Hallo an alle
mein Vater ist vor 4 Wochen verstorben und diese Woche ist die Beerdigung und ich frage mich ständig "Darf ich überhaupt trauern?" Schließlich hatten wir so wenig Kontakt und dennoch traf mich die Nachricht seines Todes mit voller Wucht. Es ist ein bisschen schwieriger zu erklären, aber ich versuche es mal zu beschreiben.
Meine Mutter hat sich von ihm getrennt als ich 4 Jahre alt war, weil er schwer depressiv war (er hatte eine bipolare Störung). Wir hatten als Kinder kaum Kontakt zu ihm, nur Besuche in der Psychiatrie, die dann aber auch aufhörten. Immer wieder in meinem Leben versuchte ich dann sporadisch den Kontakt aufzubauen, aber durch seine psychische Erkrankung hielt der Kontakt immer nur sehr kurz. Zuletzt hatten wir uns vor ca, 10 Jahren gesehen. Ich bin nun 37 und selbst Mami eines kleinen Jungen und als ich vor kurzem dann meine Tante kennenlernte (seine Schwester) die ich auch zuvor nie gesehen hatte kam in mir der Wunsch auf, ihn doch noch einmal zu kontaktieren. Also rief ich zwei Wochen vor seinem Tod bei ihm an und wir redeten ein bisschen. Ihm ging es gesundheitlich nicht so gut, er hatte gerade eine Lungenentzündung hinter sich. Irgendwas in mir sagte, ich will ihn besuchen. Doch ich tat es nicht, da ich in Norddeutschland lebe und er in Bayern. Ich hatte mir vorgenommen ihn in meinem Sommerurlaub mit meiner Familie zu besuchen, damit er auch seinen Enkel sieht.
Und dann kam am 13.6. die Nachricht, dass er plötzlich verstorben war.
Seither bin ich vollkommen neben der Spur, aber ich versuche zu funktionieren, auf Arbeit und für meine Familie. Doch in mir kreisen immer wieder die selben Gedanken: Warum bin ich nicht einfach meinem Impuls gefolgt und habe ihn besucht? Auch wenn er nicht oft Teil meines Lebens war, habe ich ihn immer vermisst und zeitweise nur aus Stolz, weil er sich als Vater ja mal melden müsse den Kontakt wieder abebben lassen. Jetzt denke ich, ich habe so viel Zeit verschenkt und nun ist es zu spät.
Oft frage ich mich auch, ob ich wirklich trauern darf, weil wir keinen kontinuierlichen Kontakt hatten und ich immer denke, man darf nur um Menschen trauern, denen man nahe stand. Doch irgendwie tief im innern stand ich ihm ja auch nahe auch wenn wir wenig Kontakt hatten, immerhin war er mein Vater und ich habe ihn so oft vermisst.
Ich hoffe das war nicht alles zu wirr, aber es tat schonmal gut das alles mal mitzuteilen.
Vielleicht gibt es ja ähnliche Erfahrungen!?
Danke fürs Zuhören!
Julien