Schon klar, dass man nicht nur klagen , sondern sich gegenseitig Mut zusprechen soll.
Aber, ich schreib hier nur, wenn ich schlechte Tage hab, ich schreib hier über Dinge, die ich sonst kaum anspreche. Ich weiß, dass jeder nur ein gewisses Mass an Erträglichen hat, deswegen denke ich, sollte ich nicht mehr über meine Trauer sprechen.
Es werden bald 21 Wochen und meine Umgebung wäre mit mir überfordert, würde ich darüber sprechen, was sich in mir abspielt.Abgesehen davon würde es keiner verstehen.
Ich will aber nicht mehr stark sein. Ich will nicht mehr kämpfen. Ich will den Anforderungen der anderen nicht mehr gerecht werden.
Ich möchte meinen Schmerz endlich mal rausschreien, bis mir die Stimme versagt. Ich will seinen Tod beklagen. Ich will darüber klagen, wie besch..... ich es finde, dass er einfach so sterben musste. Ich finde es besch.... meinem elfjährigen Sohn erklären zu müssen, warum er seinen Vater nicht mehr umarmen kann. Er braucht mich so sehr. Doch ich fühle mich manchmal erdrückt. Erdrückt, weil es zeitweise ein ziemlicher Kraftaufwand ist, meine Haltung zu bewahren.
Ich hör mich Gedanken denken wie, er möge jetzt sofort wieder kommen. Es war lange genug, dass er weg war, jetzt sollte er doch endlich wieder bei uns sein. Während diese Gedanken meine Gefühle übernehmen, weiß ich gleichzeitig, wie dumm diese Gedanken sind.
Die Schulferien neigen sich allmählich dem Ende zu. Der Herbst steht langsam vor der Tür. Wieder eine Veränderung. Wieder ein Zeichen, dass das Leben weitergeht, ohne ihn. Es kommt die Zeit der Diagnosestellung, die Zeit, der Therapien, die Zeit in der uns jedoch immer wieder gesagt wurde, dass alles gut ausgehen würde. Die Zeit, in der zum Erstenmal das Gefühl aufkam, dass sich alles für immer veändern wird. Dieses Gefühl schob man mit dem Verstand weg. Es verlief schließlich alles nach Plan. Kein Grund, sich allzu große Sorgen zu machen.
Wollte ich erst den Sommer nicht, so wiederholt sich jetzt das Ganze mit dem Einzug des Herbstes.
Noch immer fällt es mir schwer, seinen Tod zu aktzeptieren. Noch immer kämpft der Verstand mit dem Herzen. Noch immer ist das Verlangen ihm nachzugehen größer als mein Lebenswille.Nicht weil ich jetzt allein bin, es ist auch allein alles zu schaffen.Sondern weil er in dieser Welt keine neuen Spuren mehr hinterlasssen wird.
Ich fühle mich wie in einer Zwickmühle. Einerseits hoffe ich dass ich nicht mehr allzu lange hier bleiben muss, ihm bald folgen darf, weil ich nicht in einer Welt sein möchte in der er nicht mehr ist. Die Freuden des Lebens haben keine Bedeutung mehr. Ich will sie nicht mehr.
Andererseits, finde ich mein Verlangen moralisch ziemlich verwerflich und egoistisch unseren Kindern gegenüber.Welcher Schmerz würde ihnen zugefügt werden, wenn sie mich auch noch verlieren würden. Ein Teil will zu meinem Mann, der andere ist sich aber der Verantwortung die ich hier habe bewusst.
Natürlich macht man weiter. Man geht seinen Weg von dem man noch nicht weiß wohin er führt.
Ob es ein Leben danach gibt weiß man nicht. Es gibt Indizien dafür, aber keine Beweise. Genauso wie die Wissenschaft auch keine Gegenbeweise hat.
Doch sollte es ein Wiedersehen geben, dann möchte ich, dass mein Mann stolz ist darauf ist, wie wir hier alles gemiestert haben. Und allein schon diese Vorstellung ist es wert, weiterzumachen, sich aufzurichten und in seinem Sinne weiterzuführen.