Beiträge von Trommlerin

    Ihr Lieben,


    ich nehme den Vorschlag von Lilifee auf und schreibe eine Erinnerung an Ursel auf. Es war Frühsommer 2015, als ich entdeckte dass auf dem Vordach zu unserem Wohnzimmer Eichhörnchen vorbei kommen. Ich hatte mich schnell in diese Tiere verliebt und fütterte sie vom Fenster aus. Ziemlich schnell war mir klar dass ich das regelmäßig machen möchte. Das bedeutete auch dass auch im Winter das Fenster den ganzen Tag zumindest ein bisschen offen sein müsste damit die Tiere hier in Ruhe futtern können. Ich bat Ursel darüber nachzudenken. Da sie merkte wie wichtig mir das war willigte sie ein und wir saßen manchen Wintertag im Mantel im Wohnzimmer. Eins der ersten Hörnchen-Stammgäste war dann die Trommlerin, die wir 6 Jahre begleiten durften.

    Ich bin Ursel ewig dankbar dafür.

    Ihr Lieben,


    die durchschnittliche Lebenserwartung für Männer in Deutschland ist 78,9 Jahre. Das heißt, ich müsste noch ungefähr 7 Jahre ohne meine Ursel leben.

    Will ich das? Ein klares Nein. Es gibt aber ein paar Gründe es zu tun. Die Eichhörnchen hätten niemand hier im Viertel der sich intensiv um sie kümmert, auch wenn sie krank sind, verletzt oder sonst Probleme haben. Dann wären da noch meine wenigen, wirklich guten Freunde, denen ich fehlen würde. Und manchmal gibt es auch Momente, an denen ich unbeschwert lachen und mich freuen kann. Dann kommen aber die Gedanken, das hätte die Ursel auch gefreut, das hätte sie genossen, aber Ursel kann das nicht mehr miterleben. Wie soll ich mich nach der Arbeit auf das Heimkommen freuen, wenn da niemand mehr ist, der sich auf mich freut. Ich werde auch in 7 Jahren jeden Tag um meine Ursel weinen. Ja Ihr Lieben, solche Überlegungen kennt Ihr sicher auch. Ich weiß, 7 Monate sind gar nichts, vielleicht wird das Leben ohne meine geliebte Ursel irgendwann ein bisschen lebenswerter.


    Liebe Grüße von Dieter

    Liebe Lilifee,


    wir sehen uns wieder, das ist auch meine feste Überzeugung.

    Kürzlich hab' ich dieses Gedicht von Friedrich Hölderlin gelesen:


    Ich würde Jahrtausende lang die Sterne durchwandern,

    in alle Formen mich kleiden,

    in alle Sprachen des Lebens,

    um dir einmal wieder zu begegnen.

    Aber ich denke, was sich gleich ist, findet sich bald.


    Liebe Grüße von Dieter

    Unsere Toten sind nicht abwesend, nur unsichtbar,

    sie schauen mit ihren Augen voller Licht in unsere Augen voller Trauer.

    Es gibt ein Wiedersehen auf einer anderen Ebene.

    Und die Seelen unserer Vorausgegangenen begleiten uns.


    Diesen Spruch von Aurelius Augustinus, den Elster immer unter ihren Beiträgen stehen hat liebe ich.

    Er bringt mich zwar meistens zum Weinen, aber ein Weinen aus Erleichterung.

    Er hat mich schon öfter aus großer Verzweiflung gerettet.


    Danke Elster, ich kannte diesen Trostspender bisher nicht.

    Ihr Lieben,


    herzlichen Dank für Eure Kommentare. Da ist mal wieder eine Welle über mich geschwappt. Ich wünsche mir so sehr dass der Schmerz ein bisschen kleiner wird.

    Aber ich weiß, das braucht Zeit.


