Mein wundervoller Sohn

  • Guten Morgen

    Ja ich habe Gefühle, sie werden aber die meiste Zeit von gefühlskälte überlagert.

    Ich hatte letzten Monat Geburtstag,es war einfach nur furchtbar,ich hab mich so unglaublich schlecht und schuldig gefühlt, weil ich 41 werden muss ,und mein Sohn nicht einmal ein Jahr,oder eine Woche.Er hätte soviele Jahrzehnte vor sich gehabt mit Lebensfreude.Alles Sachen von denen ich keine Ahnung mehr habe.

    Auch schuld ,meine Schuld daran ist ein großes Thema für mich.Rational gesehen hab ich alles gemacht aber sie ist trotzdem da.

    All das sind Gefühle,aber die will ich nicht ,ich brauche postive Gefühle, nur die kommen ja nicht einfach so.

    Zumindest eine Sache ist besser geworden ,meine Rachsucht gegenüber den in meinem Augen ,anderen Schuldigen.


    Ich wünsche euch eine schönen Samstag

  • Mütter.....fühlen sich schuldig. Das geht wahrscheinlich fast allen so. Wir sind von der Natur dazu bestimmt, auf unsere Kinder aufzupassen. Sie mit unserem Leben zu beschützen. Wenn das nicht gelingt... wem geben wir die Schuld? Wer hat dieses furchtbare Unrecht verursacht? In den allerallermeisten Fällen NICHT die Mutter!! Auch in deinem oder meinem Fall nicht. Die vermeintliche Schuld ist ein Versuch unseres Unterbewusstseins, für unser Kind Verantwortung zu übernehmen. So lange wir uns schuldig fühlen, haben wir noch das irdische Mutterband. Wenn die Schuld weg ist, ist dann nicht auch das Kind weg? Was bleibt dann noch, von unserer Verbindung? ---- die Liebe bleibt! Sie bleibt und bleibt und bleibt! Und je nachdem, was du glauben kannst ist sie wechselseitig. Je nachdem, was du glauben kannst, bleibt auch das Kind für immer. Und die neue Beziehung hat keine Verwendung für Schuld. Sie wird unnötig.

    Die Gefühlskälte ist ein Schutzmechanismus. Manche Schutzmechanismen sind sinnvoll für eine Zeit. Manche müssen sanft aufgelockert werden, denn sie drohen uns zu erdrosseln. Ich wünsche dir weiterhin alles Gute!!

    Unsere Toten sind nicht abwesend nur unsichtbar,

    sie schauen mit ihren Augen voller Licht in unsere Augen voller Trauer.

    Es gibt ein Wiedersehen auf einer anderen Ebene.

    Und die Seelen unserer Vorausgegangenen begleiten uns

    Aurelius Augustinus

  • Ich schreibe hier einfach mal meine Gedanken auf ,also nicht unbedingt beachten.

    hier kann ich halt jederzeit darauf zurück greifen.


    Als mein Sohn gestorben ist ,lief eigentlich alles noch normal ab.Die Schockstarre ,das tiefste entsetzen.

    Dann kam die Trauer ,und ich glaube ab da bin ich falsch abgebogen und zwar in eine Einbahnstraße.

    Ich war nur damit beschäftigt irgendwie zu überleben.Dann kam eine Zeit wo Ablenkung das A & O war.

    Ich habe mich nie wirklich damit auseinander gesetzt ,ich hab es hingenommen ,klar war soll man sonst machen.

    Seit fast einem Jahr hänge ich fest und es wird immer schlimmer.Aber ich mache schon wieder den gleichen Fehler ,ich lerne es einfach nicht!!!

    Ich bin krank geschrieben schon seit Monaten,aber im Prinzip arbeite ich.Ich gehe drei mal am Tag mit dem Hund meiner Nachbarin gassi aber noch besser ist ,ich habe seit Dezember auch einen Hund hier,zwar nur vorübergehend weil sein Herrchen im Krankenhaus war und erstmal fit werden musste.Jetzt Ende des Monats ist seine Zeit bei mir vorbei.

    Genau das passiert weil es bequemer ist als sich mit der Realität auseinander zu setzten.


    Ich ernte was ich gesät habe.Und war das ich wieder nur im Überlebensmodus bin.In diesem stecke ich so fest das ein "normales " leben nicht mehr möglich ist.

    Nach wie vor würden Außenstehende im Traum nicht daran denken welche kämpfe ich kämpfe.

    Ich muss und das erhoffe ich mir von der Traumatherapie aus diesem Fluchtmodus raus ,ansonsten wird mein Körper irgendwann aufgeben.

