Beiträge von Dschina68

    Ja, das stimmt. Der 10. Juli ist noch gar nicht so lang her. Trotzdem kommt es mir manchmal vor wie eine Ewigkeit, weil die Tage - wie du es so treffend ausdrückst - endlos lang sind ohne ihn. Und andererseits denke ich mir: 'Vier Monate ist das schon her. Wie habe ich so eine lange Zeit nur überstanden?" Irgendwann sind es dann 6 Monate, 8 Monate, 12 Monate, 2 Jahre, 4 Jahre, 8 Jahre, 10 Jahre usw. und der Gedanken daran, den Rest meines Lebens ohne ihn zu verbringen, treibt mir die Tränen in die Augen. Und der Rest meines Lebens kann noch verdammt lange dauern.


    Die meiste Zeit des Tages bin ich abgelenkt. Am besten geht es mir in der Arbeit, weil dort ist es so, wie es auch vorher war, außer dass er mich nicht mehr anruft um mir fürchterlich "wichtiges" zu erzählen oder mich zu fragen, wann ich heute Schluss mache, damit das Essen rechtzeitig fertig ist. Daheim kümmere ich mich um's Essen und rede mit meinen Kindern über ihren Tag. Noch ein bisschen Hausarbeit und Verwaltungskram wegen der Verlassenschaft und der Tag ist zum Glück wieder vorbei.


    Dazwischen überschwappt mich immer wieder eine Welle aus dem Meer der Trauer. In diesen Momenten ist man so verlassen und alleine und selbst wenn alle Menschen dieser Welt bei einem wären, so gäbe es doch keinen einzigen, der trösten könnte. Trotzdem wäre es schön, wenn einen jemand in den Arm nehmen würde, aber diesen jemand, den man jetzt so dringen an seiner Seite bräuchte, gibt es nicht mehr.

    Hallo chan,


    vielen Dank für deine nette Antwort. Im Lauf der Zeit werde ich bestimmt alle deine Fragen und noch mehr beantworten. Normalerweise bin ich eine richtige "Tratschtante", aber in diesem Fall werde ich schön langsam machen.


    Am 10. Juli ist mein geliebter Ehemann plötzlich und unerwartet verstorben. Er hat sich am späten Nachmittag von mir verabschiedet, weil er in den Nachtdienst gehen musste. Ich habe ihn gefragt, ob wir uns am nächsten Tag noch sehen werden, bevor ich zur Arbeit gehe. "Na sicher, warum net!", hat er fast ein bisschen unwirsch geantwortet. Dann hat er noch ganz lieb gesagt: "Das müsste sich schon ausgehen." Das waren die letzten Worte, die ich von ihm gehört habe.


    Kurz darauf stand eine Nachbarin aufgeregt vor der Tür und meinte: "Komm, schnell, da ist was mit deinem Mann passiert. Er ist da vorne auf dem Parkplatz zusammengebrochen." Ich bin sofort mitgerannt, und da lag er. Neben ihm kniete ein Ersthelfer und hatte schon mit Herzmassage begonnen und bevor ich noch wirklich erfasst hatte, was los war, kam schon ein anderer Nachbar angesaust, der bei der Rettung arbeitet und setzte in die Wiederbelebungsmaßnahmen mit ein.


    Etwa 10 Minuten später trudelten ein Rettungs- und ein Notarztwagen ein. Nachdem sich der Notarzt einen ersten Überblick verschafft hatte meinte er: "Das sieht nicht gut aus." Ich habe mir nur gedacht, was meint er damit? Ungefähr eine halbe Stunde bin ich daneben gestanden und habe zugesehen, wie das Team sich um meinen Mann kümmerte. Dann habe ich es nicht mehr ausgehalten und bin zurück nach Hause gegangen.


    Ein bisschen mehr als eine Stunde nachdem sich mein Mann von mir verabschiedet hatte, eröffnete mir der Notarzt, dass alles Menschenmögliche getan wurde, aber leider konnten sie nichts für ihn tun. Ich war wie paralysiert, bin total neben mir gestanden und habe nur noch "funktioniert". Ich habe den Notarzt und den Sanitäter und die Polizistin, die ihn begleiteten, hereingebeten und alle Fragen beantwortet. Ich war mittendrin im schlimmsten Moment meines Lebens und fühlte mich doch sooooooo weit weg.

    Seit vielen Wochen stöbere ich immer wieder als "stiller Mitleser" in diesem Forum und bin bestürzt über die vielen, verschiedenen Schicksale, die doch alle eines gemeinsam haben - den Verlust eines geliebten Menschen. Manchmal vergesse ich dabei meinen eigenen Kummer, doch letztendlich wird mir doch wieder bewusst, was mich auf diese Seiten geführt hat. Lange habe ich gezögert, mich zu registrieren, weil ich mir nicht sicher bin, was ich mir von diesem Forum erwarte bzw. erwarten kann, aber ich glaube, dass der Austausch mit "Gleichgesinnten" helfen kann, diese unbeschreibliche Situation ein wenig erträglicher zu machen.


    Obwohl ich Familie und Freunde habe, die sich um mich kümmern, habe ich das Gefühl, dass es nicht wirklich jemanden gibt, mit dem ich über das wirre Chaos an Gedanken und Gefühlen reden kann. Wahrscheinlich sind sie damit überfordert und wissen nicht, wie sie reagieren oder antworten sollen. Vielleicht ist es ihnen auch lästig, immer wieder das selbe von mir zu hören. Niemand kann mir meinen Schmerz und meine Trauer nehmen und eigentlich ist dazu auch alles schon gesagt, besprochen und zerredet, aber abgeschlossen ist dieses Kapitel meines Lebens noch lange nicht und wird es wahrscheinlich auch nie sein.