Meine Schwester ist von mir gegangen

  • Hallo zusammen,


    meine Schwester ist letztes Jahr am 3.11. gestorben...

    Es kam ganz plötzlich. Sie verstarb im Alter von 28 Jahren an einer Lungenembolie...

    Seit diesem Tag bin ich ruhelos..

    Ich finde den Sinn im Leben nicht mehr. Wir beide waren unzertrennlich, wie beste Freunde.

    Meine Gedanken kreisen jeden einzelnen Tag, in jeder einzelnen Minute nur um sie...

    Ich kann nicht verstehen und akzeptieren das sie nicht mehr bei mir ist.


    An dem Abend, bevor sie starb, war ich bei ihr. Sie hatte sich am 31.10 verlobt und wir wollten darauf anstoßen.

    Es war ein wundervoller Abend. Wir haben viel gelacht. Ihr Verlobter hat etwas gekocht und nach dem Essen haben wir zu dritt Monopoly gespielt.

    Ich bin erst nach 00 Uhr wieder nach Hause gefahren. Ich war so unfassbar müde, da ich vorher arbeiten musste.

    Ich wollte sie noch fragen, ob ich bei ihr schlafen kann. Hatte mich aber dann doch dagegen entschieden.


    Am nächsten Morgen ca. 08.30 Uhr hat mich meine Mutter mehrfach angerufen. Sie teilte mir mit weinerlicher Stimme mit, dass meine Schwester unter Reanimation ins Krankenhaus gekommen ist und das sie mich in 10 min abholen und wir dorthin fahren.

    Ich hatte noch gar nicht verstanden was sie mir grade erzählt hatte. Trotz allem bin ich aufgesprungen und habe mich schnell angezogen. Währenddessen liefen mir die Tränen von der Wange.


    Auf dem Weg ins Krankenhaus saß ich hinten im Auto und habe mir immer wieder gesagt "bitte nehmt sie mir nicht weg."

    Als wir dort ankamen sind meine Mutter und ich sofort aus dem Auto gesprungen. Wir sind hinein und gingen zu einem Infopunkt. Dort haben wir nach meiner Schwester gefragt. Die Dame die dort saß schaut uns schon sehr betroffen an und sagte uns wo wir hin müssen.

    Wir saßen direkt vor dem Schockraum, in dem meine Schwester behandelt wurde. Ihr Verlobter saß schon dort und wartete. Er weinte ganz bitterlich. Eine fremde Frau versuchte ihm etwas Trost zu spenden.

    Aus diesem Raum hörte man die ganze Zeit ein pumpendes Geräusch. Ich kann es schlecht beschreiben, habe es aber noch in Erinnerung, als wäre es gestern gewesen...

    Ich erinnere mich daran, dass dieses Geräusch irgendwann weg war...

    Danach hat es nicht mehr lange gedauert bis der Arzt raus kam.

    Er brachte uns in einen Raum und teilte uns mit das es meine Schwester nicht geschafft hat. Ich konnte das nicht begreifen...

    Wir wollten dann direkt zu ihr. Sie lag noch in dem Schockraum und erst da begriff ich...

    Wir wurden wieder raus gebeten. Sie wollten sie noch etwas zurecht machen und in einen ruhigeren Raum bringen.

    In der Zwischenzeit bin ich immer wieder raus aus dem Krankenhaus. Ich habe meinen besten Freund angerufen und meiner besten Freundin bescheid gegeben. Anschließend habe ich meine Großeltern informiert...

    Danach haben wir uns noch sehr lange von meiner Schwester verabschiedet. Ich habe ihr immer wieder über die Wange gestreichelt und ihr gesagt wie lieb ich sie habe...


    Es war der schrecklichste Tag in meinem Leben...


    Auch heute wünsche ich mir noch das es ein Alptraum ist und ich endlich aufwache. Ich möchte sie in den Arm nehmen, ihr sagen wie sehr ich sie liebe und brauche und vor allem soll sie mich nie wieder so erschrecken.

