Hallo Geckolein,
hast du wirklich niemanden, der dir jetzt ein bisschen zur Seite stehen könnte?
Du bist gerade dabei, dich von deiner Mutter zu verabschieden, was sehr schmerzhaft für dich ist. Der Verlust deines Bruders, den ihr nicht bewältigt habt, kommt jetzt auch wieder hoch, was die Situation für dich besonders schwer macht. Da wäre es schon gut, wenn es noch eine Freundin oder einen Freund gäbe, die/der für dich da wäre. Vielleicht gibt es ja jemanden, nur der oder die weiß nichts davon, weil du nicht drüber sprichst?
Vielleicht hilft dir der Gedanke, dass die Trauer, die du jetzt empfindest, ein Zeichen dafür ist, dass du mit deiner Mutter sehr verbunden warst/bist. Stell dir mal vor, du wachst morgen auf und die Trauer ist weg, spurlos verschwunden, sie kommt auch nicht mehr. Deine Mutter stirbt und auch dann - keine Trauer. Was wäre dann?
Ich habe diese Frage unlängst einer Frau gestellt, die sehr plötzlich ihren Mann verloren hat und mir berichtet hat, wie unerträglich schmerzhaft es für sie ist, die gemeinsame Wohnung am Abend zu betreten. Auf meine Frage, was wäre wenn ..., hat sie geantwortet: Das ist unvorstellbar, das könnte nicht sein, das wäre nicht normal, wenn ich den Schmerz nicht hätte.
Trauer ist der Preis, den wir dafür bezahlen, wenn wir im Leben das Glück hatten, jemandem sehr verbunden zu sein. Anders ausgedrückt: Trauer ist die Verlängerung der Liebe zu einer Person über den Tod oder einen Abgrund hinaus. In deinem Fall ist es nicht erst der endgültige Tod deiner Mutter, der in den nächsten Monaten zu erwarten ist. Deine Mutter ist in den letzten Jahren für dich schon viele Tode gestorben, - mit jeder Verschlechterung ihres Zustandes, den du ja als Abgrund bezeichnest. Du trauerst jetzt schon und du leistest Trauerarbeit, die andere oft erst nach dem Tod leisten. Das ist eigentlich "gut", denn du hast die Chance, dich dadurch sehr bewusst zu verabschieden.
Vielleicht gelingt es dir, mit diesen Gedanken deinen Schmerz und deine Trauer anders zu bewerten und kannst damit öfter bei deiner Mutter sein. Ich wünsche es dir jedenfalls sehr. Sie erkennt dich zwar nicht, aber sie spürt, dass jemand da ist. Sie versteht dich zwar nicht, aber sie hört ja deine Stimme. Und genau das ist wichtig, dass sie sich sicher fühlt. Kommunikation mit Alzheimer-Patienten im letzten Stadium oder mit Sterbenden funktioniert sehr basal, sehr körperlich.
Das Begräbnis jetzt schon zu planen, ist deine Art dich ganz bewusst und liebevoll zu verabschieden, indem du deiner Mutter und dir einen schönen Abschied planst. Ich kann mir schon vorstellen, dass du dich zwiespältig fühlst, aber was du machst, ist richtig und wichtig. Du wirst unmittelbar nach ihrem Tod nicht überwältigt sein von der Organisation der Bestattung, du wirst für den letzten Abschied Zeit und Ruhe haben und du wirst keine Schuldgefühle haben, weil du in der Hektik etwas unbedacht oder falsch gemacht/gewählt hast. Es täte uns allen gut, wenn es üblich wäre, so achtsam mit dem Abschiednehmen und der Abschiedsfeier eines Menschen umzugehen, wie du es tust.
Alles Liebe und Gute
Christine