Meine Liebste ist gestorben. Nur noch Leere und Verzweiflung

  • Danke Karin, es tut gut, verstanden zu werden. Ich umarme Dich.


    Ach ja, 2018 verstarben dann auch die letzten Mitglieder unserer Selbsthilfegruppe bzw. deren Angehörige. Das gab dann auch jedes Mal einen Stich. Aber ich setzte alles auf die Behandlung mit Methadon, das hatten die anderen ja nicht genommen.


    Ob es schlussendlich etwas genutzt hat, kann ich nicht beurteilen, da es immer noch keine Studien dazu gibt. Zumindest hat es nicht geschadet und Silvia hat die mediane Lebenserwartung von 15 Monaten um 21 Monate überschritten.


    Liebe Grüße

    Josh

  • Lieber Josh,

    so viele Parallelen zu unserer Geschichte. Immer wieder Hoffnungsschimmer, dann wieder die schrecklichen Botschaften und Vorwürfe, man hätte es besser wissen / machen können.

    Du hast alles richtig gemacht.

    Weiterhin viel Kraft

    Liebe Grüße

    Petra

  • Lieber Josh,


    wir hatten das Glück neun Jahre geschenkt zu bekommen.

    Bei der Entfernung seiner Niere 2009 (Nieren CA) kam es zu Herzstillstand.


    Ein Jahr später wurden Melanome diagnostiziert,OP.

    !,5 Jahre habe ich Interferon gespritzt.

    Ruhe

    2011 Prostatakarzinom


    2011 erneut Melanome


    Lymphknotenbefall


    Inoperabel


    Chemotherapie


    Hirnmetastasen


    ja,so war unser Weg.


    Karin

  • Danke Petra.


    Alles richtig gemacht? Ich weiß es nicht. Und noch ist die Geschichte nicht zu Ende. Aber vielen Dank für die tröstenden Worte.


    Liebe Karin,


    neun Jahre sind eine furchtbar lange Zeit und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es lange dauert, das alles zu verarbeiten.


    Fühlt euch umarmt. Alle hier, die Kummer haben.


    Liebe Grüße

    Josh

  • Karin, das verstehe ich. Ich bin auch dankbar für die drei Jahre, die ich mit Silvia noch hatte und das bei relativ guter Lebensqualität. Mit furchtbar meine ich auch eher, die lange Zeit des Hoffens und Bangens verarbeiten zu müssen. Die ganze Last, die man während dieser Zeit mitträgt, abzuladen. So meinte ich das eher.


    Liebe Grüße

    Josh

  • Ihr Lieben,


    eigentlich wollte ich heute Silvias Krankengeschichte zu Ende schreiben, aber dafür fühle ich mich zu schwach. Ich sitze im Büro, habe meine ganze Arbeit zur Seite geschoben und habe Kopfkino. Die Tränen fließen heute ohne Unterlass.


    Gestern Abend konnte ich das erste mal diese Woche etwas essen. Ich machte mir einen Gurkensalat mit Feta, war aber nach der halben Portion schon satt. Den ganzen Abend wartete ich darauf, dass mein Handy piepst, dass irgendjemand fragt, wie es mir geht.


    Ich konnte mal wieder ein paar Zeilen lesen. Ich habe die "Hymnen an die Nacht" von Novalis gelesen, ich habe da eine schöne Ausgabe aus dem Jahr 1912, noch in Frakturschrift geschrieben.


    Heute auf der Fahrt zur Arbeit kam mir unvermittelt ein Erlebnis aus dem Februar oder März 2016 in den Sinn. Silvia kümmerte sich als einzige aus der Familie noch um ihren Vater, welcher Alkoholiker ist. Wie oft rief er nachmittags oder abends an, weil sie ihn aus der Kneipe abholen sollte, weil er schon wieder voll war. Es war etwas vier Wochen nach der Hirnoperation und ihr Gesicht war noch voller Hämatome, nicht mehr blau, aber grün und gelb. Zu der Zeit kam ihre Enkelin zur Welt und wir fuhren zu ihrer Tochter, damit sie ihr Enkelkind auf dieser Welt begrüßen konnte. Silvias Vater war auch da, sturzbetrunken. Er fragte mich, wen ich da mitgebracht hätte, ob es meine Mutter sei. Ich sagte, nein, das ist Silvia. Er wieder: "Ist das Deine Mutter?" Bleiernes Schweigen. Irgendwann sagte dann Silvias Tochter zu ihm, dass es Silvia sei. Da liefen dem betrunkenen alten Mann die Tränen über das Gesicht. Ich sollte ihn zum Glück bis zu Silvias Beerdigung nicht mehr sehen, und da erkannte er mich nicht mehr. Aber wenigstens kam er nüchtern.


