließen: Schäme dich ja nicht! Trauer ist der Preis, den wir dafür zahlen, wenn wir lieben durften. Und sie ist immer Zeichen von Bindung zwischen zwei Menschen. Je inniger und enger die Bindung, desto größer der Schmerz - ganz besonders am Anfang des Trauerprozesses!
    Ich finde es wundervoll zu lesen, wie du über sie schreibst. Sie war wohl eine "Seele von Mensch"! Du trauerst tief und der Schmerz wird bleiben, aber er wird sich mit der Zeit wandeln in Dankbarkeit, jemanden wie Nora kennengelernt zu haben. Auch wenn du dir das jetzt noch nicht vorstellen kannst.


    Du schreibst ja, dass sie die Natur geliebt hat und dass sie dann "ausgerechnet" von einem Baum erschlagen wurde. Was meinst du, was dazu sagen würde?
    AL
    Christine

  • Liebe Christine,


    ich bin ganz sicher, dass meine Freundin, hätte sie wählen können, einen Tod wie diesen gewählt hätte.


    Eine grosse Angst von ihr war, schwer krank zu werden und sich nicht selbst versorgen zu können.
    Auf die Hilfe von anderen Leuten angewiesen zu sein, sich nicht mehr bewegen können.
    Schlimme Schmerzen zu haben, gegen die sie nichts oder nur wenig tun kann.


    Insofern bin ich sogar "dankbar" für die Art, wie sie starb.
    Sie hatte einen schönen Tag.
    Morgens war sie mit dem Sohn ihres Freundes und ihrer Hündin bei ihren Eltern im Garten.
    Sie haben viel gelacht.


    Nachmittags gab es das schwere Gewitter.
    Sie warteten es ab und als es vorbei war, gingen sie Fahrradfahren bzw. Joggen.
    Danach wollten sie einen schönen Abend bei ihrem Freund verbringen, gemeinsam essen, im Garten sitzen.
    Sie wurde also, wie es so heisst, mitten aus dem Leben gerissen.
    Aus einer Situation heraus, die sie liebte. Sie war in der Natur, ihre Hündin und der Sohn ihres Freundes (ein wunderbarer junger Mann) waren bei ihr. Sie war dem Sohn ihres Freundes eine enge Freundin geworden im Laufe der Zeit, kannte und mochte auch seine Freundin sehr gern.
    Und auch seinen Bruder und dessen Freundin.


    Eigentlich leben die Söhne ihres Freundes weit weg in Gelsenkirchen.
    Aber der Sohn besuchte seinen Vater.
    Was mich sehr gefreut hat und was ich beeindruckend fand:
    Zur Beerdigung kamen alle aus Gelsenkirchen, der zweite Sohn und die Freundinnen. Der erste war noch beim Vater.
    Sie fuhren um 3 Uhr morgens los, um pünktlich zur Beerdigung zu sein und mussten schon am nächsten Morgen aufgrund ihrer Arbeit wieder fahren.


    Wütend war ich, als ich in der "Bild" über ihren Tod las.
    Dort stand sinngemäss und subtil, dass sie unvorsichtigerweise im Gewitter spazierenging und der Baum sie dabei erwischt hätte.
    Das stimmt nicht.
    Sie hatten das Gewitter abgewartet, die Sonne schien wieder.
    Es war völlig okay, spazieren zu gehen.
    Niemand konnte ahnen, dass sich durch den heftigen Regen der letzten Tage ein Baum gelockert hatte.
    Sie waren auf einem öffentlichen Waldweg.
    Ich hatte noch überlegt, ob ich die Zeitung anschreibe, aber dann dachte ich, die Schreiberlinge dort sind es nicht wert.
    Nora hätte es sicherlich nicht gefallen, dass ihr Tod durch die Zeitungen und Nachrichten ging, aber das liess sich nicht verhindern.



    Meine Freundin hatte diesen besonderen Zauber.
    Menschen, die sie trafen und ein Gespür für innere Schonheit hatten, mochten sie sehr.
    Sie selbst war sehr selbstkritisch mit sich, stellte hohe Ansprüche an sich.
    Sie war überzeugt, dass alles, was sie hier auf der Welt tut, ihr Karma beeinflusst.
    Es war für sie normal, andere Menschen als Könige zu betrachten, so nannte sie sie auch:
    Jeder Mensch ist ein König.
    Es hat ihr Freude gemacht, für andere Menschen etwas zu tun.