    Ich kann nicht trauern weil ich einfach damit beschäftigt bin den Tag ohne größeren Schaden zu überstehen.

    Heute scheint die Sonne ,aber sie dringt nicht zu mir durch.


    Kleiner Nachtrag am Abend

    Heute hab ich den ganzen Tag überlegt ,wann ich mich ernsthaft mal hingesetzt habe und wirklich mal drüber nachgedacht habe.Wann habe ich getrauert.

    Gar nicht ,entweder ich habe es vergessen oder es hat niemals stattgefunden.

    Ich habe immer an Jason gedacht,das hat sich bis heute nicht geändert.Ich habe damals auch viel medizinisches gelesen und auch verstanden das diese Art von Komplikation so selten ist ,das es sogar Ärzte gibt die es nur aus ihren Lehrbüchern kennen.

    Erinnerung finden in Form von Flashbacks statt, natürlich Erinnerung die ich nicht ungefragt bekommen möchte und deshalb versuche ab zu wehren und mein Bedarf an Erinnerungen erstmal gedeckt ist ,ob positive oder negative muss aber auch sagen es gibt ja kaum bis keine positive Erfahrungen aus der Tragödie. Ich kam ja von der Traufe in den Regen.

    Eigentlich gibt es ja gar nichts positives außer die Schwangerschaft an sich und das er schon eine richtige Persönlichkeit war....

  • Ich Versuche jetzt mal meine persönlichen Erinnerungen nieder zu schreiben,nicht so wie am Anfang unter Schock und was weiß ich nicht alles


    Ich wache eines Morgens auf und denke ,ich habe das erste mal ,beim fünften Kind einen Blasensprung

    Es war nicht irgendein Tag ,es war auf dem Tag genau einen Monat vor seinem Entbindungstermin.Aber nicht nur das ,es ist auch der Geburtstag seines Opas (Vater)

    Ich suche mein Handy ,um die Taschenlampe an zu machen und was ich dann sehe verschlägt mir den Atem ,nach kurzem Sekunden des Schocks ,schreie ich nur das mein Kind stirbt.

    Mein Mann ruft den Rettungswagen ,sie sind auch relativ schnell da ,und ab da beginnt die Inkompetenz,sie stehen mit mir noch eine halbe Stunde vor der Tür ,die versicherten Karte ist das wichtigste.

    Fragen mich mehrmals wie oft ein Schwall Blut kam.

    Er redet von einem Babypass,noch nie von gehört, bis ich in meinem durcheinander verstehe das er den Mutterpass meint.

    Irgendwann sind wir los gefahren ,das war das letzte Mal das ich gespürt habe ,wie Jason sich bewegt.

    Die zwei Idioten bringen mich in die Notaufnahme weil laut ihrer Aussage ,dieses Krankenhaus nichts vor der 38ssw macht.

    Irgendwie bin ich dann mal im Kreissaal gelandet und bin auch sofort dran gekommen ,(eine super nette Hebamme ,bei dieser habe ich mich hinter her noch bedankt das sie so ruhig geblieben ist ,das hatte mir sehr geholfen ).

    Sie hat versucht ein CTG zu schreiben ,konnte keine Herztöne finden ,in dem Augenblick kam ein Arzt ,ob zufällig oder nicht weiß ich nicht.

    Er hat sofort ein Ultraschall gemacht,was gefühlt nur 3 sec gedauert hat.Sagt minimale Herztöne,kickt das Ultraschgerat weg und rennt raus mit dem Wort "Notsectio"

    Ich habe gar nicht verstanden was gerade abgeht ,sofort musste ich nur einen Raum weiter.Leider haben die Sanitäter oder was auch immer sie waren,mir nicht mal einen Zugang gelegt.Ich erinner mich noch das mit jemand ne ganze Flasche Jod über den Bauch geschüttet hat. Wo zur Hölle kamen diese ganzen Menschen her.Der OP war voll und das innerhalb von einer Minute.

    Bis zum Einschlafen hatte ich meinen Mann im Kopf der wegen Corona noch immer vor der Notaufnahme stand.


    So das reicht für's erste schön wäre es wenn die Geschichte hier zu Ende wäre natürlich mit einem lebenden Kind

  • Liebe Jason's-Mama,


    ich mag mir überhaupt nicht vorstellen wie diese Situation für Dich war.

    Ich kann absolut nicht ganz nachvollziehen warum dir nicht sofort losgefahren sind oder Notarzt informiert haben.

    Verstehe ich nicht.

    Diese anderen Dinge wie Versicherungskarte Mutterpass kann man doch ganz sicher auch später erledigen.

    Ich nehme doch an das Dein Mann/Ex Mann ebenfalls hinter her gefahren ist ins KH.

