Hallo Julia,
deine Situation ähnelt meiner sehr stark! Ich habe am 21.09.19 meine Mama verloren. Da war ich 31 Jahre alt, mein zweites Kind gerade einmal 4 Monate alt. Ich bin vor zwei Jahren extra neben meine Eltern gezogen, weil ich meine Mama so sehr liebe und in ihrer Nähe sein wollte. Zwei Monate vor ihrem Tod wurde sie mit einer Blutgerinnungsstörungen ins Krankenhaus eingeliefert. Es ging ihr sehr schlecht. Doch nach Bluttransfusionen und Thrombozyten Transfusionen ging es ihr sofort besser. Allerdings verschlechterten sich ihre Blutwerte immer wieder. Sie wurde sofort isoliert. Man durfte nur in Schutzkleidung zu ihr. Kein anfassen, keine Umarmung...ihre Enkelkinder durften sie nicht besuchen. Ich konnte sie deshalb leider nur sehr selten sehen, da mein Mann Schichtdienst hat und unser Baby ein kleiner Schreihals war, den ich niemanden zumuten konnte. Sie durfte das Fenster nicht zum Lüften auf machen, weil es zu gefährlich war. Sie verbrachte die letzten 2 Monate ihres Lebens in einem von der Sonne aufgeheizten stickigen kleinem Zimmer, mit sterbenden Zimmernachbarn, ohne ihre Enkelkinder sehen zu dürfen und ohne körperliche Zuwendungen von uns. Diagnose: Aplastische Anämie. Es vergingen 8 Wochen bis zum Therapie Start, da die Ärzte noch andere Baustellen klären wollten, bei denen aber nichts bei rum gekommen ist. Viel zu lange gewartet, haben sie durch die starke Antibiotikagabe multiresistente Keime gebildet, die den Tod unserer geliebten Mama innerhalb weniger Stunden verursacht haben. Sie war in den 2 Monaten bei vollsten Bewusstsein und es ging ihr mit den Transfusionen gut. Doch als ich sie an dem Samstagmorgen nichtsahnend besuchen wollte, lag sie schon auf der Intensivstation. Das Piepen der ganzen Maschinen werde ich nie vergessen. Es war alles zu spät. Sie haben stundenlang versucht, ihren Kreislauf zu stabilisieren...ohne Erfolg. Plötzlich war sie tot. Meine Schwester hat geschrien, mein Bruder sie in die Arme genommen. Mein Vater saß fassungslos auf einem Stuhl und hat kaum noch Luft bekommen. Ich stand da einfach nur wie versteinert...ohne jegliche Reaktion.
Heute, 4 Monate später...
Wir versuchen unseren Papa so oft wie nur möglich zu besuchen. Denn ja, unsere Papas sind nun alleine und das ist sehr schwer für sie. Mein Vater schreibt immer wieder Emails ans Krankenhaus und die behandelnden Ärzte. Voller Wut, Trauer und Verzweiflung. Die Ärzte haben sogar schon uns Kinder kontaktiert, da sie sich Sorgen um den Gesundheitszustand unseres Vaters machen...
Ich denke wie du, mir wurden sicherlich 20 Jahre mit meiner Mama genommen. Und ich bin irgendwie sauer auf das Leben, weil einige Menschen, die schon so alt sind, ihre Mama immer noch haben und ich nicht. Und meine lieben Kinder, werden sich nicht an ihre Oma erinnern.
Es ist auch heute noch völlig unbegreiflich und unwirklich, was da geschehen ist. Und in meinen Gedanken male ich mir immer wieder ein Happy End aus. Und dann werde ich wieder an die schmerzliche Wahrheit erinnert.
Ich glaube, was uns im Vergleich zu einer Freundin von mir hilft, die das gleiche Schicksal teilt...wir haben Geschwister, mit denen wir den Schmerz teilen können und die sich auch um unsere Papis kümmern können. Und wir haben ein Kind, was dafür sorgt. Dass wir morgens aufstehen müssen und funktionieren. Und welches uns hin und wieder ablenkt und mit seiner süßen Art zum Lachen bringt. Kur nach dem Tod meiner Mama, sagte ich zu meinem Mann "Ich werde nie wieder glücklich sein. Am liebsten, will ich sofort tot umfallen, um diesen Schmerz nicht mehr zu spüren. Wenn mir ein LKW entgegenkommt, denke ich manchmal...einfach kurz nach links ziehen, dann hat es ein Ende". Das waren nur Gedanken, ich hätte es nie wirklich in Erwägung gezogen. Vor allem, würde ich meinen Kindern dann ja auch ihre Mutter nehmen. Wie egoistisch!
Ich könnte noch stundenlang schreiben...
Auf jeden Fall bist du nicht alleine! Ich hoffe, das Hilft dir. Aber der Schmerz wird sicherlich noch andauern...alles, was ich heute tue, auch wenn es was fröhliches ist, tue ich mit einer dunklen Wolke über mir. Mit einer schweren Last auf den Schultern. Alles ist getrübt...und das Wetter nimmt sehr stark Einfluss darauf. Hoffentlich bringt uns der Frühling wieder etwas mehr Freude ins Leben...
Es tut mir auf jeden Fall sehr leid, dass auch du diese schmerzhafte Erfahrung machen musstest. Ich umarme dich, so fest ich kann!
Linda