    Als ich ihr am Telefon erzählte, dass bei meiner Lieblingswinterjacke der Reissvrschluss kaputt gegangen ist, meinte sie nur:
    Schick her, ich nähe einen anderen Reissverschluss ein.
    Wenn meine Tiere krank waren, schickte sie homöopathische Medikamente, um sie zu unterstützen.


    Wir haben uns vor vielen Jahren in einem Forum kennen gelernt und es war Liebe auf den ersten "Blick", besser Beitrag.
    Kurz danach besuchte ich sie das erste Mal.
    Irgendwann hatte ich ihr erzählt, dass ich Lakritz liebe.
    Als ich in ihre Wohnung kam, hing eine Wand voller Lakritztüten, alle unterschiedlichen Arten von Lakritz.


    Irgendwann hatte ich eine Gallenblasenoperation, ich war mit heftigen Schmerzen in Krankenhaus eingewiesen worden.
    Zwei Tage nach der OP sagte mein Mann beim Besuch, dass er mal kurz weg müsste, aber in einer halben Stunde wieder kommt.
    Als er zurückkam, war meine Freundin bei ihm.
    Sie war 7 Stunden mit dem Zug gefahren, um mich für 90 Minuten besuchen zu können, dann fuhr sie 7 Stunden zurück.
    Bei dem Anlass schenkte sie mir Engelskarten -und jede Menge Lakritz.


    Ich war schon, als sie noch da war, zutiefst dankbar, eine so gute Freundin zu haben.
    Ich wusste, das ist ein ganz besonderes Geschenk.
    Ich wusste auch, dass diese Freundschaft nichts erschüttern kann, sie ist für ewig.
    Aber ich dachte, wir hätten noch so viel Zeit.


    Nun fühle ich mich "verwaist", es fühlt sich immer noch so an, als wäre die Hälfte meiner Seele mit ihr gegangen.
    Ihr Erdenkleid, wie sie es immer nannte, liegt auf einem Friedhof in Norddeutschland.
    800 km entfernt von mir, ich kann also nicht mal eben so hin und ihr Blumen auf das Grab legen.


    Aber ich habe für mich eine Entscheidung getroffen, die auch mein Mann und mein Partner teilt:
    Wir wollten ja immer eine Alten-WG zusammen machen. Die Renten zusammen legen, ein Haus mieten, in dem jeder seinen eigenen Bereich haben kann.
    Jemand, der ein bisschen unseren Haushalt in Ordnung hält, wenn wir nicht mehr so können.
    Wir wollten alte, pflegebedürftige Tierheimhunde aufnehmen und begleiten.


    Das wird nun nicht mehr so sein.
    Bei der Beerdigung habe ich gesehen, dass die Grabstätte neben ihr frei ist.
    Ich habe das Friedhofsamt angeschrieben, ob ich die Grabstätte reservieren kann.
    Mein Mann und mein Partner möchten ebenfalls auf dem Friedhof beerdigt werden.
    Dann machen wir unsere Alten-WG halt da.


    Ach Nora....

  • Liebe Britt,


    jedes Mal, wenn ich Deine Geschichten über Nora lese, muss ich weinen. Du hast eine schöne Art zu schreiben und in Deinen Geschichten lebt Nora weiter. So wie Nora war, möchte ich mal sein, das ist schon länger mein Ziel ... diese Liebe für Alle und Alles - Allumfassende Liebe genannt. Das ist wirklich schon die höchste Stufe der Spiritualität. Aber ich denke, ich brauch noch ein paar Inkarnationen bis ich so weit bin ;-).


