Hallo, da keiner in meinen Freundeskreis verstehen kann wie ich mich fühle, möchte ich gerne hier meine Geschichte erzählen.
Vor 10 Jahren war ich gerade 20 Jahre alt und hatte auch die Probleme die 20 Jährige so haben.
Seither habe ich allerdings das Gefühl, als ob jemand sehen will wieviel ich aushalten kann.
Vor 10 Jahren wurde bei meiner Mutter ein Herzerkrankung festgestellt - sie mußte mit gerade 49 Jahren in Frühpension gehen.
Im selben Jahr versagten die Nieren meines Vaters und er wurde Dialysepatient.
Nicht einmal ein Jahr später starb mein Vater an einem Herzinfarkt. Er war 55 Jahre alt.
Mit 21 hatte ich nun Verantwortung für eine kranke Mutter, meinen Großvater, den Vater meiner Mutter, und meine Großmutter, die Mutter meines Vaters.
Meine Großmutter konnte den Tod meines Vater nicht verwinden. Ihr körperlicher und geistiger Zustand wurde immer schlechter, und nach nur 1 1/2 Jahre nach meinen Vater starb auch sie.
An diesem Punkt dachte ich zum ersten Mal, das es nicht schlimmer kommen könnte.
Ende 2003 stellten wir bei meinem Großvater immer wieder Aussetzer im Gedächnis fest - Diagnose Alzheimer.
Zusammen mit meiner Mutter betreuten wir ihn, so lange es ging daheim. Wer je versucht hat einen Alzheimerpatienten 24 Stunden zu betreuen, kann sich vorstellen an welche Grenzen man geht, wenn man nur zu zweit ist.
Ende 2004 konnten wir nicht mehr und mußten ihn in die Pflege eines Geriatriezentrums geben.
Die nächsten 1 1/2 Jahre waren vermutlich die besten in den letzten 10. Mein Großvater wurde betreut, meiner Mutter ging es den Umständen entsprechend gut, auch wenn sich Ihr Zustand geringfügig verschlechtert hatte. Beruflich konnte ich mich weiterentwickeln, da ich Zeit hatte auch mich zu schauen.
Anfang 2007 verschlechterte sich der Gesundheitszustand meines Großvaters rapide. Er starb in Juni 2007.
Wieder ein Moment, an dem ich dachte ich hätte das Schlimmste bereits überstanden - noch mehr Leid kann es für einen einzelnen Menschen doch nicht geben.
Seit 2008 ging es meiner Mutter nicht mehr sehr gut. Sie war auf ein Sauerstoffgerät angewiesen, und brauchte immer mehr Unterstützung.
Ich stellte also mein Leben darauf ein für sie da zu sein. War jeden Tag bei ihr, machte manchmal mit ihr, manchmal allein die Einkäufe, verbrachte die meiste Zeit des Wochenendes mit ihr, da sie ansonst allein gewesen wäre.
Diesen Sommer dann ein Lichtblick. Ein Kur sollte ihren Gesundheitszustand verbessern. Allerdings mußte sie noch bevor sie auf Kur fahren konnte ins Krankenhaus - neue Einstellung der Medikamente. Danach fuhr sie auf Kur. Diese sollte 3 Wochen dauern, nach nur 2 Wochen mußte ich sie abholen, da es ihr nicht gut ging.
Sie mußte wieder ins Spital, Diesmal für 3 Wochen. Nach 3 Wochen konnte ich sie endlich heim holen - nach insgesamt 7 Wochen Krankenhaus und Kur war sie nun endlich wieder daheim, zwar geschwächt, aber daheim.
Am 1. September läutet mein Firmentelefon um 16:30. Eine Nummer die ich nicht kenne. Eine Stimme die ich nicht kenne, möchte wissen wer ich bin, um dann mit den Worten zu beginnen "Es ist etwas passiert ...".
Meine Mutter starb um 16:22 an einen Herzinfarkt, der Notarzt konnte nichts mehr für sie tun. Als ich in die Wohnung kam, lag sie noch in der Küche.
Mit 30 Jahren habe ich mit meiner Mutter mein letztes Familienmitglied verloren. Es gibt nur eine Großtante die ich sonst einmal im Jahr sehe - keine Geschwister, keine Onkel oder Tanten.
Da ich aufgrund der schwierigen Umstände in den letzten Jahren nicht bereit war eine Beziehung einzugehen, bin ich auch noch Single, also auch keine Partnerin die mich unterstützen könnte.
Das Gefühl das ich im Moment habe, würde ich als entwurzelt bezeichnen. Mir fehlt der Boden, die Konstante die meine Familie für mich war.
Im Moment habe ich nicht den geringsten Plan wie mein Leben weiter geht. Vermutlich so wie in den letzten 10 Jahren. Ich werde den Kopf hoch halten, und wieder hoffen, daß es nicht noch schlimmer kommt. Allerding gibt es nicht mehr viel was noch schlimmer werden kann.