Ich trauere immer noch

  • Hallo,

    ich habe beschlossen mich in diesem Forum anzumelden, da ich leider sonst keinen Rahmen habe wo ich über meine Trauer sprechen kann. Meine Mutter hat sich vor ca 7 Jahren selbst das Leben genommen, zugrunde lagen eine schwere Depression und eine starke Alkoholabhängigkeit. Ich war damals 16 (fast 17). Aufgrund ihrer schweren Erkrankung war ich einige Monate vorher ausgezogen. Und ab da nahm das Übel seinen Lauf. Wir hatten seit meinem Auszug kein gutes Verhältnis mehr. Zu meinen älteren Geschwistern ( Bruder und Schwester) hat es sich aber deutlich gebessert. Als ich ausgezogen bin, war das Jugendamt nicht sonderlich begeistert und beschloss meinen kleineren Bruder an sich zu nehmen. Meine Mutter hat niemanden so sehr geliebt wie meinen kleinen Bruder. Meine Kindheit war nicht schön, aber trotzdem hat mir meine Mutter sehr viel bedeutet. Meine älteren Geschwister sehen das anders, weswegen ich niemanden habe mit dem ich sprechen kann.

    Das ist so die Grundlage. Mich hat ihr tot schwer getroffen.Und das erste Jahr war ich ein emotionales wrack. Aber auch jetzt merke ich deutlich, wie sehr sie mir fehlt. Am liebsten würde ich weinen und schreien. Aber nichts kann diesem Schmerz Ausdruck verleihen. Es Quält mich, es ist wie ein Loch in meinem Inneren. Und ich fühle mich alleine. Trotz meines Mannes und meiner Geschwister / Freunde. Meine Geschwister teilen meine Trauer nicht, aufgrund unserer Kindheit, wo meine Mutter Fehler gemacht hat. Meist überkommt es mich in schwachen Momenten wie diesen, wo ich es einfach los werden möchte und nicht mehr weiter weiß.

    Ich vermisse sie so sehr, dass jeder Gedanke an sie unendlich weh tut. Ich habe oft Träume wo ich sie sehe, allerdings empfinde ich diese nicht als glücklich.

    Vielleicht gibt es hier Leute. Mit denen man sich austauschen kann, die diese Folte kennen.


    (Rechtschreibfehler dürfen behalten werden)

  • Hallo liebe Miep,


    eigentlich kann ich dazu nicht so viel sagen, weil das was du beschreibst nicht die normale Trauer zu sein scheint. Ich denke du hast den Freitod deiner Mutter damals nicht verarbeitet. Es war deine Mama, egal was sie getan hat. Wenn deine Geschwister das anders sehen, liegt das wohl daran dass sie emotional einfach anders sind als du. Ich denke fast du machst dir unbewusst Vorwürfe und gibst dir eine Mitschuld. Falls das so ist solltest du dich davon frei machen und wenn es durch eine Therapie ist. Sicher hat deine Mama Fehler gemacht, die machen wir alle. Dass es mit der Alkoholsucht so weit gekommen ist, hat sicher seine Gründe. Ihr ging es nicht gut, warum auch immer. Du darfst aber niemals denken dass du daran schuld sein könntest, weil dich das zerfressen würde.

    Vielleicht bist du auch manchmal sauer auf sie, weil sie freiwillig gegangen ist, weil sie dich verlassen hat. Lass all diese Gefühle raus, versuch nicht sie zu unterdrücken. Ich hab meine seelischen Schmerzen auch rausgeschrien und stell dir vor, das hilft.

    Ich wünsch dir Leute die ähnliches erlebt haben, die können deine Qualen besser verstehen als ich das könnte. Hab zwar auch einen geliebten Menschen verloren, doch das ist irgendwie anders, weil er gehen musste und nicht selber gegangen ist.


    Ganz liebe Grüße von Soraja

  • Liebe Miep,


    mir geht es heute ziemlich schlecht ( gesundheitlich ) und daher nur ganz kurz.


    Ich verstehe dich sehr gut.