    Die ersten paar Wochen stand ich unter Schock. Ich habe nur funktioniert und nichts gefühlt.

    Wir hatten ziemlich viel Stress mit der Planung der Beerdigung. Es war alles sehr turbulent...


    Meine Schwester wurde 3 Wochen nach ihrem Tod beerdigt. Wir haben einen wundervollen Ort gefunden, den ich einmal die Woche besuche. Das ist der einzige Ort der mir etwas Energie gibt.

    Die Beerdigung war wunderschön. Wir hatten einen freien Redner, der sich vorab mit uns getroffen hat und ein paar wundervolle Worte über sie gesagt hat. Außerdem hat eine Freundin ein Lied für die gesungen ~ Let it go - Frozen ~. Ihr Verlobter hat eine Rede gehalten sowie ich auch. Sie wollte dieses Jahr im Mai heiraten und ich sollte ihre Trauzeugin sein. Ich habe für sie die Rede gehalten, die ich an ihrer Hochzeit gehalten hätte...

    Meine Schwester und ich waren wahnsinnige Disney Fans. Unser Lieblings Film ist König der Löwen. Wir haben uns sogar den Spruch " Hakuna Matata" aufs Bein tätowieren lassen. Daher haben wir ihr zu Ehren das Titellied dieses Filmes spielen lassen.


    Nach der Beerdigung wurde mir dann vollends klar, dass das Geschehene nie mehr rückgängig zu machen ist...


    Seit dem wandle ich nur noch. Ich spüre keine wahre Freude und kein Glück mehr.

    Es erscheint mir alles so sinnfrei. Ich wäre so gerne wieder mit ihr vereint, doch darf ich nicht. Das ist für mich die reinste Folter.

    Jeder neue Tag ist für mich einfach verloren. Manchmal schaffe ich es gar nicht aufzustehen. Ich hatte ständig emotionale Zusammenbrüche.

    Dieser Schmerz ist unerträglich. Ich habe das Gefühl daran kaputt zu gehen. Wenn es zu schlimm wird, ertränke ich jedes Gefühl im Alkohol.

    Daher entschied ich mich, dass alles zu verdrängen. Ich habe den Verlust meiner Schwester in eine innere Kiste gepackt und den Deckel ganz fest verschlossen. Ich erlaube mir nicht dass alles real werden zu lassen. Ich will es einfach nicht.


    Meine Mama und ich haben Kur beantragt. Das ist momentan mein einziger Lichtblick. Ich komme hier nicht zur Ruhe. Ich stürze mich in die Arbeit und lenke mich damit ab.


    Ich habe oft das Gefühl die Last der Welt liegt auf meinen Schultern. Ich muss für jeden da sein und mich zusammenreißen.

    Ich kann nicht darüber reden, da ich niemanden nerven oder zur Last fallen möchte...


    Meine Schwester war immer die Starke von uns...

    Ich wünschte mir jeden Tag es hätte mich getroffen und nicht sie. Wenn ich könnte würde ich sofort, ohne zu zögern, mit ihr tauschen.

    Sie hat mich wahnsinnig geliebt und ich denke sie wäre ebenso am Boden zerstört gewesen. Aber grade weil sie so stark war, weiß ich dass sie es überstanden hätte.


    Sie und ich haben so verdammt viel zusammen durchgestanden. Wir hatten es in der Familie nicht sehr leicht. Wir haben viel Schmerzvolles erfahren. Zusammen haben wir es immer geschafft. Wie soll ich das jetzt alleine schaffen?

    Ich will das alles doch gar nicht...

    Mir wird klar, dass ich irgendwann ganz allein sein werde..

    Ich fühle mich so einsam ohne sie.

    Es ist so unfair das sie sterben musste. Grade jetzt, wo ihr perfektes Leben begonnen hätte.

    Es quälen einen dadurch so viele Ängste...


    Ich bin einfach am Boden zerstört und weiß nicht mehr was ich noch tun soll.

    Ich bin einfach nur noch eine leblose Hülle, denn sie hat einen Teil von mir mitgenommen...

