Wie soll es nur weitergehen?

  • Hallo Ihr Lieben. Ich weiß garnicht wo ich anfangen soll; und vor allem nicht wie es mit mir und meinem Leben weiter gehen soll. Kurz zu mir: Ich bin 35 Jahre, habe einen lieben Ehemann und 2 Töchter im Alter von 5 und 1. Und dennoch fühle ich mich so einsam wie noch nie zuvor. In 2013 ist meine Mama an Krebs erkrankt. Es folgten Op‘s, Chemo, Bestrahlung… das volle Programm. Ich war immer an ihrer Seite, jede freie Minute wollte ich bei ihr sein. Ich habe sie in etliche Krankenhäuser begleitet. Und auch mein Papa war immer da. Ich liebte meine Eltern über alles. Sie waren so tolle Eltern und ich bin ihnen für ewig dankbar. Sie haben mich bedingungslos geliebt und sowas erfährt man eben nur von seinen Eltern. Im August 2017 wurde ich schwanger. Nicht geplant. Wir hatten uns zuvor erst ein Haus gekauft. Aber trotz der Pille habe ich positiv getestet. Mein Frauenarzt meinte damals fast wie ein 6 im Lotto. Ich habe es meiner Mama erzählt. Sie ist in Tränen ausgebrochen vor Freude und vor Angst. Wahrscheinlich weil sie wusste dass sie es bis zur Geburt nicht mehr schaffen wird. Im Oktober 2017 kam sie wegen Luftnot ins Krankenhaus. Ihr Herzmuskel war sich mit Wasser am voll laufen. Man hätte punktieren können. Aber meine Mutter wollte nicht mehr. Bei vollem Bewusstsein hat sie gesagt dass jetzt ihre Zeit gekommen ist und sie nicht mehr will. Die Ärzte gaben ihr wenige Tage. Für mich war es total surreal meine Mutter in dem Krankenhausbett wach bei vollem Bewusstsein zu sehen mit dem Wissen dass sie in den nächsten Tagen versterben wird. Ich hab mich zu ihr ins Bett gekuschelt, haben darüber geredet wie ich ihre Enkelin nennen werde…. Mein Papa war auch die ganze Zeit an ihrer Seite. Drei Tage später ist sie in meinem Beisein verstorben. Wenn ich mit meiner Tochter nicht schwanger gewesen wäre, weiß ich nicht ob ich heute noch hier sitzen würde. Es war für mich eine so schlimme Zeit und auch immer noch: sie fehlt mir so so so sehr. Einen Scheiss auf den Spruch: Zeit heilt alle Wunden. Ja es wird anders. Aber ich denke jeden verdammten Tag an sie, es vergeht kein Tag an dem es nicht schmerzt. Immerhin hatte ich danach meinen Papa. Er hat genau so gefühlt wie ich. Wir konnten über meine Mama reden. Wir haben sie nicht totgeschwiegen sowie es eben bei allen anderen ist. Am Anfang ist die Betroffenheit groß aber danach geht der Alltag wieder weiter und wir sind alleine mit der Trauer… wir gaben uns gegenseitig halt. In meinem Elternhaus wurde alles so gelassen. Wenn ich heute noch meine Nase in den Kleiderschrank meiner Mama stecke, kann ich sie immer noch riechen. Weder mein Papa noch ich konnten uns bisher von was trennen. Letztes Jahr im Sommer bekam mein Papa die Diagnose Lungenkrebs. Ich dachte wirklich dass kann nicht sein. Das kann nicht sein dass ich das ganze jetzt wieder durch machen muss. Und es war genauso schlimm wie bei meiner Mama: jede Chemotherapie hat ihn noch mehr kaputt gemacht. Es war so furchtbar das mit anzusehen. Er hat sich so gequält. Am Ende für nichts. Am 07.06.23 hat er sich für eine Palliative sedierung entschieden. Im gleichen Krankenhaus in dem meine Mutter lag. In dem ich sie auch begleitet habe. Die Hand gehalten habe bis zum Schluss. Bei meinem Papa habe ich drei Tage ohne Unterbrechung an seinem Bett verbracht und ihm die Hand gehalten; bis er am 10.06.23 verstorben ist. Ich habe keine Ahnung wie ich das alles verarbeiten soll. Ich stelle mein ganzes Leben in Frage und stecke schon mitten in meinem Alltagstrott zwischen, Arbeit, Kindern, Haushalt… und ich will das garnicht. Ich will das alles einfach nicht….

    Ich danke euch fürs lesen. Einfach mal alles rauszuschreiben hat gut getan. Es fällt mir schwer mit Freunden, Verwandten sogar meinem Ehemann darüber zu reden. Ich fühle mich einfach unverstanden. Aber wie soll jemand auch mein gefühlschaos verstehen wenn man nicht sowas wie ich erlebt hat?!

  • Niemand kann dein Gefuhlschaos verstehen, der nicht vergleichbares erlebt hat. Ich rede mit Menschen, die nicht wissen, was es bedeutet zu trauern, nicht darüber. Es endet irgendwie immer damit, dass es mir noch schlechter geht. Es tut mir so leid, dass du gleich 2 so schwere Verluste hast. Dass du zwei mal das gleiche erleben musstest, ist so grauenvoll.