    Am Friedhof liegt "nur" die irdische Hülle, das "fleischliche Transportmittel" für die Seele. Wenn Du zu Hause ein paar Blümchen aufstellt und eine Kerze für Nora anzündest, ist das auch gut. Die Grabpflege ist ja mehr für die Hinterbliebenen. Den Verstorbenen ist das egal. Sie spüren Deine Liebe und Deine Gedanken.
    Als ich zum 2. Hochzeitstag einen Hochzeitsstrauß an das Grab meines geliebten Andreas brachte, hörte ich ihn innerlich sagen:" Du Afferl Du, stell doch die schönen Blumen zu Hause auf den Tisch". Ich ließ sie trotzdem am Grab. Aber recht hatte er doch, oder? ;-)).


    Irgendwann habt ihr eure Alten-WG ... auf einer anderen Ebene ... und Deine Nora wird dich abholen, wenn es mal soweit ist, da bin ich mir sicher.


    Alles Liebe
    Susanne

  • Ach Britt .....
    es ist so schön und herz zereissend
    wie du eure bindung - deine Nora beschreibst ;(
    Bitte erzähl mehr über Nora, Danke
    Danke das du hierher gefunden hast und uns teilhaben lässt
    glgmaki

  • Es gibt eine Zeit vor ihrem Tod und die Zeit nach dem Tod meiner Freundin.
    Mein Leben wird nie wieder so sein, wie es war, als meine Freundin noch lebte.


    Immer, immer muss ich an sie denken.
    Heute war ich beim Friseur (ich hasse Friseur) und ich dachte daran, dass sie noch lebte, als ich das letzte Mal beim Friseur war.
    Und ich musste auch daran denken, wie wir zusammen beim Frisör waren.
    Beide mit Turbanhandtüchern und beide ergaben wir uns in unser Schicksal.


    Meine Freundin hatte das Glück,sehr dichte dunkle Haare zu haben.
    Sie band sie zum Zopf oder aber sie wuschelten ihr -relativ frisurlos -ins Gesicht.
    Wenn sie zu lang wurden, schnitt sie sie meistens selbst.
    Und sie sah immer klasse aus. Hätte ich meine dünnen Haare selbst geschnitten, hätte man mich wohl wegen meines Aussehens eingewiesen.


    Einmal war ich bei ihr und hatte Schmerzen im grossen Zeh -der Nagel war ein bisschen eingewachsen.
    Meine Freundin sah mich leicht humpeln, fragte, was los ist.
    Dann machte sie mir ein Fussbad, knipste den Nagel ab und machte Honig auf die wunde Stelle.
    Dabei alberten wir herum.


    Meine Freundin hatte schwere Neurodermitis, sie war gegen vieles allergisch, auch gegen viele Lebensmittel.
    Ihre Hände waren wund und hatten tiefe Risse.
    Oft tat ihr jede Handbewegung weh. Als ich mitbekam, dass Geschirrspülen für sie mit grossen Schmerzen verbunden war, schenkten mein Mann und ich ihr eine Spülmaschine. Das war für sie Lebensqualität und ich habe mich so sehr gefreut, dass sie nun das Geschirr einfach in die Maschine packen kann.
    Ich habe ihre Hände so gern gehalten. Manchmal liess sie es zu, aber sie fand ihre Hände schlimm.
    Der Pullover, den sie genäht hat und den ich bekomme habe, hat extra lange Ärmel zum Umklappen.
    Wenn ihre Hände übel aussahen (weil sie sich mal Nutella erlaubt hatte) versteckte sie ihre Hände in den Ärmeln.
    Sie selbst fand sich nicht schön, aber jeder, der sie kannte, fand sie bezaubernd.
    Sie war kein Model, aber sie hatte Ausstrahlung.
    In einem Kleid sah sie so sexy aus, dass alle Männer erst mal hinschauten.
    Am liebsten trug sie aber lockere Kleidung. Eine Jeans, ein langärmeliges Top, eine Jeansjacke, derbe Stiefel.
    Sie sah darin so schön aus.
    Ich habe ein Bild von ihr genau so: Ein Herbstwald, meine Freundin so angezogen, zwei Hunde sitzen vor ihr, schauen zu ihr auf und sie wickelt Leckerli aus einer Tüte.