  • Liebe Hisy,

    Dein Verlust tut mir unglaublich leid <3 Du schreibst sehr berührend über deine Schwester, und auch deine Beschreibung der Abschiedsfeier bescherte mir eine Gänsehaut.


    All deine Gefühle die du beschreibst sind völlig normal. So ein plötzlicher Verlust ist ein Schock. All das durcheinander, und auch das du es nicht wahrhaben willst sind völlig natürliche Reaktionen. Es dauert bis wir begreifen können was passiert ist. Bestimmt tut euch die Kur gut. Hast du sonst noch jemanden der dich etwas unterstützt und ein wenig Halt gibt?


    Hier bist du willkommen, und kannst dir jederzeit alles von der Seele schreiben <3

    Isabel

  • Vielen lieben Dank für deine Antwort und dein Verständnis!<3

    Es tut gut sich diese Gefühle mal von der Seele zu reden.

    Ich finde es toll das es so ein Forum gibt! Wir teilen hier alle ein schlimmes Schicksal. Man fühlt sich gleich weniger alleine! Danke dafür!<3


    Ich habe viele sehr liebe Freunde an die ich mich jederzeit wenden könnte. Jedoch bin ich immer sehr gehemmt. Ich möchte niemanden nerven oder zur Last fallen. Mir fallen in jedem Gespräch Dinge über meine Schwester ein. Ich verkneife es mir dann diese Dinge auszusprechen.


    Ich habe in der Vergangenheit schon einiges durchgemacht und habe immer alles mit mir selbst ausgemacht. Das war nicht immer die Beste und gesündeste Variante...

    Mir war das immer klar. Aber es war mein Weg. So bin ich bis jetzt durchs Leben gestolpert.


    Ich bin so wahnsinnig hin und her gerissen. Einerseits würde ich gerne wieder meiner bisherigen Variante nach gehen. Anderseits hat meine Schwester es verdient das ich die Trauer zulasse und ich es schaffe das irgendwann zu verarbeiten.

    Sie würde wollen das es mir gut geht.

    Ich habe wahnsinnige Angst vor dieser Gefühlsflut.


    Mir fehlt ihre Stärke...

    Sie wusste immer wie man die Dinge angehen muss.

  • Ich bin so wahnsinnig hin und her gerissen. Einerseits würde ich gerne wieder meiner bisherigen Variante nach gehen. Anderseits hat meine Schwester es verdient das ich die Trauer zulasse und ich es schaffe das irgendwann zu verarbeiten.

    Sie würde wollen das es mir gut geht.

    Ich habe wahnsinnige Angst vor dieser Gefühlsflut.

    Liebe Hisy,

    Ja, das verarbeiten ist ganz wichtig- denn gehen wir nicht durch die Trauer, holt sie uns irgendwann ein und dann kommt diese Flut erst recht. So kannst du jetzt Schritt für Schritt durchgehen. Die Gefühlswellen werden immer wieder kommen, mal stärker, mal weniger stark. Da ist das Einlassen darauf wichtig, und vielleicht hast du schon Methoden entdeckt wie du mit starken Emotionen am besten umgehst. Ob es das Schreiben ist, oder Musik, Bewegung, Gespräche, vielleicht ein Trauercafe..?! Probier aus was dir helfen könnte...


    Ich wollte dich noch aufmerksam machen, das es ein öffentliches Forum ist, und jeder dein Foto sehen kann. Du kannst auch gern ein Symbolbild verwenden, zum Schutz deiner Privatsphäre. Ich übernehme im Forum die Moderation, deshalb ist mein Foto drin. Damit ihr ein Gesicht zu mir habt...


    Komm gut durch den Tag <3

    Isabel

  • Hallo Isabel,


    Ich wünschte nur, es gäbe eine Anleitung für das Trauern. Ich weiß oft nicht wo ich anfangen soll. Ein Gefühl überflutet das nächste. Ich bin damit total überfordert. Manchmal kann ich die Gefühle gar nicht auseinander halten. Ist es Wut, Verzweiflung, Schmerz oder Angst, Welche mich grade niederschmettert.


