Lieber Pape, ich habe heute die schriftliche Bestätigung unserer Vermieterin I. für unsere Wohnung erhalten. Da war ich froh und nicht traurig. Aber ich habe heute mal wieder einen schmerzlicheren Trauertag. Obwohl ich mittlerweile, weil ich merkte, dass ich nach 1 Jahr in Ausnahmeschmerz und eurem Sterben und Tod einfach etwas von dem Schmerz zurück in die größere Leichtigkeit musste, weil ich keine Kraft mehr habe, euch nur noch am WE auf eure Gedenkseiten schreibe und dort auch Kerzlein und Geschenke anbringe, musste ich es zwischendurch nochmal tun.
Ich brauchte es, dort nochmal nachzulesen, was ich auf eure Hauptseite geschrieben habe und in eure Kondolenzbücher und mit eure Fotos dort auch anzuschauen.
Macht es dir etwas aus, dass ich es jetzt nicht mehr monatelang so gründlich täglich mache wie für Mutti? "Blödsinn!" höre ich deine Antwort im Geiste. Aber ich kenne dich und weiß, dass du auch viele Geschenke und Aufmerksamkeiten haben willst, das war schon immer so. Doch dazu müsste ich ja auch monatelang nur auf deine Gedenkseite gehen und nicht auf Muttis und das könnte ich wieder auch nicht. "Mach doch nicht solch ein Theater!" sehe ich dich wieder abwinken. Und du weißt ja auch, dass mein Schmerz nach deinem Tod viel tiefer war als nach Muttis, nach dem ich mich direkt immer wieder daran erinnerte, Trauerarbeit zu machen und nicht gewohnheitsmäßig ins Alltägliche abzuschweifen.
Weil du viel unkomplizierter warst und wir uns am Ende so nahe waren, darum war es nach deinem Tod - oder euer beider Tod - gar nicht die Frage, ob ich trauern würde, sondern eher, wie lange ich das noch aushielte.
Du bist erst 2 Monate tot und ich bin noch ganz wund innerlich, aber ich lebe viel schneller wieder im Alltag mehr und mehr als nach Muttis Tod. Ich kann diesen Schmerz nicht lange aushalten. Ich muss das dosieren.
Ich weiß, dass ihr mir immer nahe seid in eurer Liebe, besonders deutlich in noch mehr Typischem als Reaktion auf meinen Alltag auch du, und ich weiß, dass ihr kein Leid mehr habt, höchstens Schmerzen und Traurigkeit um uns Kinder und unsere Kinder.
Aber ich kann an der Trauer nicht vorbeigehen, auch wenn ich an das ewige Leben in Liebe und Frieden auch glaube.
Doch ihr fehlt eben auch körperlich, obwohl ich weiß, dass ich euch auch körperlich wiederbegegnen werde.
Es ist so tiefst falsch, seine Eltern von sich gehen zu erleben. Ich glaube nicht, dass ich da jemals drüber wegkommen werde. Aber ich werde, ich kann, schon jetzt, damit leben. Nur bin ich in diesem doppelten Trauerjahr sehr fadenscheinig kräftemäßig. Sehr wund und sehr verstört, aber ich suche euch nicht mehr in allem und überall wie es lange nach Muttis Tod war und kürzer nach deinem.
Mir passiert es aber immer noch, dass ich denke, ah, das muss ich Pape oder Mutti erzählen, wenn ich sie das nächste Mal sehe. . . .