    Sie wollte ungern fotografiert werden, dabei war Fotografie eines ihrer Hobbies. Sie hat tolle Bilder gemacht, von ihrer Hündin, von Bäumen, Pflanzen, ihrem Garten...
    Aber vor die Kamera wollte sie nicht.
    Bei ihrer Beerdigung zeigte ihre Mam ein Foto, aufgenommen beim Grillen im Garten.
    Meine Freundin hat ein Kleid an, sieht überrascht in die Kamera, ihr Mund ist zum Reden geöffnet und ich höre sie sagen "Nee, ich mag nicht fotografiert werden".


    Ich weiss, sie war mir meilenweit voraus in ihrer Spiritualität.
    Trotzdem hoffe ich, dass wir uns nach meinem Tod wieder sehen.
    Sie hat mir versichert, ich sei eine Königin und werde sicher auf der Himmelswiese landen. Ich sehe mich nicht so, aber ich wünsche mir, sie ist da, wenn ich gehe.


    Früher hatte ich Angst vor dem Tod.
    Ich hatte mehrmals Alpträume, in denen ich gestorben bin und es war verstörend.
    Seit meine Freundin gegangen ist, habe ich keine Angst mehr.
    Es ist nicht so, dass ich mir den Tod wünsche. Das habe ich von meiner Freundin gelernt: Das Leben ist heilig, ausserdem habe ich hier wohl noch etwas zu tun.
    Aber wenn ich jetzt sterben würde, wäre das okay.


    Sie war sich immer sicher, dass es ein Leben danach gibt.
    Ich wünsche mir, dass es so ist und dass sie da, wo sie jetzt ist, glücklich ist.
    Am liebsten wäre mir, dass sie mir ein Zeichen gibt: "Alles okay"
    Ich hatte einen Traum, da war sie auf meinem Anrufbeantworter.
    Eigentlich wusste ich, das kann nicht sein, sie ist tot.
    Sie sagte "ich bin gut angekommen" oder "Ich bin wieder zu Hause" -ich kann mich nicht genau erinnern.
    Egal was, beides wäre wunderschön.

  • Liebe Britt!
    Ich weiß, ich wiederhole mich. Deine Freundin Nora war wirklich ein besonders lieber Mensch.
    Ihr wohntet offensichtlich weit voneinander entfernt, und wart Euch stets doch so nah.
    Die Idee mit der Spülmaschine- wundervoll! :028:
    ganz liebe grüße an Dich und gern hören wir mehr über Nora.
    Karla :24:

    Mein Kind Juliane,
    Mein Bruder Rene,
    Mein lieber Vati,
    Ihr seid mir nur einen Schritt voraus-tief in meinem Herzen lebt ihr weiter :005:

  • Entschuldigt, dass ich solange nichts geschrieben habe.
    Ich habe versucht, so zu tun, als wäre nichts geschehen.
    Bin viel unterwegs gewesen, ich habe sogar schöne Tage verbracht.
    Und trotzdem war ich immer nur halb.


    Mein Mann (wir leben getrennt, sind aber sehr gute Freunde) hat mir am Sonntag die Pflanze gebracht, die ich mir in der Wohnung meiner Freundin ausgesucht habe. Ich konnte sie ja nicht mitnehmen, weil ich zurück in den Urlaub geflogen bin.
    Sie brauchte einen grösseren Topf und ein bisschen Pflege.
    Ich habe die teuerste Blumenerde in dem Laden gekauft. Die Budget-Blumenerde hätte es sicher auch getan, aber es ist ja die Blume meiner Freundin.


    Auch das Bild aus ihrem Schlafzimmer hat er mir mitgebracht -ein Blumendruck.
    Er hat einen schönen Platz im Wohnzimmer gefunden.
    Die Pflanze steht nun auf einem Bronzetisch am Fenster. Den hat mein Lebensgefährte von seinen Grosseltern geerbt und darauf stand die Tischlampe der Grosseltern.
    Obwohl mein Lebensgefährte an beiden Sachen sehr hängt, hat er ohne zu Murren die Tischlampe entfernt, damit die Pflanze da ihren Platz findet.
    Heute habe ich das Beerdigungsgedicht schön zum Ausdrucken gestaltet.
    Mit einem türkisem Hintergrund, der Lieblingsfarbe meiner Freundin.