    Ich habe vor ein paar Tagen wieder angefangen zu zeichnen. Meine Schwester hat meine Zeichnungen geliebt. Das ist meine einzige Möglichkeit wirklich zu zeigen wie es mir geht. Es nutzt mir auch als eine Art Ventil. Danach geht es mir ein kleines bisschen besser. Ansonsten packe ich meine Tage so voll wie möglich. Somit bin ich den ganzen Tag abgelenkt und habe keine Zeit zusammenzubrechen.


    Vielen Dank fürs Hinweisen! :)


    Wünsche Dir auch einen schönen Tag <3

  • Oh, Singen ist auch eine tolle Variante! Dabei kann man auch seine Emotionen fließen lassen. Meine Mutter und ich hatten uns entschlossen ein Instrument zu lernen. Zum einen, weil wir begriffen haben wie schnell ein Leben vorbei sein kann und zum Anderen um uns abzulenken. Sie hat nun Klavier- und ich Geige Unterricht. Mein Ziel ist es meiner Schwester, an ihrem Grab, zu ihrem Geburtstag Happy Birthday spielen zu können.

  • hallo Hisy07,


    dein verlust tut mir sehr, sehr leid!

    auch ich habe meine schwester verloren, vor ca. 18 monaten, aber manchmal ist es wie gestern.


    du schreibst:

    Ich wünschte nur, es gäbe eine Anleitung für das Trauern. Ich weiß oft nicht wo ich anfangen soll. Ein Gefühl überflutet das nächste. Ich bin damit total überfordert. Manchmal kann ich die Gefühle gar nicht auseinander halten. Ist es Wut, Verzweiflung, Schmerz oder Angst, Welche mich grade niederschmettert.


    das habe ich mir auch häufig gewünscht, aber leider gibt es das nicht. mich schmettern auch diese gefühle einfach so nieder, mitten drin, auf der arbeit, im auto, im supermarkt...ich weiss nich genau, wie ich damit umgehen soll, aber ich versuche, dann den gefühlen den raum zu geben, die sie brauchen oder den ich brauche...und habe gemerkt, dass weinen hilft.


    das war bis vor ein paar wochen nicht so, aber es ist plötzlich besser geworden. auch gehe ich neuerdings in einer trauergruppe, in der wir verschiedene tätigkeiten machen (kochen, wandern, gespräche), das hilft schon. ich habe früher auch alles mit mir selbst ausgemacht und ausser in diesem forum gar nicht mit jemandem groß darüber gesprochen, weil mit meinen eltern kann ich nicht, und mit meinen freunden möchte ich es nicht immer, denn die haben so einen verlust noch nicht erlebt und haben eben schwierigkeiten nachzuvollziehen, was man durchmacht. das war bei mir früher (als meine schwester noch lebte) auch so, ich wusste nicht, wie sich das anfühlt.


    ich glaube, es ist nicht gut, alles nur mit sich selbst auszumachen.

    hast du noch geschwister? wie gehen deine eltern damit um? oder freunde? sind sie eine stütze und können dich trösten? es hilft unheimlich, mit anderen zu sprechen, die einen verlust erlitten haben oder sogar das gleiche erfahren mussten: nämlich den verlust der geschwister, wo gleichzeitig noch ein stück kindheit verloren geht, finde ich.

    erst gestern habe ich durch zufall erfahren, dass die schwester meiner arbeitskollegin auch im sommer 2018 verstorben ist, und wir konnten uns gut austauschen. man hat plötzlich eine gemeinsame ebene, das hat mir sehr geholfen, und ich glaube, ihr auch.


    auf jeden fall kannst du hier alles loswerden, was dich bedrückt!

