Hallo zusammen,
ich heiße Anna, bin 24 und musste am 21.01.21 von meinem geliebten Papa Abschied nehmen. Er wurde im letzten Jahr zu meinem Geburtstag mit Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert, aber für uns alle war klar: Er schafft das! Alle die ihn kennen, kennen keinen Menschen, der so stark ist wie er. Und für mich ist er immer noch der stärkste Mensch. Er musste eine harte Chemotherapie hinter sich bringen und die Coronasituation hat es uns nicht leicht gemacht, uns regelmäßig zu sehen. Die letzten Monate ging es ihm immer wieder etwas schlechter, er war sehr erschöpft und müde - Die Chemo hat ihn hart getroffen. Im November hab ich ihn das letzte Mal gesehen. Ich war ihn besuchen, wir waren spazieren, haben uns unterhalten und zusammen gelacht - wie immer. Danach haben wir uns immer wieder Treffen vorgenommen, aber er war einfach zu schwach und er wollte nie, dass ich ihn so sehe. Wir hatten fast täglich Kontakt, immer nur kurz und die Treffen haben wir immer aufgeschoben. „Wenn es mir wieder besser geht, treffen wir uns.“ Ich war mir sicher, dass alles wieder wird. Er hat auch immer wieder gesagt, dass es ihm besser geht. Da wusste ich noch nicht, dass er schon wusste, dass ihm wahrscheinlich nicht mehr viel Zeit bleibt. Er hat es niemandem erzählt. Er kam schließlich mit einer Lungenentzündung ins Krankenhaus. Palliativstation. Er hat uns erzählt er wird begleitend dort behandelt. Dass er dort seine letzten Tage verbringen würde wusste niemand. Er wollte nicht, dass ihn jemand im Krankenhaus besuchen kommt. Nicht seine Töchter, auch nicht seine Frau.
Und dann, am 20.01.21 muss ich morgens ganz unerwartet ins Krankenhaus kommen. Seine Frau hat mich angerufen und gesagt ich soll herkommen. Und da liegt er. Mein Papa - der Held meiner Kindheit - schwach, abgemagert, müde, an Schläuchen angeschlossen. Ich breche sofort in Tränen aus und laufe zum Bett. Wir reden, ich halte seine Hand und er macht immer wieder Scherze - wie immer. Bis zum letzten Atemzug hat mein Papa seine dummen Witze gemacht, dafür liebe ich ihn. Er schläft immer wieder ein, weil er so erschöpft ist und „träumen will“. „Das ist nicht mein Papa“, geht mir immer wieder durch den Kopf. „Wann kommt mein Papa durch die Tür und sagt, dass das alles ein schlechter Scherz ist?“, frage ich mich. Immer wieder sagt er, wir sollen gehen. „Ist euch nicht fad?“ Er will allein sein. Irgendwann sind meine Halbschwester und ich dann in sein Haus gefahren, um in der Nähe zu übernachten damit er seine Ruhe hat.
Am nächsten Morgen sind wir wieder ins Krankenhaus gefahren. Da wurde mir klar: Ich muss mich verabschieden. Es kann jederzeit passieren. Er konnte aber nicht gehen, solange ich da war. Er wollte einfach nicht, dass ich dabei bin. Als ich nach einer Stunde Pause von dieser unbegreiflichen Situation beschlossen habe, noch einmal zu ihm zu gehen haben alle schon gemeint, dass er so tief schläft und auch nicht mehr ansprechbar ist. Ich setzemich zu ihm, sagte den anderen, dass ich gerne noch einmal allein mit ihm sein möchte. Ich nehme seine Hand und sage: “Papa, ich hab dich so lieb. Aber ich hab keine Angst. Du darfst jederzeit gehen, wenn du willst. Das ist kein Abschied, wir bleiben in Verbindung.“ Ich rede weiter und plötzlich drückt er meine Hand, öffnet die Augen und lächelt mich an. Er klopft auf seine Brust. „Soll ich dich umarmen?“ Er nickt. Ich umarme ihn. Es war so schön. „Danke“, bringt er noch raus, aber es ist soo anstrengend für ihn zu sprechen. „Papa, du musst nichts mehr sagen. Es ist alles gesagt.“ Er nickt wieder. Ich umarme ihn nochmal, er gibt mir ein Bussi auf die Wange. Ich geb ihm ein Bussi auf die Wange und er klopft mir mit der Hand aufs Gesicht. Ich weiß, dass er will, dass ich nachhause gehe. „Soll ich gehen, Papa?“ Er nickt. Ich umarme ihn nochmal. Er lächelt. Ich ziehe meine Jacke an, gehe nochmal zu ihm und drücke ihn ein letztes mal. Frage noch einmal „Bist du sicher, dass ich nachhause gehen soll?“ Er nickt wieder. Wir schauen uns an und ich sage „Papa, du musst bitte weiterschlafen, sonst kann ich nicht gehen.“ Er schläft ein. Dann bin ich zu meiner Mama gefahren und um halb vier morgens ist er gestorben - friedlich eingeschlafen.
Die letzte Woche ging es mir okay, aber jetzt merke ich, wie die Botschaft langsam ankommt. Mein Papa ist gestorben. Ich kann es nicht verstehen. Ich kann nicht glauben, dass ich ihn nicht mehr sehen werde. Ich verliere zum ersten Mal in meinem Leben einen geliebten Menschen und ich verstehe die Welt nicht mehr. Ich bin unendlich dankbar für diesen unglaublich schönen Abschied, der uns geschenkt wurde, aber ich bekomme Flashbacks von diesen unerträglichen Bildern aus dem Krankenhaus. Das ist nicht mein Papa für mich. Mein Papa ist ein lebensfroher, gesunder, aufgeweckter und lustiger Mann, der unendlich viel Energie hat. Ich bin am Boden zerstört und weiß nicht, wie ich den Gedanken akzeptieren soll, dass er einfach weg ist. Mir laufen die Tränen runter und gleichzeitig kann ich nichts davon glauben. Wenn mein Handy läutet, denke ich manchmal, dass mein Papa mich anruft. Ich will mit ihm sprechen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich keinen Papa mehr habe. Ich bin unglaublich erschöpft und weiß manchmal nicht wohin mit mir. Stück für Stück kommt hoch, was da eigentlich passiert ist und dann sitze ich da und schüttel den Kopf, weil ich es einfach nicht glauben kann. Er ist viel zu früh gegangen und der Schmerz ist viel zu groß. „Was kommt da noch alles auf mich zu?“ frag ich mich. Ich bin sprachlos und erschüttert. Er wird für immer fehlen.
Vielleicht könnt ihr mir mit euren Geschichten helfen und ich hoffe ich kann auch irgendjemandem helfen.