    Das Wochenende steht wieder vor der Tür. Nachher hole ich ein paar Blumen und fahre wieder ans Grab. Erzähle ihr von meiner Trauer, meiner Angst.


    Heute Abend gehe ich wie jeden Freitag zu meinem Getränkehändler. Da stehen dann die Frau des Getränkehändlers und die Frau eines Mitglieds unseres Bouleclubs und trinken ihr "Wochenendbier". Das ist so sicher wie Ebbe und Flut. Ich nenne die beiden auch immer Ebbe und Flut. Flut hat im vergangenen Jahr beide Schwiegereltern und ihren Vater verloren, bei Ebbe starb kurz vor Weihnachten die Mutter. Da kann ich mich ausheulen, die beiden verstehen mich. Da hole ich mir die wöchentliche Umarmung ab.


    Vor dem Rest des Wochenendes habe ich Angst. Ich will doch einfach nur leben, einmal wieder zufrieden sein. Glück will ich gar nicht haben, Zufriedenheit würde mir reichen. Am Leben teilhaben.


    Kennt ihr den Film "Harold und Maude" mit der traumhaften Musik von Cat Stevens? Das gibt es eine wundervolle Szene, in welcher Maude zu Harold sagt:

    "Gib mir ein L. Gib mir ein E. Gib mir ein B. Gib mir ein E.

    L

    E

    B

    E

    Lebe. Sonst hast Du nach dem Spiel in der Umkleidekabine nichts zu erzählen."




    Ganz liebe Grüße euch allen.

    Josh

  • Lieber Josh,

    es tut mir sehr leid, dass du in so einem Tief steckst. Das kommt bei mir auch immer wieder, gerade zum Wochenende. Ich denke dann an die Liebe zu meinem Mann und dass die Trauer jetzt ein Teil meiner Liebe zu ihm ist. Für mich wird das weinen dann erträglicher, bekommt irgendwie einen Sinn. Ja, nur ein schwacher Trost, leider.


    Wenn ich darauf warte, dass mich jemand anruft, dann mache ich mit meinem Handy ein Foto von zum Beispiel einer gerade aufgeblühten Narzisse im Garten, schicke dieses Foto mit einem lieben Gruß an bestimmte WhatsApp Gruppen und bekomme prompt Nachrichten oder sogar Anrufe. Oder vielleicht einen bestimmten Artikel aus der Zeitung schicken, das entfacht manchmal große Diskussionen. Wäre das für dich auch eine Möglichkeit? Vielleicht versuchst du es mal? Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht .


    Ich bin seit 5 Monaten ohne meinen geliebten Mann und ich kann dir sagen, dass es bei mir ganz ganz langsam anders, erträglicher, wird. Für kurze Momente erst, aber man hat dann wieder ein wenig Hoffnung . Diese kleine Hoffnung trägt mich dann wieder ein Stück weiter.

    Zufriedenheit kann es wohl noch nicht geben, denn noch hat unser armes Herz den Schlag nicht verarbeitet. Gib dir Zeit, lieber Josh, damit die große Wunde in deinem Herzen langsam heilen kann.

    Ich wünsche dir ein erträgliches Wochenende :30:

    LG Petra


  • Liebe Petra,


    ich danke Dir aus ganzem Herzen für Deine mitfühlenden Worte. Es tut so gut, dass ich hier meinen Seelenschutt abladen kann und verstanden werde.


    Jetzt gehe ich ans Grab.


    Ich wünsche euch allen ein möglichst erträgliches Wochenende.

    Liebe Grüße


    Josh


    Vielen Dank auch an Dich, Astrid

  • Lieber Josh,


    auch Dir ein Wochende das sich ertragen lässt. Gerade in der freien Zeit die man früher genossen und zelebriert hat, tut sich jetzt eine große Leere auf.

    Das ist bei mir nach 9 Monaten und 3 Tagen immer noch so, obwohl ich an den Wochende nicht immer alleine bin.


    Nur diese Leerstelle in Unserem Leben ohne Unsere Liebsten vermögen andere Menschen nun einmal nicht zu füllen, sicher sind meine Zeilent kein Trost für Dich , aber mir hilft es hier im Forum schreiben zu können und zu wissen das ich nicht gänzlich alleine mit diesem dumpfen Gefühl der Verlassenheit bin.



    LG Gabi & Mäuschen

  • Liebe Gabi,


    vielen lieben Dank für Deine Zeilen.


    Ja, das Wochenende war erträglich. Sogar mehr als das. Es war sogar teilweise sehr schön.


    Der Freitag war furchtbar. Ich habe fast den ganzen Tag geweint. Am Abend holte ich mir meine zwei Umarmungen ab, aber die Nacht war dann wieder schlimm.