  • Oh, Singen ist auch eine tolle Variante! Dabei kann man auch seine Emotionen fließen lassen. Meine Mutter und ich hatten uns entschlossen ein Instrument zu lernen. Zum einen, weil wir begriffen haben wie schnell ein Leben vorbei sein kann und zum Anderen um uns abzulenken. Sie hat nun Klavier- und ich Geige Unterricht. Mein Ziel ist es meiner Schwester, an ihrem Grab, zu ihrem Geburtstag Happy Birthday spielen zu können.

    Eine wundervolle Idee... <3:saint:

  • Hallo Sunbabe,


    danke für Deine Antwort! Dein Verlust tut mir ebenfalls wahnsinnig leid. 😢

    Wie Du schon sagtest, mit dem Verlust von Geschwistern geht ein Stück Kindheit verloren. Man verliert nicht nur eine Bezugsperson sondern auch den besten Freund. Jemanden der einen in und auswendig kennt und der sein Leben lang an deiner Seite war...

    Die Tatsache dass das jetzt einfach weg ist, ist unvorstellbar und surreal.


    Ich habe Angst davor diesen Gefühlen Raum zu lassen und einfach zu weinen. Ich glaube dir das es hilft, nur bin ich da sehr gehemmt.


    Ich gebe Dir recht, dass es schwierig ist mit seinen Freunden, die diesen Verlust nicht erlebt haben, darüber zu sprechen. Sie wollen einem nur helfen und können es leider nicht. Für mich ist es sehr schwer zu ertragen, wenn mir gesagt wird "Du bist stark, du überstehst das."

    Ich möchte aber nicht stark sein. Ich möchte das sie wissen, dass ich innerlich zerbrochen bin. Und das wissen sie auch. Trotzdem habe ich immer das Gefühl es nie deutlich zeigen zu können, da ich mich wieder zusammenreiße und ein Lächeln aufsetzte.


    Ich war bis jetzt einmal bei einem Gespräch, was mir sehr gut getan hatte obwohl es auch anstrengend war.

    Alleine bekomm ich mich oft nicht überwunden es weiter zu verfolgen. Zwischendurch gibt es dann immer wieder diese völlig Gefühlsleeren Tage, an denen ich denke "ach, heute brauch ich das nicht" und kurze zeit später bereue ich es wieder.


    Meine Mama besucht Trauercafes und versucht sich intensiv mit der Trauer auseinanderzusetzten. Ihr Mann macht auch vieles mit sich selbst aus. Daher kommt es dort öfters mal zum Streit und sie sucht dann Zuflucht bei mir.

    Meine Schwester und ich sind in etwas komplizierteren Familienverhältnissen aufgewachsen. Fakt ist aber das meine Mama, meine Schwester und ich ein eingeschworenes Team waren. Wir drei gegen den Rest der Welt. Meine Mama hatte den Part der Löwen Mutter, meine Schwester war die Starke, die uns vor jedem und allem beschützt hat und ich war die Gutmütige und sanfte Seele. Wir haben uns perfekt ergänzt.


    Seit dem meine Schwester nicht mehr da ist habe ich das Gefühl, dass so viel auf meinen Schultern lastet. Es ist schwer zu beschreiben. Vielleicht weißt du ja was ich damit meine.


    Ich bin wirklich froh dieses Forum gefunden zu haben. Es ist schön sich mit euch und euren Erfahrungen zu unterhalten. Sich gegenseitig zu stützen und zu wissen dass man nicht alleine ist. <3

  • Hallo Hisy


    danke das du deine Geschichte mit uns Teilst.

    Ich kenne deine Situation leider zu gut. Ich hab meinen Bruder vor ~4 Monaten verloren

    Es ist wahsinnig schmerzhaft. Vor allem wenn man, wie du, ein sehr gutes Verhältnis hatte.

    Es fehlt einfach DIE Bezugsperson die man sein ganzen Leben hatte. Der man so vieles erzählt, gezeigt und mit der man viel unternommen hat.

    Ein normaler Alltag ist unmöglich da ein großer Teil komplett herausgerissen wurde.