    Meine Mama hat sich auch selbst das Leben genommen.Sie warf sich vor den Zug und damals war ich gerade erst 11 Jahre alt. Niemand sprach danach noch von ihr - es war, als hätte sie es nie gegeben:13::13: keine Worte, keine Tränen und ich durfte auch nicht mit zur Beerdigung. Eine Verarbeitung der Trauer könnte so nie richtig stattfinden und erst jetzt, jahrzehnte später, habe ich angefangen mit Hilfe einer Therapie ( psychosomatische Klinik) mich der ganzen verdrängten Trauer auseinanderzusetzen.


    Meine Mutter hatte auch schwere Depressionen ( ich später übrigens auch ) und Ich (als Kind ) habe sie versorgt. Saß am Bett, hielt ihre Hand und fühlte mich für sie verantwortlich! Eine zu große Belastung!!

    Mein Vater hatte zu dieser Zeit eine Geliebte, die er tatsächlich ins Haus brachte, keinen Hehl aus der sex.Beziehung machte und diese Frau auch schnellstmöglich nach dem Tod meiner Mutter in unser Haus holte , sie nach dem "angeblichen Trauerjahr" heiratete und uns in fremde Hände gab

    Wie du siehst waren wir auch eine kaputte Familie.


    Ich fange eigentlich erst jetzt an wirklich zu trauern, nach sooooo langer Zeit.Leider habe ich kein Bild von ihr - nur ganz verschwommene Erinnerungen an ihr Aussehen, an ihren Geruch, an ihre Art sich zu bewegen...


    Schlimm waren auch die Schuldgefühle, denn ich dachte immer: hätte ich mich noch mehr um sie gekümmert, hätte sie sich nicht umbringen müssen usw und so fort und ich hatte niemand mit dem ich sprechen konnte. Die ganze Sache wurde ja totgeschwiegen!!!! Suizid war Sünde!!


    Derzeit spreche ich gedanklich viel mit meiner Mutter. Führe Streitgespräche mit ihr, mache ihr Vorwürfe usw. Ich fühle mich manchmal um mein Leben, um meine Kindheit betrogen.....und gleichzeitig kann ich sie verstehen. Ich habe einen Selbstmordversuch hinter mir ( vor Jahren ) und war letztes Jahr sehr suizidgefährdet. ( jetzt nicht mehr!!!!!!) Ich weiß daher, wie man sich bei schweren Depressionen fühlt, kenne diese Hölle ( wünsche ich niemanden ), weiß, dass man in diesem Zustand glaubt, mit seinem Tod die Familie zu "retten". Unverständlich für die normalen" Menschen, aber für mich damals, war dieser Gedankengang richtig! Ich wollte meine Kinder von sooo einer Mutter befreien, dachte nicht daran was ich ihnen antue. ( Depressionsgedanken halt)

    Wahrscheinlich fühlte meine Mutter unter anderem ebenso und denoch mache ich ihr Vorwürfe!!! Shit.


    Ich schreibe dir das, damit du siehst, dass ich dich verstehe und mit dir fühle.


    Deine Trauer und wie sie sich zeigt ist ganz normal.


    Jetzt habe ich nicht die Kraft weiterzuschreiben - melde mich aber bald wieder, wenn du magst.


    In Gedanken drücke ich dich :24:


    mitfühlende Grüße

    blaumeise

  • Liebe Miep,

    ich habe meine Mutter vor 18 Jahren nach langer, schwerer Krankheit verloren und konnte damals nicht richtig trauern, ich war irgendwie nur erleichtert und wütend und habe mich vor mir selber erschrocken weil es so war.

    Allerdings hatte ich seitdem manchmal Tage und Stunden in denen ich ohne Grund so traurig war, dass ich mich stundenlang in den Schlaf geweint habe. Ich habe nie verstanden warum und habe sogar psychologische Hilfe in Anspruch genommen, ohne erkennbares Resultat, daher habe ich es wieder gelassen.

    Letzes Jahr im Juli ist mein Vater im hohen Alter von 93 Jahren gestorben, ich war bis zum Schluss dabei und die Trauer war friedlich und ich trauerte mit meinem Mann gemeinsam, deshalb haben wir unseren Kummer geteilt.