    Das verstehe ich überhaupt nicht in so einer Situation.

    Ich kann das nicht nachvollziehen jede Sekunde wäre da wichtig gewesen.


    Aber all das hilft Dir nicht, all das ändert rein gar nichts an Deinem Weltuntergang.


    Vlg. Linchen

  • Liebe Jason's-Mama,


    ich hab mal auf Seite 1 bei Dir nachgelesen was eigentlich die Ursache dafür war.

    Ich hab etwas im Internet googeln müssen.

    Es sieht leider so aus das wenn es nicht erkannt wird und das wird es wohl häufig nicht es dann oft leider mit diesem Ausgang verläuft den Du leider erleben musstest.


    Ein guter erfahrener hätte es auf dem Ultraschall gesehen aber all das ist für Dich und Jason zu spät.

    Es tut mir unendlich leid.

    Vielleicht wäre es anders besser ausgegangen wenn die einfach schneller los gefahren wären und Du viel schneller im KH und im Kreißsaal angekommen wärst.


    Meine Güte.....mir fehlen die Worte um zu beschreiben wie grausam und unmenschlich ich das finde.:33:


    Vlg. Linchen

  • Ja, ein Insertio Valementosa + Vasa Preavia ist wenn es unentdeckt bleibt tödlich für das Baby .

    Ein Insertio Valementosa wird oft nach Geburten festgestellt ,hatte aber keine Konsequenzen weil die, eh nicht geschützen Gefäße nicht so weit unten waren. Zum Glück wissen die meiste Mütter nicht wie viel Glück sie hatten.

    Aber selbst mit dem heutigen Wissen hätte ich ihn wahrscheinlich nicht retten können.Damals habe ich Ärzten noch vertraut ,das ist heute ganz anders.Vorallem war ich ja bei der Feindiagnostik,da stand sicher nicht im Vordergrund Trisomien auszuschließen,da selbst bei einer bestehenden Trisomie oder anderen Erkrankungen keine Konsequenzen entstanden wären.Ich hätte ihn bekommen.Ich wollte einfach nur die Sicherheit um evtl.komplikationen vorzubeugen und natürlich auch wissen wie es ihm geht.Keiner hat seine Not gesehen !!


    Aber das hier kam so unerwartet und mit so einer Wucht.

  • Genau die Gedanken ,wenn wir früher in der Klinik gewesen treiben mich in den Wahnsinn. Da kam auch diese Wut her ,sogar ne Art Rachsucht .Für mich sind diese zwei inkompetenten Mitarbeiter des Rettungsdienstes mit Schuld an dieser Tragödie.


    Nur bringt Wut mich nicht weiter, und macht mich zu einer verbitterten Frau ,das kann und darf nicht mein Ziel sein, für mein Leben ohne Jason.

  • Zweite Teil der Erinnerung


    An diesem Tag hatte ich mein zweites böses erwachen.

    Ich bin irgendwo im Flur wach geworden.An meinem Bett stand mein Mann,ich sage Mann weil wir damals noch zusammen waren.

    An meinem Fußende stand die Narkoseärztin die meinte ich muss auf die Intensivstation.Keine Ahnung was ich da sollte aber so weit kam es nie.


    Dann kam der Kinderarzt und meinte zu meinem Mann das er froh sein kann das ich noch lebe.

    Und dann hat er sich an mich gerichtet.Ich dachte ich falle in Ohnmacht ,er meinte Jason musste reanimiert werden und hat Blutkonserven bekommen und wird runter gekühlt.

    Er hat noch mehr gesagt aber das hab ich vergessen.Ich habe gar nicht das Ausmaß verstanden.Dann kam noch die Ärztin die mich operiert hat ,und sagte ,sie habe meine alte Kaiserschnitt Narben ausgeschnitten und wieder schön oder sowas in der Art gemacht.


    Die Ärzte hatten Probleme einen intensiv-Platz für Jason zu bekommen der ja schon voll beatmet wurde.Es stand im Raum das er nach Goslar geflogen wird.

    Am Ende konnte er nach Hildesheim und wurde von den Ärzten der Bult Kinderkrankenhaus Hannover dorthin gebracht.

    Vorher durfte ich ihn noch mal sehen,ich habe sofort angefangen zu weinen,es war ein furchtbarer Anblick,seine Augen haben immer geflattert ,später habe ich erfahren das das epileptischen Anfälle waren ,die nach dem Sauerstoffmangel im Bauch weiter sein Gehirn geschädigt haben.


    Mein Kind war also weg ,und ich wurde direkt auf ein Zimmer gebracht.

    Ich war so geschockt über alles ,ich kann gar nicht in Worte fassen wie es mir ging ,sowas hab ich noch nie erlebt.