    Ich habe gelesen du hast einige Dinge wiederaufgenommen oder angefangen. Ich finde das großartig. Das zeichnen zur Bewältigung und in schöner Erinnerung an deine Schwester. Wobei ich mir vorstellen kann das die "Ich hätte ihr das jetzt gezeigt" Momente sehr schmerzhaft sind.

    Und dein Ziel zu ihrem Geburtstag "Happy Birthday" spielen zu können ist glaube ich eine fantastische Idee :)


    Ich verstehe das du mit Freunden nicht so offen reden kannst. Ich kann und möchte das auch nicht. Die meisten haben da nicht so richtig das Verständnis oder versuchen irgendwelche Ratschläge zu geben die man eh schon 10 mal gehört hat und einen nicht weiter bringen. Die wenigsten haben (zum Glück) diese Erfahrung gemacht und wissen wie man richtig damit umgeht.

    Daher such dir Menschen zum reden. Hier ist ja schonmal ein guter Ort dafür. Das Angebot an Trauerhilfe für hinterbliebene Geschwister ist leider sehr klein. Ich war jetzt z.B. 2 mal bei unserem Lokalen Hospitzdienst der auch Trauerbegleitung anbietet. So eine Einrichtung könnte evtl noch eine Anlaufstelle für dich sein.


    Liebe Grüße :)

  • Zitat

    Seit dem meine Schwester nicht mehr da ist habe ich das Gefühl, dass so viel auf meinen Schultern lastet. Es ist schwer zu beschreiben. Vielleicht weißt du ja was ich damit meine.

    Ja, das weiß ich.

    ich bin einiges älter als du, und so langsam kommen die sorgen um meine eltern, die älter werden. ich habe mir immer vorgestellt, dass wir die sorgen teilen, und vor allem, dass ich nichts alleine entscheiden muss, wenn mal was passiert. das wir uns gegenseitig trösten, wenn meine eltern sterben. aber es sollte nicht sein.


    meine mutter ist eine narzisstin und es ist nicht immer leicht mir ihr, ich habe häufig mit meiner schwester über sie gesprochen und das geht auch nicht mehr und so habe ich keinen, mit dem ich mich austauschen kann. die ganzen familiensachen 'lasten' irgendwie alleine auf mir...plötzlich ist man einzelkind.


    ich kann es auch nicht fassen, dass sie nicht mehr da ist. ich denke manchmal, ach, gleich rufe ich sie an und dann fällt es mir weider eine, der ganze albtraum und ich erschrecke mich innerlich sosehr mit körperlichen reaktionen. ich meine, sie war älter so wie deine schwester auch und man war von geburt an zusammen und hat alles geteilt. kindheit, erinnerungen, eltern, zuhause, alles!

    ich will und wollte sie noch so viel fragen....


    ich sehe es ähnlich wie Frydeloni, in selbsthilfegruppen/trauergruppen wird man verstanden, man redet oder weint oder lacht zusammen. das befreit irgendwie. zumindestens für den moment...

  • Zitat

    Das Angebot an Trauerhilfe für hinterbliebene Geschwister ist leider sehr klein.

    Ja, das kann sein. In 'meiner' trauergruppe haben alle ihren Partner verloren, eine frau ihre mutter. eine frau allerdings hat 2 schwestern verloren!! unanbhängig voneinander...

    es ist zwar was anderes, aber in der gruppe über einen verlust zu reden ist gut, auch wenn es bei den anderen nicht die geschwister waren. der verlust ist trotzdem groß.

  • Hallo Frydeloni,


    Es tut mir wirklich sehr leid, dass Du deinen Bruder verloren hast...

    4 Monate sind auch noch überhaupt keine Zeit...es ist nichts im Vergleich zu der Zeit die wir jetzt alleine auf dieser Erde bewältigen müssen. Und es kommt, zumindest mir, alles sehr viel länger vor. Ich stehe noch am Anfang von allem und das ohne sie erleben zu müssen, kann ich mir einfach nicht vorstellen.