    Bei mir war es auch so, meine Tochter hat mir extrem viel Kraft gegeben nach dem Tod meines Vaters. Ich denke auch oft, dass ich das, wie es gekommen ist, nicht will, dass ich mir mein Leben so nicht vorgestellt habe. Ich habe mir die nächsten 10 Jahre mindestens mit meinen Eltern vorgestellt. Und zu meinem Vater hatte ich so eine starke Bindung. Ja ich habe auch noch meine Mutter aber seit mein Vater gestorben ist, habe ich das Gefühl meine komplette Vergangenheit ist mit ihm gestorben, mein Elternhaus, meine Heimat, wo ich groß geworden bin, nur ein paar Kilometer entfernt, wo ich jetzt wohne. Eigentlich ein Ort an dem ich so viele schöne Erinnerungen habe und meine Kindheit verbracht habe. Jetzt ist dieser Ort für mich einfach nur noch schwarz und voller Trauer und Traurigkeit.

    Ich weiß wie unglaublich schrecklich es ist zu sehen wie jemand den man liebt immer mehr abbaut und man machtlos ist und Angst hat um die Person. Das war bei meinem Vater ähnlich. Ich weiß nicht, was besser ist, oder ob es überhaupt Sinn macht in solchen Schicksalsschlägen noch was zu suchen, wofür man dankbar sein kann... Vielleicht kann man dankbar sein, dass man sich von seinen Liebsten noch verabschieden konnte. Ich weiß es nicht. Die Wochen die mein Vater im Krankenhaus lag kurz vor seinem Tod waren schlimm und dramatisch. Ich habe mehrere Monate gebraucht, um allein das, was im Krankenhaus war, zu verarbeiten. Ich hatte Albträume und Flashbacks, seltsame Angstzustände, die ich vorher nicht ansatzweise kannte, dass man sich so fühlen kann. Aber es wurde besser und das wird es bei dir auch.

    Nur bei der Trauer und diesem schweren Verlust, da weiß ich nicht, wie und wann es wirklich besser wird.

    Ich glaub, es ist wichtig die Hoffnung nicht aufzugeben, dass es besser wird oder anders wird. In meinen tiefsten Trauerphasen konnte ich diesen Satz nicht hören. Ich kann und möchte bis heute nicht akzeptieren, was passiert ist und ich werde es niemals akzeptieren, aber es geht nicht anders.

  • Hallo Amelie, hallo MarieSophieWu,

    niemand, der diesen Alptraum nicht erlebt hat wird uns verstehen.

    Die Panik, die Bilder im Kopf die nie vergehen. Angst und Trauer.

    Ich wünsche uns allen hier, die jeden Tag kämpfen, nur das Allerbeste.

    Was mich am Leben hält ist mein Mann.

    Für ihn würde ich sterben.

    Passt gut auf Euch auf

    🤝 Nicole

  • Liebe MarieSophieWu,

    das was Du erzählst. Alles ist genauso wie bei mir.

    Die Grausamkeit ist leichter zu ertragen wenn man weiß daß man nicht alleine ist. Auch wenn es das nicht abmildert.

    Ich kann und werde es nicht akzeptieren, ich nehme es hin.

    Meine Vergangenheit. Menschen die man im hier und jetzt hatte. Gelacht und gefeiert hat. Sie sind weg. Sch… Leben. Warum das alles? Für was?

  • Hey,


    Mein tiefstes Mitgefühl hast du beim Lesen deiner Zeilen erhalten. Wie hart muss es sein, beide Eltern zu verlieren und dann den Alltag mit zwei kleinen Kindern zu stemmen. Und die Welt dreht sich weiter, als wär nichts passiert. Das Leben ist manchmal so ungerecht.


    Mein Papa starb 3 Tage vor deinem, am

    7.06. er wurde 75 Jahre alt und stand kurz vor einer Operation. Er war schon seit fast 10 Jahren herzkrank, aber dass er jetzt schon stirbt, damit haben wir nicht gerechnet. Er ist nach dem

    Essen zusammengebrochen, meine Schwester war mit ihm schon in der Stadt, in der er zwei Tage später operiert werden sollte. Sie hat ihn gleich versucht zu reanimieren, sie ist Ärztin, ich denk mit ihr hat er die besten Chancen gehabt, aber sein Herz war zu schwach.


    Ich bin 34 nun im 6. Monat schwanger, habe eine kleine Tochter mit eineinhalb. Meine Töchter werden nie mit ihren Opas spielen, das macht mich so traurig, wenn ich andere mit ihren Opas und Omas sehe. Meine Mama ist schon lange krank und hat keine klassische Mutterrolle mehr, sie hat MS seit über 20 Jahren, mein Papa hat sich um

    Alles und sie gekümmert. Ich habe also auch keine wirklichen Eltern mehr, meine Mama kann mich nicht unterstützen, wir mussten alles regeln für die Beerdigung und Nachlass etc.


    Das einzige, was mich gerade über Wasser hält, ist meine kleine Tochter. Deine kleine ist ja auch erst ein Jahr alt, ich hoffe, sie bringt dir auch Freude und Ablenkung. Aber ohne meine Tochter und das Baby im Bauch wüsste ich auch nicht, ob ich aufstehen würde. Ich habe zwar Freunde, die auch schon jemanden verloren haben, aber die meisten haben noch irgendeinen Elternteil, der fit ist und für sie da sein kann.

    Ich kann dir auch Nicht sagen, wie es weitergehen soll. Von Tag zu Tag hangeln, versuchen, irgendwie irgendwo Kraft aufzutanken und die Trauer fließen lassen. Für mich ist es in den Ruhepausen am schlimmsten, mein Papa starb in dem Moment, als ich meine Tochter gerade vorgesungen und ins Bett gebracht habe. Jeden Abend erinnere ich mich beim Singen daran. Es tut einfach so weh und ich glaube, es bleibt immer schmerzhaft.


    Viel Kraft dir und halte durch