    Dieses Jahr im Juni ist mein Mann bei bester Gesundheit verunglückt, das hat mir so einen Schlag versetzt, dass mein Leben seitdem auch irgendwie vorbei ist. Tatsächlich lebe ich meinen Alltag ganz normal und kann auch alles machen, aber seelisch bin ich am Ende.

    Und jetzt erst dämmert es mir, dass ich die Trauer um meine Mutter so stark verdrängt habe, dass ich jetzt erst begreife, was in den letzten Jahren eigentlich mit mir geschehen ist.

    Ich habe viele Freunde und Bekannte um mich, die sehr besorgt um mich sind, aber wirklich verstehen tut mich nur eine Freundin, die vor vielen Jahren ihre Tochter bei einem Autounfall verloren hat. Alle anderen haben einen derartigen Verlust nie erlitten und können mich nicht wirklich verstehen.

    Das was ich jetzt erlebe ist eine sehr, sehr schmerzhafte Reise in mein Inneres, in der ich zwar von Außen Unterstützung erfahre, die ich aber im Grunde genommen ganz alleine bewältigen muss.

    Ich denke, dass es dir ganz genauso geht und wenn du die Unterstützung in deinem Umfeld nicht bekommen kannst, dann kannst du sie hier mit Sicherheit erfahren, soweit es eben in einem anonymen Forum möglich ist.

  • Liebe Miep,

    zuerst meine herzliche Anteilnahme und auch ein herzliches Willkommen hier bei uns.

    Deine Erzählung klingt für mich auf vielen Seiten nach viel Trauer. Die Trauer um die "perfekte" Familie, die sich doch insgeheim jeder wünscht, die Trauer um deinen Geschwister, die alles so anders sehen, weil sie eine andere Geschichte mit deiner Mama hatten, die Trauer um deinen Bruder, der von seiner Mama weg musste. Die Trauer um deine eigene Kindheit und den frühen Auszug. Die Trauer um deine Mama, die auf Grund ihrer Krankheit nicht so Mama sein konnte, wie du es dir gewünscht und sie vielleicht auch gerne gewesen wäre. Die Trauer um deinen Mama, die sich entschieden hat, dieses Leben zu verlassen und durch den Suizid dich und deine Geschwister endgültig allein gelassen hat.


    Wenn ich das hier so schreibe, dann wird mir selber ein bisschen schwer ums Herz. Ich wünsche dir, dass trotz der schweren Träume dein Schlaf erholsam sein kann.


    (Rechtschreibfehler dürfen behalten werden)

    Wir schreiben frei von unseren Herzen - so, dass es gelesen werden kann. Darum verkopf dich nicht. Schreib einfach so, wie du es denkst.


    Lg. Astrid.

  • Liebe Miep und alle, die von ihrer Trauer berührt wurden,

    auch mich habt ihr mit euren aufrichtigen Worten berührt und zum Nachdenken gebracht. Denn eines hat sich mir dabei erschlossen: Egal, wie eng die Beziehung zur Mutter zu Lebzeiten auch gewesen sein mag, mit ihrem Tod wird die seelische Nabelschnur getrennt und damit wird einem erst bewusst, dass man eigentlich ganz allein im Leben steht. Und dass es ganz allein um dich geht. Das Leben ist eine einzige Herausforderung, damit alles, was in dir steckt zum Vorschein und zum Ausdruck kommt. Denn, solange es nur in dir steckt, ist es nicht von Nutzen, weder dir noch anderen, ganz im Gegenteil, es bedrückt dich nur. Also. alles muss raus. Erst mal in Worten und dann mittels Taten. Beides befreit. Schritt für Schritt befreit man sich so von der Vergangenheit mit allen möglichen Bindungen, ob schönen und guten oder von unheilvollen und schmerzlich-tragischen, wichtig ist, dass man sich von allen alten zwanghaft weiter bestehenden Verbindungen löst, um sodann wieder, und darum geht es: um wieder voll und ganz im Hier und Jetzt zu sein. Denn erst dann und erst so findest du wieder zu dir und in dein Leben.

    Vergleichbar mit einem Menschen, der aus der Bewusstlosigkeit wieder aufwacht, denn da heisst es auch: Allmählich findet er wieder zu sich!

    In diesem Sinne, euch allen mitfühlende, trostreiche Grüsse

    Heinz-Maximilian