    Ich habe mich sehr auf die Hochzeit meiner Schwester gefreut und auf ihre Kinder. Man muss dazu wissen, dass sie nie welche wollte. Doch jetzt wo sie den einen Mann gefunden hat, hat sie sich eine wundervolle und glückliche Zukunft mit 2 Kindern vorstellen können. Sie hatte mir sogar bereits die Namen, die sie ihnen geben wollte, verraten. Ich wäre sehr gerne Tante geworden...


    Mit dem Zeichnen gebe ich dir recht. Ich würde ihr die Zeichnungen gerne zeigen. Oder wenn ich lustige Bilder sehe - muss sie es auch sehen, da ich weiß sie würde auch lachen. Sie hatte ein ganz außergewöhnliches Lachen. Dieses Lachen hat man unter jeder Menschenmenge heraus hören können.


    Ich habe mich heute mit einer Arbeitskollegin unterhalten, mit der ich sonst weniger zu tun habe. Sie hat mir ein bisschen aus ihrem Leben erzählt. Die Arme hat auch schon viel durchmachen müssen. Wir hatten auf einmal einen ganz anderen Draht zueinander, da ich jedes ihrer Gefühle nachvollziehen konnte und sie jedes meiner. Das hat wirklich gut getan. Ich denke das eine Trauergruppe vielleicht wirklich das richtige wäre.

  • Ja, das weiß ich.

    ich bin einiges älter als du, und so langsam kommen die sorgen um meine eltern, die älter werden. ich habe mir immer vorgestellt, dass wir die sorgen teilen, und vor allem, dass ich nichts alleine entscheiden muss, wenn mal was passiert. das wir uns gegenseitig trösten, wenn meine eltern sterben. aber es sollte nicht sein.

    Guten Abend Sunbabe,


    das ging mir auch schon durch den Kopf. Ich stehe irgendwann alleine da. Es wird alles an mir alleine hängen bleiben. Das macht mir große Angst. Ich versuche den Gedanken etwas beiseite zu schieben. Aber er ist trotzdem allgegenwärtig.


    Ich kann deine Last bezüglich der Familiensituation sehr gut nachvollziehen! Ich hatte in den letzten Wochen auch immer wieder Situationen, über die ich sonst mit ihr gesprochen hätte. Es ist eben auch nur sie, die es verstehen kann. Sie ist ja in der gleichen Familie aufgewachsen. Ihr muss ich nicht diese und jene Umstände erklären. Sie wusste es ja alles selbst und war damit der perfekte Gesprächspartner.


    Ich verstehe dich Sunbabe. Ich hätte meine Schwester auch gerne noch einiges gefragt oder Dinge mit ihr erlebt.


    Anfangs hatte ich etwas geteilte Meinung über Trauergruppen, da es dort eben nicht nur Leute gibt, die ihr Geschwister verloren haben. Jede Liebe und Bindung ist doch etwas anders. Ich finde man kann die zwischen zwei Liebenden oder Eltern und Kind nicht mit der zwischen Geschwistern vergleichen. Das alle die gleiche Trauer durchmachen ist klar. Aber da ist doch immer dieser eine feine unterschied. Außerdem hatte ich Angst meine eigene Trauer zu untergraben, wenn vielleicht jemand vor mir steht, der meines Erachtens nach ein viel härteres Schicksal hatte. Vielleicht hätte ich dann das Gefühl von "Stell dich nicht so an - es gibt Leute denen geht es viel schlechter als dir" bekommen.

  • Ich habe mich heute mit einer Arbeitskollegin unterhalten, mit der ich sonst weniger zu tun habe. Sie hat mir ein bisschen aus ihrem Leben erzählt. Die Arme hat auch schon viel durchmachen müssen. Wir hatten auf einmal einen ganz anderen Draht zueinander, da ich jedes ihrer Gefühle nachvollziehen konnte und sie jedes meiner. Das hat wirklich gut getan. Ich denke das eine Trauergruppe vielleicht wirklich das richtige wäre.

    Wenn ich gefragt werde, was in der Trauer wirklich hilft, dann kristallisiert sich fast immer heraus, dass es verständnisvolle Gespräche sind.

