Guten Abend Zusammen,
eigentlich wollte ich mich im Moment hier ein wenig zurückziehen, die vielen neuen Schicksale berühren mich beim Lesen doch sehr. Ich weiß oftmals nur zu gut, wie sich hier jeder im Forum gerade fühlt, vieles erinnert mich auch an Utis Leidensgeschichte.
Trotzdem muss ich heute Abend ein paar Zeilen schreiben, weil es mir nicht gut geht, weil der Sonntag halt wieder mal besch...... war.
Bin schon mit einem schlechten Gefühl aufgestanden, die Trauer, die Wut hat mich auch nach fast 6 Monaten noch voll im Griff.
Was habe ich gemacht, bin nach dem Frühstück direkt raus in die Natur, das mache ich immer, wenn ich es zu Hause nicht mehr aushalte. Diese Stille hier macht mich echt total platt, bin dann rund 25km gelaufen. Über unsere Berge hier am Niederrhein, das sind eher Hügel, der höchste ist gerade 66m hoch. Das mache ich aber auch, um meine Fitness zu erhalten.
In 9 Tagen geht es in unsere zweite Heimat, ins Allgäu, auf Bergtour. Dies ist das Einzige, was mich noch positiv stimmt, auf das ich mich irgendwie auch ein wenig freuen kann.
Auf meiner Tour heute habe ich allerdings immer nur an Uti gedacht, immer nur an ihre Krankheit, an diese Palliativstation, an ihr mehrwöchiges Sterben, an den Moment, als ich am Bett saß und sie nicht mehr atmete.
Ich machte mir Vorwürfe, habe ich wirklich alles getan, um sie zu retten? Musste ich wirklich in den letzten Monaten auch noch mit ihr schimpfen, weil ich dachte, sie lässt sich hängen, sie wehrte sich nicht gegen ihre Krankheit, das kannte ich nicht von ihr. Das tut mir gerade alles unendlich leid, meine Nerven waren irgendwann auch am Ende. Sie hat wohl selber nicht mehr gemerkt, dass der Kampf verloren war, "Tommi ich will aber bei Dir bleiben, ich gebe nicht auf"
Alle sagen mir, ich hätte alles getan, was man noch tun konnte. Die Ärzte hatten sie quasi aufgegeben, trotzdem habe ich noch um eine letzte Patrone gekämpft, sie hat noch eine Chemo erhalten, aber nach 3 Tagen war eigentlich jegliche ärztliche Therapie sinnlos geworden.
Ich grübele und grübele, was hat sie noch mitbekommen, was hätte sie mir noch gerne gesagt, ich werde keine Antwort mehr bekommen. Der arrogante Professor der Uniklinik hatte sie schon abgeschrieben, eine Palliativbegleitung empfohlen, dem Onkologen fiel auch nix mehr ein. Die Hausärztin riet mir auch eher zu einer Palliativbehandlung oder ein Hospiz, das Helios Krankenhaus Krefeld bat um Zustimmung, alle eventuell eintretenden Notfälle nun nicht mehr intensivmedizinisch zu behandeln. Nein, ich glaube es gab keine Rettung, auch wenn ich ständig darüber nachdenke.
Jetzt fahre ich am 4.6.24 ins Allgäu, dort waren Uti und ich schon 36mal, das wird auch schwierig. Unser langjähriges Ziel war immer die Rappenseehütte, so oft haben wir das Ziel aus den Augen verloren, einmal mussten wir die Tour dorthin sogar abbrechen, es war zu feucht und Uti hatte einfach zu viel Angst bei abfallendem Gelände.
Als wir dann aber vor ein paar Jahren endlich diese Hütte erreichten, ja da erlebten wir beide ein unbeschreibliches Glücksgefühl, ich werde ihr Strahlen nie vergessen, als sie um die Ecke bog und das Ziel erblickte. Oben am Gipfelkreuz gab es auch den verdienten Kuss, ja was waren das für schöne Zeiten.
Viele sagen mir immer, "ach das wird schon", "es braucht seine Zeit", etc., nein, so wird es bei mir aber nicht laufen.
Uti und ich waren immer ein Team, so ähnlich wie bei Billie, 1+1=1, das war unsere Formel, es gab uns nur zusammen.
Jetzt bin ich nur noch 50%, an manchen Tagen auch nur 10 oder 20%, das reicht oftmals nicht für einen guten Tag.
"Der Weg ist das Ziel", das gilt nicht nur für die Berge, sondern auch fürs ganze Leben. Vielleicht sollte ich mir das einfach mehr verinnerlichen.
Wünsche Euch Allen einen erträglichen Wochenstart
Tommi