Hallo ihr Lieben,
ich habe die letzten Wochen viele eurer Beiträge gelesen und auch ab und zu kommentiert. Es ist wirklich alles sehr rührend...
Nun möchte ich euch meine Geschichte erzählen, da ich gerade wieder ein paar schlimme Tage habe.
Es war ein heißer Sommertag Ende Juli. Mein Mann hatte frei und und jnser zweiter Sohn war gerade 2 Monate alt (ich bin 31 Jahre alt). Wir waren im Freibad, als ich plötzlich einen Anruf von meiner Mama bekomme. Sie erzählt mir, dass ihre Blutwerte sehr schlecht sind und sie in die Uni Klinik gebracht wird. Es ging ihr die letzten Tage schon nicht so gut. Wir haben vor 3 Jahren neben meinem Elternhaus gebaut und ich hatte die ganzen Tage schon ein ungutes Gefühl, wenn ich sie so krank gesehen habe. Es war irgendwie anders, als eine normale Krankheit.
Diagnose nach 2 Wochen Test...sehr schwere aplastische Anämie. Es ging ihr dank der zahlreichen Bluttransfusionen und Thrombozyten sehr gut. Die Ärzte waren voller Zuversicht, dass sie in einem Jahr wieder fit ist. Bevor sie mit der immunsupressiven Therapie starten wollten, haben sie noch ein Ct von ihrer Lunge gemacht. Da haben sie ganz viele Sachen entdeckt, die dort nicht hingehören. Kein Therapiestart. Wieder bangen um ihr Leben. Nach 3 misslungenen Bronchoskopien und einer am Ende erfolgreichen Punktion der Lunge...ein sehr langsam wachsender, harmloser Tumor, der schon mindestens 20 Jahre alt ist. Wieder aufatmen...keine Gefahr. Mittlerweile sind 5 Wochen vergangen. Vor Therapiestart ein erneites Ct. Lungenveränderung. Kein gutes Zeichen. Erneute misslungene Bronchoskopie...nach 8 Wochen dann, der riskante Start an einem Montag, ohne zu wissen, was es in der Lunge ist. Die ersten 3 Tage ging es ihr sehr gut. Als ich sie dann am Samstag, den 21.09.19 endlich besuchen wollte, rief meine Schwester an...völlig aufgelöst. Sie war schon um 8:30 Uhr morgens da, hatte ein ungutes Gefühl. Und so war es...sie kam gerade in das Zimmer meiner Mutter. Überall standen Ärzte. Sie hat keine Luft mehr bekomme. Und wurde sofort auf die Intensivstation gebracht. Bis 17 Uhr saßen wir da und warteten, dass wir Information bekommen. Der Arzt kam raus und sagte, so etwas habe er noch nie erlebt. Er hat es nicht geschafft ihren Kreislauf zu stabilisieren. Alle Organfunktionen wurden mittlerweile von Maschinen übernommen. Ihr Gehirn hat bereits Schaden genommen. Sie werden die Maschinen nun ausschalten. Es war ein Schock. Meine Schwester hat geschrien und auf einen Stuhl eingeschlagen. Mein Bruder hat versucht sie zu trösten. Mein Vater saß hilflos auf einem Stuhl, hat geweint und gesagt, er wünschte, er wäre es, nicht sie. Wir kamen in diesen Raum, das piepen der Maschinen geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Sie lag da, auf dem Bauch, das Blut lief aus ihrem Mund in den Beatmungsschlauch...es war so furchtbar...
Meine geliebte Mama, ich vermisse dich soooo unfassbar doll. Was soll das nur werden ohne dich...
Ganz schlimm für sie war, dass über die ganzen Wochen keine Kinder zu ihr durften. Ihre geliebten Enkelkinder...sie hat sie nicht mehr sehen dürfen. Und wir...nur in Schutzanzügen. Kein streicheln, keine Umarmung...dann der stickige Raum, im Hochsommer, Lüften durfte sie nicht. Zu gefährlich, dass Pilzsporen oder ähnliches ins Zimmer kommen. Ein überfülltes Krankenhaus, also nicht mal ein Einzelzimmer. Andere sehr kranke Menschen im Zimmer, die ebenfalls Besuch bekamen. Alles ein hohes Risiko, sich irgendwas einzufangen. Mein Mann arbeitet im Schichtdienst, deswegen konnte ich sie auch nicht so oft sehen. Immer nur 2 mal die Woche für 2 Stunden circa. Viel zu wenig. Und wir haben über so unwichtige Dinge gesprochen. Und meist nur über diese grausame Krankheit. Wir haben verdrängt, dass sie sterben könnte und gedacht, wenn es soweit sein sollte, haben wir noch genug Zeit, uns zu verabschieden. So war es leider ganz und gar nicht.
Zurzeit funktioniere ich, wie eine Maschine. Die Kinder Zuhause, kaum Zeit zum Nachdenken und Trauern. Niemand merkt mir was an. Aber ich habe Angst, irgendwann völlig Zusammenzubrechen.
Viele Grüße,
Linda