    Sollte dann irgendwelche Tabletten nehmen,leider hab ich durch die Narkose so gezittert das alle runter gefallen sind.

    Dann hab ich meinen Mann losgeschickt,er soll nen Rollstuhl besorgen,gesagt und getan ,habe mich da rein gekrepelt und dann erstmal raus.

    Noch nie hab ich in meinem Leben so Kette geraucht wie in der nächsten halben Stunde,immer noch am Zittern von der Narkose.

    Abends lag ich wieder im Bett und da kam die Nachtschwester ,sie hat mir erzählt das sie einen behindertes Kind hat und das es besser wäre wenn er jetzt stirbt.

    Ich habe so geweint ,sie meinte es nicht böse hat mich auch in den Arm genommen.Sie hat mir aber auch gesagt das ich gleich am nächsten Tag zu Jason fahren kann

    Muss mich halt selbst drum kümmern wie ich dahin komme.Und genau das habe ich getan.

    Abends hatte das Krankenhaus von Jason angerufen,es müsste sofort ein Elternteil kommen ,es sieht sehr schlecht aus.Mein Mann konnte ohne mich nicht.

    Wir sind direkt morgens gefahren

  • Teil drei


    Wir sind gleich morgens losgefahren ,waren um 9:00 in Hildesheim ,die Fahrt war eine Stunde.

    Bevor wir ins Krankenhaus durften mussten wir erstmal nen Corona Test machen.Im Nachhinein haben wir erfahren das wir beide den aufgrund dieser kritischen Situationen für Jason nicht hätten machen müssen.

    Es war schlimm ,ich hatte ja erst 24 std.vorher den Kaiserschnitt ,habe auch keine Tabletten genommen ,die am Tag davor waren ja runtergefallen.Und wir sind zu früh gefahren für neue.


    Wie kommen auf der Intensivstation an und werden gleich vom Chefarzt abgefangen.Wir mussten in einen seperaten Raum ,in dem hat er uns das schlimmste gesagt was man hören kann.

    Das Jason es wahrscheinlich nicht schaffen wird,sollte er es dennoch aus welchen Gründen auch immer überleben ,wäre er schwerst behindert.

    Und wir sollten uns überlegen,das wir die Entscheidung treffen sollten es zu beenden.

    ich habe sofort gesagt ,das mache ich nicht,niemals werde ich die Entscheidung treffen das mein Kind stirbt,ich war so geschockt,ich konnte das ganze nicht mehr glauben.

    Danach durften wir zu Jason ,und was wir da zu sehen bekamen ist noch schrecklicher als alles was ich bisher gehört und gesehen habe.

  • Teil vier


    Immer wenn ich dachte schlimmer kann es nicht mehr kommen ,kam etwas was noch viel grausamer war als das vorherige.

    Wir wurden oft raus geschickt da bei Jason immer was war. Außerdem wurde mir ständig gesagt das ich mich ausruhen muss ,hatte ja schließlich erst den Kaiserschnitt. Hab gleich gesagt das können sie vergessen ,was ich brauche ist mein Kind. Habe auch alle Schmerzmittel verweigert,brauchte ich nicht ,ich hatte keine Schmerzen mehr von der Geburt ,den Schmerz den hatte, kann auch eine Iboprofen nicht lindern.


    Da waren wir also dann draussen und wir haben darüber geredet welches Leben ,lebenswert ist.

    Meine Ansprüche an ein lebenswertes Leben sind so weit gesunken ,das nur das eigenständige Atmen gereicht hätte.

    Ich wollte ihn nicht gehen lassen ,egal welche Konsequenzen es hätte.


    Ich hatte mich dann mit der Krankenschwester unterhalten ,was bei Jason gemacht wurde.Sie meinte das sie bei allem auf 100% sind .Mehr geht nicht ,wenn sein Körper darauf nicht reagiert können sie nichts mehr machen.

    Da war es vorbei und ich konnte nur noch sagen ,das wir nur noch diese Hoffnung haben.


    Das hier konnte gerade unmöglich passieren , das kann nicht mein Leben sein.


    Auch jetzt nach zwei Jahren kann ich das nicht ohne weinen schreiben.

  • Mein Christoph dürfte zwar 38 Jahre leben.....doch meine Gefühle gleichen den deinen sehr. 2 Jahre, 7 Monate, 3 Tage.

    "Wir geben 100%, mehr geht nicht,"sagte der Oberarzt von der Intersivstation in Gießen.

    Das Bild von deinem Kleinen ist dem Bild , daß ich im Kopf habe von meinem Großen so ähnlich. Ach du.💔