    Oft wurde an dieser Stelle bereits festgestellt, dass jeder anders trauert und Tipps nur sehr individuell gegeben werden können.

    Aber immer wieder helfen Gespräche mit Menschen, die die Situation wirklich beurteilen können, weil sie selbst betroffen waren oder sind. Das erklärt ja auch die hohe Akzeptanz und Beliebtheit dieses Forums.

    In unserer schweren Krise sind wir allzu oft mit einem Umfeld konfrontiert, dass vielleicht noch wohlwollend ist, aber tiefes Verständnis vermissen lässt. Das merke ich daran, dass interessierte Nachfragen Tage später nicht mehr stattfinden.

  • ja, Irgendwann denkt dein Umfeld das es dir wieder gut geht, da man vielleicht mal einen guten Tag zwischendurch hatte oder mal lachen konnte. Aber Fakt ist, dass es einem nie mehr auf die gleiche unbeschwerte Art und Weise, wie vor dem Verlust, gehen wird. Menschen die das gleiche oder ähnliches durchleben oder durchlebt haben verstehen einen sehr viel besser. Das merke ich hier ganz besonders

  • Ja, das Umfeld sieht leider nur das, was sie sehen wollen. Das ist für sie einfacher und sie müssen sich dann nicht

    mit Tod und Sterben auseinander setzen. Sie sehen die Mundwinkel, welche sich bei dem Trauernden leicht nach oben

    ziehen, sehen aber dabei nicht die toten und traurigen Augen. Sie sehen nicht, dass kein Leuchten bei diesem er-

    zwungenen Lächeln dabei ist. Sie spüren auch nicht, dass Du innen drin tot bist und reden einfach drauf los. Du antwortest

    zwischenrein, wenn Dein Gegenüber mal eine Pause einlegt, mit einem kurzem aha, oder ja und weist eigentlich gar nicht

    worüber die Person wirklich geredet hat und schon wird weiter geredet. Manchmal habe ich damals auch die Welt nicht

    mehr verstanden. Alles war wichtiger, nur meine Mutti, die wurde im wahrsten Sinne des Wortes totgeschwiegen.

    Aber es gab Gott sei Dank ein paar wenige Ausnahmen und dafür war ich sehr, sehr dankbar.

    Ja das Thema Tod und Trauer schreckt sehr viele Menschen ab. Sie wollen es nicht an sich ran lassen bis sie irgendwann

    selbst betroffen sind. Leider.

    Alles Liebe

    Kornblume

  • Hallo Hisy,


    nein 4 Monate bzw in einem Fall 3 Monate sind keine Zeit.

    Es ist schade zu lesen das sich ihr Leben so verändert hat und es auch solche (gute) Auswirkungen auf dich gehabt hätte und die ganze Vorfreude die du hattest auf Ereignisse wie die Hochzeit, Tante werden usw.

    Ich möchte mir garnicht vorstellen wie es ist den Menschen SO aus heiterem Himmel zu verlieren.

    Ich hatte "zum Glück" Vorbereitungszeit und einige Zeit ihn bis zum Tod zu begleiten.


    Hast du versucht dir "Ersatz" zu suchen für die Bilder? Also jemandem dem du die lustigen Bilder, die du ihr zeigen würdest, zeigen kannst? Einfach damit sich das dieses Gefühl nicht in Luft aufgeht sondern du den weg trotzdem gehen kannst? Das hat mir Teilweise geholfen. Das ist eine schöne Erinnerung an ihr Lachen :) und ich glaube du kannst dich auch in freunde (die zwar noch weh tut) daran erinnern.


    Ja vor allem Menschen mit ähnlicher Erfahrung tun in dieser zeit sehr gut. Die Verbindung ist ganz anders und viel tiefer.

    Wenn es eine gibt wäre es auf jeden Fall einen versuch wert. Nur wahrscheinlich (So ist es zumindest bei mir in der Region) wird nur Gruppen für Partner/Eltern geben. Da musst du dann für dich Entscheiden ob du das möchtest. Der