    Der Samstag begann furchtbar. Irgendwann beschloss ich dann, unter Leute zu gehen. Ich war ja schon seit Jahren nicht mehr abends einfach mal unterwegs. Ich setzte mich in meine alte Stammkneipe, trank zwei Bier und wollte gerade bezahlen, als eine liebe alte Bekannte reinkam, welche ich schon seit etwa 13 Jahren nicht mehr gesehen hatte. Sie umarmte mich, hielt meine Hand und ließ sie nicht mehr los, bis heute früh. Sie erzählte mir vom Tod ihres Sohnes und ihres Vaters, ich erzählte ihr Silvias Geschichte, wir haben zusammen geweint, uns umarmt, gemeinsam gelacht, gruben alte gemeinsame Erinnerungen aus, sie erzählte mir von ihren letzten 13 Jahren. Ich fühlte mich verstanden, sie fühlte sich verstanden. Wir haben geredet, geredet und geredet, die ganze Nacht und den ganzen Sonntag lang, bis wir gestern Abend dann vor Erschöpfung einschliefen. Und wir haben kleine Pläne geschmiedet. Eine gemeinsame Wanderung in zwei Wochen, auf welche ich mich schon sehr freue. Gemeinsames kochen. Eventuell ein gemeinsamer Urlaub.


    Sie hatte mir ja kurz nach Silvias Tod bereits geschrieben und mir ihre Hilfe angeboten. Ich hatte das leider für eine der üblichen Phrasen gehalten. So kann man sich irren...


    Ein kleiner Lichtblick. Ich wünsche euch auch viele Lichtblicke.


    Liebe Grüße

    Josh

  • Lieber Josh,


    es freut mich für Dich, das Du diese liebe alte Bekannte getroffen hast und ihr beiden Euch verstanden habt, wie sich wohl nur Menschen verstehen können, die ähnlich tragische Erfahrungen mit leben und sterben hatten. Über Erinnerungen an die verlorenen Liebsten reden zu können und zu wissen,ich werde tatsächlich verstanden ist ein Geschenk.


    Das Ihr beiden in Kontakt bleibt zusammen kochen und wandern wollt und sogar einen gemeinsamen Urlaub in Betracht zieht, hört sich gut an.


    Ich wünsche Dir das es so bleibt , Ihr Euch weiterhin unterstützt und füreinander da seid.


    LG Gabi & Mäuschen

  • Petra, Gabi und Josef, ich danke euch.


    Ja, es tut gut, einen Menschen zu haben, welcher mitfühlen kann. Ich bin unendlich dankbar dafür. Gibt es Karma? Sie geht eigentlich abends kaum mehr aus und ich sowieso nicht.


    Liebe Grüße

    Josh

  • Lieber Josh, deine Frage: Gibt es Karma ???

    Karma

    - deine Taten in diesem Leben entscheiden über deine Zukunft

    Karma nennen Hindus und Buddhisten ein Gesetz von Ursache und Wirkung.



    Danach zieht jede unserer Taten Folgen nach sich. Und zwar folgt auf jede Gute Tat eine schöne „Belohnung“ und auf jede schlechte Tat „zur Strafe“ Leid. Für beides sammeln wir getrennt „Punkte“. Haben wir genug Leid erlebt, wird die schlechte Tat „gelöscht“. Ebenso ist eine gute Tat irgendwann genug „belohnt“. Wir können jedoch nicht gute und schlechte Taten miteinander verrechnen, also eine schlechte durch eine gute Tat ausgleichen.



    Allerdings gibt es eine allgemeine Bilanz: Wer mehr Gutes als Schlechtes tut, besitzt danach ein gutes Karma. Das wirkt sich auch auf das nächste Leben aus. Ihm steht dann eine besondere Ehre zu und er darf auf ein angenehmes neues Leben hoffen. Vielleicht rückt er damit sogar der Befreiung aus dem Kreislauf der ewigen Wiedergeburt ein kleines Stück näher. Das ist das Ziel für Hindus und Buddhisten.



    Wer sich dagegen sehr oft schlecht verhält oder sogar einen anderen Menschen tötet, muss nach dem Glauben der Hindus und Buddhisten im nächsten Leben mit Armut, Krankheit, Katastrophen oder anderem rechnen. Vielleicht kommt er sogar als Tier wieder zur Welt.


    LG. Uwe

  • Danke, lieber Uwe.


    Ich hinterfrage ja derzeit den Sinn des Lebens und was danach geschieht. Daher auch meine Liebe zu dem Dichter Novalis. Dass die Seele oder der Geist des Menschen einfach ausgelöscht werden, kann ich mir nicht vorstellen.


    Liebe Grüße

    Josh