    Ach Nora, Du fehlst mir so sehr.
    Mein Hund hat einen bösen Abzess am Hals und sie hätte mir etwas homöopathischen zur Unterstützung geschickt.
    Es ist im Moment unerträglich, ohne sie zu sein.
    Die Vorstellung, nie wieder zu ihr zu fahren, sie am Bahnhof zu sehen und sie zu umarmen.


    Sie hat mich immer verwöhnt, wenn ich kam.
    Sie selbst konnte wegen ihrer Allergie nur wenig essen, aber für mich hat sie jede Menge Leckereien eingekauft:
    Käse, frische Brötchen, Lakritz, Obst, Schokolade und Bier (obwohl sie selbst keinen Alkohol trank).
    Am Anfang hatte ich ein schlechtes Gewissen. Sie konnte vieles nicht essen und ich wusste auch, dass sie nicht viel Geld hat.
    Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass sie es aus Liebe tut und sich freut, wenn ich zulange.
    Und dann konnte ich mich in ihre Fürsorge fallen lassen, es war wie ein Eintauchen in wohlige Wärme.


    Ich schrieb schon, dass wir sehr unterschiedlich waren.
    Das betraf auch unser Wärmebedürfnis.
    Sie heizte ungern, denn ihre Allergien blühten bei Heizungsluft und Wärme. Darum lebte sie gerne in einer kühlen Wohnung.
    Ich hingegen liebe Wärme und friere sehr schnell.
    Beim ersten Besuch war es Winter und es war schweinekalt in Lüneburg. Eiskalt, minus 18 Grad.
    Und ich fror und fror und fror.
    Meinetwegen hatte sie die Heizung schon hochgestellt, aber es war für mich immer noch kalt.
    Ich klebte an der Heizung, sie wickelte mich in jede Menge Pullover und dicke Decken.
    Sie lief im T-Shirt herum und wir lachten über unsere Verschiedenheit.


    Wenn ich bei ihr war, hat sie alles dafür getan, dass ich mich wohlfühle.
    Sie brachte mir den Kaffee ans Bett, gab mir eine selbst gedrehte Zigarette, setzte sich zu mir und wir planten den Tag.
    Liebe pur.
    Zu mir konnte sie nicht kommen. Sie war auch gegen Katzen allergisch.
    Gerne hätte ich sie so verwöhnt wie sie mich. Sie fand, dass ich mit der langen Anfahrt sowieso den schlechteren Part hätte.
    Da lag sie falsch, denn ich wäre das Dreifache gefahren, um bei ihr anzukommen.


    Ich möchte meine Freundin wieder haben.
    Ich möchte mit ihr telefonieren können.
    ImMoment habe ich das Gefühl, ich kann es nicht ertragen. Dabei bleibt mir nichts anderes übrig.
    Es fühl sich an, als schlagen Schmerz und Trauer über mir zusammen.


    Ich liebe Dich so sehr und Du fehlst mir so.
    Nora.....

  • Liebe Britt,


    ich kann Dir meine bisher erlebten Phasen kurz schildern: die erste Phase (bis ca. 3 Wochen nach dem Tod) stand ich unter Schock. Danach glaubte ich in einem Alptraum zu leben und hoffte endlich aufzuwachen. Dann dachte ich, dass es jetzt Zeit ist, dass Andreas wieder kommt. Andreas ist aber nicht mehr zurück gekommen und dann ausgelöst an seinem Geburtstag Ende Juli eine äußerst schmerzhafte Phase, in der ich noch bin: die Endgültigkeit. Zu verstehen, das die geliebte Person nie wieder kommt. Das ich Andreas nie wieder sehen, hören, fühlen, riechen, mit ihm lachen, weinen ... kann.


    Das Begreifen dieser Endgültigkeit macht uns so zu schaffen. Mein Grundgefühl ist die Traurigkeit. Ich nehme sie an, kämpfe nicht dagegen und versuch so gut es geht einen Tag nach dem anderen zu überleben.


    So ein Verlust ist für unser Gehirn un-fass-bar und es braucht Zeit, bis dieser Schmerz sich in dankbare Erinnerung wandelt.


    Zu Deiner Freundin kann ich nur sagen: Der Himmel hat einen Engel zurück.


    Ich wünsche Dir viel Kraft,
    Liebe Grüße
    Susanne