Liebe Jessica,
ich kann mich nur Chris anschließen: Besuch sie! Unbedingt! Du kannst mit ihr Erinnerungen "teilen" und damit auch "verdoppeln" und die Erinnerungen sind es, die die Verbindung zu den Toten nie abreißen lassen. Und damit kriegst du eine Bestätigung, dass "loslassen" ja niemlas "weg sein" heißt.
Tut mir leid, dass ich dich so verunsichert hab und jetzt so spät antworte, aber ich war ein paar Tage weg!
Meine Angst-Geschichte hat kurz vor der Trennung von meinem Ex-Freund begonnen und sie hatte etwas mit der anstehenden Trennung (die ich mir nicht eingestehen wollte) zu tun. Ich hab ein bissl an mir selber "herumgedoktert" (habe mich meinen Ängsten gestellt und hab mich konfrontiert und geübt). Es ist mal besser mal schlechter gegangen damit. Nach einer Weile hab ich gemerkt, dass es gut ist, mein Verhalten zu trainieren, indem ich mich mit meinen Ängsten konfrontiere, dass die Ursache aber wohl woanders liegen muss und dass es mit meinen ständigen Angst-Trainings auf der Verhaltensebene (die ja sehr anstrengend sind) nicht getan war. Ich hatte Platzangst und zwar vor "größeren Plätzen" und habe z.B. geübt "über die Straße" und "zum Einkaufen" zu gehen. Ihr wisst gar nicht, wie viele "Plätze" es plötzlich gibt, wenn man sie fürchtet *ggg*)
Ich hab mir dann über die Psychologische Ambulanz der nächsten Klinik (das war in Innsbruck) eine Therapeutin gesucht/suchen lassen. Das ist eine gute Möglichkeit, die richtige zu finden! Ich stimm dir zu, dass es sonst gar nicht so einfach ist. Ich habe sie gefunden und sie hat mir sehr geholfen! Die Platzangst wurde weniger, wenn ich ab und an kleinere Attacken hatte, konnte ich die gut steuern.
Ich habe folgende Devise: Wenn du z.B. eine arge Angina hast und du merkst, du brauchst Hilfe, weil du leidest und die Angina mit Gurgeln und Neoangin selber nicht in den Griff kriegst, dann gehst du zum Arzt. Da denkt sich keiner was.
Wenn jemand psychisch leidet (und dann ist er ja noch lange nicht gestört oder verrückt), ist es plötzlich unmöglich, sich Hilfe zu holen! Warum denn?
Es gibt Profis für den Körper und Profis für die Seele. Wir brauchen sie nicht in jedem Fall, aber wenn sie unser Leiden verkürzen oder sogar dafür sorgen, dass es nicht "chronisch" wird (das wäre dann sowohl psychisch als auch physisch "krankhaft"), dann sollten wir uns doch einfach an den jeweiligen Profi wenden! Why not!?
Verrückt ist nicht, wer zum Psychologen/Psychotherpeuten geht, sondern verrückt ist der, der sich nicht helfen lassen will.
Nachdem ich meine erste Angstgeschichte gut gemeistert habe und einen neuen Mann gefunden habe, von dem ich dann auch prompt schwanger wurde , habe ich also ein Kind gekriegt. Meinen Sohn Leon. Und der wäre mir mit 5 Wochen fast gestorben (komplizierte Geschichte, erzähl ich vielleicht ein ander Mal). Und nach diesem traumatischen Erlebnis haben meine Angst-Attacken wieder begonnen und ich bin in eine ziemlich tiefe Depression geschlittert. Da war es dann wirklich wichtig, wieder psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ich bin wieder zu meiner Therapeutin gegangen und sie hat mir "mein Leben wiedergegeben" und wahrscheinlich hat sie es gerettet.
Heute geh ich zu ihr, wenn ich mal das Gefühl hab, ich muss ein paar Dinge ordnen oder klarer sehen und sie soll mir dabei helfen. Das macht sie grandios. Das kostet mich ein oder zwei Sitzungen und erspart mir eine Menge Kopfzerbrechen und Unsicherheit. Das hat jetzt nix mit "Verrücktheit" oder "Krankheit" zu tun. Wir können manchmal jemanden gut gebrauchen, der es gelernt hat, einen auf einem bestimmten Weg schneller weiterzubringen und Sackgassen zu vermeiden.
Wie du dich deinen Ängsten und deiner Trauer stellst ... das machst du bereits super! Wenn du merkst, es wird nachhaltig besser, dann ist es gut. Aber wenn du merkst, da schwelt was im Unterholz und es ist gut, wenn jemand hilft, wenn es hoch kommt oder dass es hochkommt, dann scheu dich nicht, hier einfach zum Profi zu gehen.
Was deinen Vater betrifft: Wie kommst du drauf, dass er dich für verrückt halten würde? Weißt du das oder glaubst du das?
Alles Liebe!
Christine