    Viele liebe Grüße

    Liebe Elster,


    in diesem Fall war Dr.Google ein schlechter Ratgeber. Meine Neurologin sagte heute nach unserem Gespräch dass ich weit weg sei von einer Depression, sondern einfach trauernd um den liebsten Menschen. Die Einteilung in Trauerphasen ist Quatsch, das ist bei jedem Menschen anders und ich wäre auf einem guten Weg. Sonst würde sie mich auch nicht erst in 3 Monaten wieder sehen wollen. Ich werde mich im Herzen nie von Ursel trennen. Nach 20 Jahren Zweisamkeit ist es schwer alleine zu leben, aber daran werde ich mich auch gewöhnen.


    Liebe Grüße von Dieter

    Liebe Christine,


    genau das ist es was ich mir wünsche, dass es irgendwann nicht mehr so weh tut. Du hast recht, wir waren sehr eng miteinander verbunden und sind es auch immer noch. Auf die Gesundheit achten versuche ich eigentlich schon die ganze einsame Zeit, ein bisschen Luft nach oben ist da noch. Ich hoffe Du hast OP und Reha gut überstanden.


    Liebe Grüße von Dieter

    Liebe Herzschmerz,


    ich will mich keineswegs von Ursel trennen, empfinde mich auch nicht in einer Depression und krieg' mein Leben weiterhin auf die Reihe. Was Du schreibst finde ich sehr tröstlich, so in etwa hab' ich mir das für meine Zukunft vorgestellt. Dass es schmerzhaft wird spüre ich gerade extrem. Gefühl der Sinnlosigkeit und Verzweiflung beschreiben das sehr genau. Ich bin gespannt was mir die Neurologin morgen dazu sagt.


    Liebe Grüße von Dieter

    Liebe Fliegerin,


    dieses Büchlein hab' ich gelesen. Ich finde es ungemein tröstlich und lese immer wieder nochmal darin. Ursel ist vor einem guten halben Jahr gegangen, die Endgültigkeit spürte ich schon immer mal wieder, aber jetzt schwappt sie gerade heftig über mich weg. Ja, ich muss damit leben bis zu meinem irdischen Ende, es wird vielleicht irgendwann milder.

    Lieben Dank für Deine Zeilen und liebe Grüße von Dieter

    Hallo Ihr Lieben,


    nach meiner Neurologin, die glaub' ich nach den Trauerphasen von Kübler-Ross arbeitet, rutsche ich gerade in die Phase der Depression. Dieses "nie wieder Gefühl" manifestiert sich gerade heftig und erzeugt bei mir eine ständige unterschwellige Traurigkeit, die sich auch nicht von schönen Erlebnissen wie z.B. die gestrige Fahrradtour mit meinen Schwagerleuten verdrängen lässt. Bei Verena Kast heißt das " Suchen und sich trennen". Eigentlich will ich mich aber gar nicht von Ursel trennen. Auf der anderen Seite will ich aber auch nicht in einer ewigen Depro-Schleife hängen bleiben. Naja, morgen hab' ich mal wieder einen Termin bei ihr. Mal sehen was sie dazu meint.


    Liebe Grüße von Dieter

    Hallo Ihr Lieben, hallo Herzschmerz,


    ich habe mich gestern mit der Witwe des ehemaligen Kollegen getroffen. Es ist erschreckend was in Arztpraxen und Krankenhäusern alles falsch gemacht wird. Aber diese Erfahrung habe ich bzw. Ursel auch schon gemacht. Leider ist es auch schwierig für viele Menschen mit Trauernden umzugehen. Diese Erfahrung muss jetzt auch Elke machen. Die beiden hatten einen relativ großen Bekanntenkreis, keiner dieser Menschen hat sie mal kontaktiert seit Winfried ging. Wenigstens ist sie einigermaßen versorgt, sie hatten vor ein paar Jahren geheiratet. 51 gemeinsame Jahre und jetzt allein. In ihrer Familie sind alle gestorben. Gestern konnte sie mal ihr Herz ausschütten und ich hoffe ich konnte ihr ein paar Ratschläge geben.

    Ich kann mir vorstellen in ein paar Jahren Trauerbegleiter zu werden. Ursel würde das bestimmt gefallen.


