Liebste Katarina und Amitola,
eigendlich sollte ich inzwischen im Tiefschlaf sein. Eigendlich sollte ich unter "Nächtliche Umtriebigkeit" schreiben, aber ich tue es hier weil es um dieses Thema "ich sein" geht. Habe auch schon im Bett gelegen und meine Schäfchen gezählt.
Dies weil mich der heutige Tag wohl doch mehr umgehauen hatte als ich gedacht hatte, als ich heute Mittag beschloß die Entrümplung selber in die Hand zu nehmen. Das war nicht nur eine übergroße körperliche Herausforderung für mich, sondern vor Allem hat es irre an den Emotionen gezehrt. Und das Gefühl von "Hurrraaa" ich habe es geschafft und "haach sooo großartig" ist bei weitem bei mir noch nicht angekommen. Das war aber noch nicht Alles für heute gewesen, denn danach war ein Termin bei meiner Bank an der Reihe ehe ich Saturn tüchtig auf die Socken treten ging damit die endlich liefern was ich schon bezahlt habe. Die Kröhnung dann noch heftige Hiobsbotschaften aus Italien als ich mit meiner Mutter skypte.
Und obendrauf lag es mir schwer auf der Seele das meine Worte vielleicht als kaltschneuzig, anmaßend und vielleicht sogar beleidigend verstanden wurden - da sie absolut NICHT so gemeint waren. So hat es mich enorm gefreut das Du - meine liebe Katarina - verstanden hast was ich sagen wollte. Bzw. das es einen gewissen Grad von Mut und Stärke benötigt um zu seinem "Sein" zu stehen. Genau DAS was ich immer wieder versucht hatte zu vermitteln, und heute Nacht füge ich noch hinzu daß nur wenig mit Einkommen, Lebenssituation und dem äußerlichem Erscheinungsbild etwas zu tun hat. Es ist etwas was meiner persönlichen Meinung nach einzig und alleine von innen und eigener Überzeugung kommt.
Wie Katarina es so schön beschrieben hat, hat es auch kaum etwas mit Macht zu tun, denn gerade die Jenigen die in oberstern Führungsposi-
tionen sind haben die Tendenz sich hinter ihrer Uniform oder dem Ansehen der ihr Beruf mit sich bringt zu verstecken. Habe durch den Beruf meines Mannes jede Menge davon kennen gelernt. Und ohne bösartig klingen zu wollen war mein eigener Mann leider von der selben Partie. Etwas was ich leider erst viel zu spät bereit war als eine sehr häßliche Realität zu verinnerlichen.
Und Dir, liebste Amitola, möchte ich sagen das es mir aufrichtig leid tut wenn ich Dich ein wenig angefahren habe aber das war ganz gewiß nicht böse gemeint. Vielleicht muß ich erst noch lernen mit meinem NEUEN "ich" besser umzugehen, was sich so irre stark verändert hat seit dem Tod meines Mannes. Als ich sagte das ich mir berufsmäßig keine Maske mehr ausstülpen muß war das gewiß kein Prahlen über meine heutige Situation. Eher eine riesige Erleichterung, denn es gibt wohl nur wenige Berufe - wie mein damaliger als Flugbegleiterin - wo Dauer-Gummi-Grinsen zur Berufskleidung gehöhrt. Du wirst lachen, aber oft genug wurde von meinen Vorgesetzten in den Beurteilungen notiert das ich nicht genug grinse - obwohl ich so manchen Flug mit wortwörtlichen Gesichtskrämpfen verließ! Ein Grund mehr warum ich heutzutage einen enormen Respekt vor den Leuten habe die das täglich liefern müssen um ihre Existenz nicht auf das Spiel zu setzen.
Und ja, seit meines ersten Besuches in unserem wundervollen Forum habe ich mich sehr stark verändert. Zum großen Teil Dank aller liebevollen und nachsichtigen Unterstützung aber auch aus eigener Kraft. Die letzten fast 10 Monate waren die intensivsten meines Lebens im Zusatz zu der Wegbegleitung meines Mannes, und ohne es so bewußt geplant zu haben, habe ich eben ein Selbstbewußtsein entwickelt was ich so voher nie kannte. Von klein aus wurde ich dazu gebimmts immer Alles richtig zu machen - bzw. für den Gefallen Anderer. Ja, man hatte mich zur perfekten "Ja-und Amen" Person gemacht im Namen des Friedens rundherum. Das ging auch munter weiter als ich im jungen Alter auf mich alleine gestellt war da ich ja abhänging von einem Einkommen war. Nun ja, und wärend meiner Ehe verlohr ich komplett meine eigenes "ich" da ich stehts im Schatten meines Mannes stand. Etwas was mich auch für viele Jahre nicht besonders gestöhrt hatte weil ich mir erneut einbildete Alles richtig zu machen.
Ehe mein Posting zum Roman mutiert ... meine Veränderung began als ich durch seine Krankheit Verantwortung für ziemlich Alles übernehmen mußte, und dies erst recht nachdem mein Mann verstorben war. Liebste Amitola, das Alles hat auch sehr meine Einstellung gegenüber meinem "ich" stark verändert, und das erste was ich gemacht habe nach seinem Tod war das ich mir Nichts mehr überstülpen lasse blos damit Alles happy bleibt. Habe es viel zu oft gemacht das ich irgendwo mitgegangen bin aus genau diesem Grund um eine Auseinandersetzung zu vermeiden - mich elend den ganzen Abend langweilend. Oder bin in irgend ein Billiglokal mitgegangen aus selbigen Grund un mich riesig darüber geärgert das mir der Mampf die ganze Nacht im Magen herum gegangen ist. Bin auf so manche Konzerte gegangen als "Noteinladung" und habe die Stunden damit verbracht alle Nase lang auf die Uhr schielend. Liebste Amitola, Dinge die ich mir heutzutage einfach nicht mehr antue auch wenn der Eine oder Andere es nicht versteht oder sich gar beleidigt fühlt.
Um mein ellenlanges Posting endlich zu beenden ... all Das ist ein Selbstbewußtsein was mir selber noch sehr neu ist und von dem ich gerade erst angefangen habe zu entdecken wie irre befreiend es sein kann von allmöglichen Zwängen und Pflichtgefühlen. Einfach nur SEIN, anstatt sich immer wieder anzupassen, und es akzeptieren können das es immer wieder Menschen geben wird die damit nicht klar kommen würden. Meine liebe Amitola, vielleicht wirst Du Dich noch erinnern wie ich meinen Mann bestattet habe. Ich kann es nicht in Worten fassen was es für mich für ein extrem harter Kampf war allmöglichen Leuten zu sagen das sie nicht eingeladen waren und warum. Blicke ich heute zurück war es die erste beste Entscheidung meines neuen Lebens auch wenn mein Mann gewiß nicht glücklich damit gewesen wäre. Allerdings war er auch Einer der seinen größten Feind des lieben Friedens wegen eigeladen hätte um anschließend zu meckern wie ein Rohrspatz.
In diesem Sinne wünsche ich Euch beiden - und das ist echt von Herzen gemeint - eine erhohlsame Nacht und einen guten neuen Tag,
Hanna