Liebe Angie,
ebenfalls tief berührt hab ich gelesen, dass deine Mutter heute gehen durfte,
mein aufrichtiges Beileid zu dir.
...ich kann gut nachfühlen dass du den Eindruck haben magst, du hättest es noch aussprechen müssen, was an Worten in dir war.
Da war diese ganz intensive, besondere Berührung und der Blick, mit dem deine Mama dich so intensiv erreichen konnte ... du hast es verstanden, und bestimmt hat sie genauso in diesem Moment auch deine Antwort verstanden, gefühlt. Es war ihr ja ganz wichtig dass du es weißt, sonst hätte sie nicht alle Kraft dafür aufgebracht denke ich gerade...
Wir können nicht nicht kommunizieren heißt es. Habt ihr vielleicht nicht alles gesagt, in diesem Augenblick und die Begriffe und Worte dazu kamen dir Später dazu, so wie man eben durch Sprache und Worte die Gefühle zu fassen, zu beschreiben sucht?
Als meine Mami starb war es hörte sie vorher auf zu sprechen. Das hat mich sehr gequält denn unser ganzes Leben lang war Sprache das was uns verbunden hat. Wir waren nicht so gut darin uns abzuknuddeln, zu umarmen, manchmal, aber die eigentliche Intimität entstand über Sprache - und die war nun weg. Meine Therapeutin erklärte mir dann dass Sterbende oft die Kraft verlieren, zu sprechen - ich wusste das aber es zu erfahren ist etwas ganz anderes. Ich war auf einmal alleine mit mir, mit ihr, mit uns, mit meinen Worten.
Jetzt denke ich: es war auch eine Chance noch einmal ganz intensiv auf dieser nicht sprachlichen Ebene zusammen zu sein. Ich ertrug es kaum dass sie nicht sprechen konnte, redete teilweise mit ihr, und empfand nur schmerzlich dass sie nicht antworten konnte und unsere Art uns zu verständigen wie wir sie gekannt und geliebt hatten, nicht mehr da war. Manchmal hatte ich auch das Gefühl es tat meiner Mutter weh nicht mehr die Kraft zu haben, zu antworten. Und doch blieb schlussendlich nichts ungesagt, dass sage ich nun ein Jahr später.
Vielleicht war das EUER Moment, des Verstehens, des Begreifend, des ganz auf allen Ebenen euch einander erfahrens, austauschend, in einigen Sekunden wie man sagt dass sich ein Leben abspielen kann wie ein Film - die Essenz eurer gemeinsamen, so vielschichtigen und tiefen Mutter-Tochter Beziehung und dann darin das Verzeihen, das sie zum Loslassen gebraucht hat, und wo ich dir wünsche dass auch du zu einem Frieden finden kannst?
Dass das jetzt noch nicht möglich ist, verstehe ich auch.
Angie, ich wünsche dir ganz viel Kraft, und ich freue mich auch mit tiefer Anteilnahme, dass deine Mama gehen konnte, denn du beschreibst ja wie sehr sie mit dem Zustand gehadert hat, hilflos zu sein, nicht mehr sie selbst zu sein, dieser letzte Teil des Weges, den du ihr so erleichtert hast.
Fühle dich umarmt, so du willst, oder deine Hand sanft gedrückt...
Ich fand noch ein Zitat als ich für dich suchte, eben
Alles Fertige, sagt man, alles Fertige hört auf,
Behausung unseres Geistes zu sein.
- Max Frisch-
Ich blieb bei diesen Worten hängen, mein Gedanke war dass die Sprache etwas manchmal "fertig" macht, eine Situation, dass manchmal eine einfache Berührung, ein Blick, eine Gegenwart mehr offen lässt, lebendiger da ist... ich wünsche dir dass dieser Moment, die Berührung, der Blick, das Verzeihen etwas ist, das noch da ist für dich, und auch ohne Worte Bestand hat.
Und du mit einem inneren Frieden dann weiter gehen kannst...
Für Dich und Deine Familie, und deine Mutter liebe Angie alle Liebe,
Malena