    Liebe Grüße von Dieter

    Liebe Elster,


    nach dem Krankenbesuch war ich sehr erschöpft und müde. Ich musste das tun, erstens freut sich der Kollege über den Besuch - er hat auch eine Sepsis, seine offenen Beine haben sich infiziert - und zweitens wollte ich erfahren wie es mir dabei geht. Ich bin dann sogar noch in die Cafeteria und hab' wie schon dutzende Male eine Kleinigkeit gegessen. Das war noch schwerer, das war so ein bisschen Flashback, aber ich bin auch etwas stolz auf mich, irgendwann musste ich mich der Situation stellen. Ich weiß, ich bin jetzt ein winziges Schrittchen weiter. Natürlich hab ich das später Ursel erzählt und ich bin sicher sie war auch stolz auf mich.

    Vor 2 Wochen ist ein ehemaliger Kollege, den ich schon sehr lange kenne gegangen. Seine Witwe, mit der er 51 Jahre zusammen war, ist am Boden zerstört. Sie rief mich gestern an, ob ich am Sonntag mit ihr spazieren gehen würde, sie würde sich gerne mit jemand über das Sterben ihres Winfrieds unterhalten. Ich habe zugesagt, ich weiß ja wie sie sich fühlt und wie sehr man in dieser Situation jemand zum Reden braucht. Mal sehen was das mit mir macht. Und ich werde ihr das Büchlein von Wilhelm Schmid schenken, das war so sehr tröstlich für mich.


    Liebe Grüße von Dieter und danke für's Seifenblasenmachendenken

    Ihr Lieben,


    heute vor einem halben Jahr um 6:15 ist Ursel auf die andere Seite gewechselt.

    Die abgrundtiefe Verzweiflung überfällt mich nicht mehr so häufig. Das kommt bestimmt auch daher weil ich sehr oft mit ihr spreche und ich immer wieder mal plötzlich spüre dass sie in meiner Nähe ist. Das äußert sich - jetzt bitte nicht lachen - durch den intensiven Geruch nach Schuhcreme, Schuhe putzen tat sie total gerne. Das passiert auch öfters beim spazieren, wo soll da der Geruch sonst herkommen. Jeden Abend berichte ich ihr von meinem Tag und was sich im Viertel so alles verändert und von den Eichhörnchen. Ich weine jeden Tag um meine geliebte Ursel, und das wird auch so bleiben, das spüre ich.

    Heute besuche ich einen Kollegen im Krankenhaus, auch zur Traumaverarbeitung, er liegt in dem selben Gebäude in dem Ursel die ersten 7 Wochen lag.


    Viele liebe Grüße von Dieter

    Geliebte Ursel,


    heute vor 19 Jahren haben wir geheiratet. Ein heißer Tag, die kleine Feier im Garten der Frankenstube, ich erinnere mich noch an jede Kleinigkeit. Die Lederhose - die mir längst nicht mehr passt - hebe ich für immer auf. Den 18. Hochzeitstag "feierten" wir voriges Jahr mit alkoholfreiem Sekt im Krankenhaus. Beim Verlassen des Krankenzimmers klingelte mein Handy - ein Notruf, die Mama von 3 Eichhörnchenbabys war tödlich verunglückt - mit Hilfe von unserer lieben Freundin Sandra konnten wir sie retten. Sie springen längst im Wald durch die Bäume. Seit Deinem Weggang ist jetzt fast ein halbes Jahr vergangen, ein halbes Jahr in dem ich jetzt auch eine kleine Entwicklung spüre. Die Flashbacks aus dem Krankenhaus werden weniger und ich kann auch mal Fotos von Dir angucken, mit Wehmut und auch Tränen, aber es geht.

    Heute Abend werde ich wie jedes Jahr mit einem Gläschen Rotkäppchen-Sekt mit Dir anstoßen. Süße, Du fehlst mir unendlich, aber irgendwann werden wir wieder vereint sein. So, jetzt kann ich die Tastatur nicht mehr erkennen. Mach's gut meine Süße und lass' es gerne mal wieder nach Schuhcreme riechen, ich würde mich freuen.