Lieber Matthias,
Soo viele liebe Glückwünsche zu deinem Geburtstag!
Du siehst, du bist doch nicht so alleine, wie du meinst. Hier denken so viele an dich und nehmen - trotz eigenem Kummer - Anteil an deinem Leben...fühlen mit dir... verstehen dich.
Auch ich schließe mich den Glückwünschen an. 
Aber ich wäre nicht blaumeise, wenn ich nicht folgendes schreiben würde (auch wenn du mich innerlich verfluchst
) Aber ich habe es dir ja schon angedroht, dass ich dich immer wieder auf folgendes stoßen werde.
Es tut mir so weh, dich so leiden zu sehen. So ohne Hoffnung, Zuversicht, ohne Lebenswille.
Und ich verstehe dich!!
Aber -
(und jetzt kommt das große Aber) -
diese Gefühle werden sich ändern.!!
Das darfst du mir ruhig glauben, denn ich schreibe das aus meiner eigenen leidvollen Erfahrung heraus.
Du darfst dir den Tod wünschen aber wirf dein Leben nicht sooo schnell leichtfertig weg. Gib dir Zeit.
Tun kannst du das immer noch - aber bitte jetzt noch nicht.!!!!
Jetzt denkst und fühlst du so. Aber wie wirst du in ein, zwei Jahren denken, wie wirst du dann fühlen? Das weiß niemand. Auch du nicht!!
Kann sein, dass du dich dann noch so fühlst und dann kannst du diesen Schritt immer noch gehen. Es kann aber auch sein, dass sich dir im Laufe der Zeit neue Wege auftun., dass du dich wieder Schönem öffnen kannst... Wer weiß.?!
Gib dir und deinem Leben eine Chance,. Probiere es einfach aus und wie gesagt, du kannst immer noch....
Verkrümel dich nicht einfach. Verkrümeln ist verhältnismäßig einfach.Sorry für diesen harten Satz. (Aber so empfinde Ich...)
Sich dem Leben stellen, dem Schicksal trotzen ...ist schwer... Zum Leben ja sagen - trotz allem - verlangt Mut, fordert einem immens viel Kraft ab. Doch das, lieber Matthias, traue ich dir zu.
Es ist noch zu früh, um zu gehen. Es ist noch zu früh,um aufzugeben. .
Glaube mir, man kann lernen mit dem Schmerz, mit dem Verlust, mit der Sehnsucht zu leben. Doch das geht nicht von heute auf morgen. Das geschieht nicht innerhalb von Wochen oder Monaten. Manchmal dauert es Jahre.!! Trauer braucht eben Zeit. Abschiednehmen braucht Zeit. Viel, viel Zeit.E
Einen neuen Platz im Leben finden, sich neu orientieren, sich selbst wieder finden... all das benötigt Zeit.
Es dauert lange, bis man ins "normale" Leben zurückfinde
Das Leben wird irgendwann wieder lebbar.
Auch du wirst in deinem Leben einen neuen, anderen Lebenssinn finden.
Ich weiß, das klingt in deinen Ohren zynisch. Aber es entspricht den Erfahrungen der meisten "Alt"trauernden.
Du wirst nicht dein ganzes Leben so fühlen, wie jetzt. Es werden sich hin und wieder gute Momente in dein Leben einschleichen und dann - fast unmerklich - ereignen sich immer mehr gute Tage als schlechte.
Du wirst nie über den Tod von Dorit "hinwegkommen", Die Sehnsucht wird immer bleiben, aber alles bekommt eine andere Qualität.
Doch das ist Zukunftsmusik - daran möchtest du jetzt noch nicht denken.
Aber ich möchte in dir ein kleines Pflänzchen der Hoffnung pflanzen, möchte dir ein wenig Angst vor der Zukunft nehmen.
Ja, ich weiß Matthias und verstehe es vollkommen:, jetzt ist der Schmerz für dich unerträglich.... Jetzt willst (kannst) du nicht mehr... . Jetzt zerbricht dein Herz.... Immer und immer wieder.... Es ist für dich die Hölle.... Jetzt weißt du nicht mehr ein noch aus... . Jetzt ist für dich jeder Tag ein Weltuntergang...Jetzt ist die Sehnsucht nach Dorit riesengroß.....
Dass da der Wunsch nachzusterben da ist, ist völlig nachvollziehbar. Ich kenne fast keinen Trauernden, der nicht auch solche Gedanken und Wünsche hat. - zumindest zeitweise. Das ist völlig normal und gehört irgendwie zur Trauer. Aber das dann in die Tat umsetzen ist allerdings was anderes.
Bitte gib dir Zeit und entscheide.. erst später
Dass dieser Schmerz dich so massiv quält ist doch klar. Dass du dich allein und hilflos fühlst ist völlig normal. Du begreift doch erst jetzt, dass Dorit nicht mehr körperlich da ist. Du begreift doch erst jetzt diese Endgültigkeit. Bis jetzt warst du doch noch im Schockzustand, irgendwie noch im Verleugnungsmodus.... Und nun schlägt die Realität grausam zu... das wirkliche Erkennen.
Dass dich da der Schmerz überflutet und umhaut ist doch klar.
Du stehst erst jetzt am Anfang des Trauerweges und der führt nur durch den Schmerz - es gibt da kein daran vorbei mogeln. Das ist bitter aber wahr.
Und der Schmerz hat aber auch sein Gutes. Er hilft dir (klingt zynisch, ich weiß) diesen Verlust zu "verarbeiten", hilft dir letztendlich mit dem Verlust zu leben.
Diese Phase kann Jahre dauern!!!
Und wir alle, jeder einzelne von uns hier, geht da durch. Ich, Uwe, Karin, Lilifee, Sky um nur einige zu nennen. Für niemanden ist es "leichter". Jeder trauert hier. Jeder auf seine ihm gemäße Art und Weise.
Ich bin davon überzeugt : jeder von uns wird den Schmerz überleben. Zumindest ist das mein Wunsch für jeden hier.( stell dir mal vor, jeder hier würde aus dem Leben gehen.....ich mag das gar nicht zu Ende denken)
Auch du Matthias, wirst den Schmerz überleben. Aber dazu ist wichtig, dass du den Schmerz erst einmal akzeptierst. Akzeptierst, dass er nun mal zu dir gehört, zur Zeit ein Teil von dir ist... so weh es auch tut. Der Schmerz hat seine Berechtigung, denn du hast ja deine Dorit verloren, das dir Allerwichtigste auf der Welt.
Setz dich mit diesem Schmerz auseinander, (betäube ihn nicht durch allzuviel Tavor) damit die Wunde beginnen kann , zu vernarben.
Setzt dich realistisch mit deinen Schuldgfühlen auseinander. Vielleicht kannst du irgendwann erkennen, dass du keine Schuld trägst. Du bist nicht Gott. Du bist nicht unfehlbar.... Aber darüber haben wir uns ja schon unterhalten....
Heute geht es mir hauptsächlich um deinen Wunsch zu sterben.Daher schreibe ich dir heute. Ich habe Angst um dich. Sorge mich um dich.
Mir geht es zur Zeit auch sehr schlecht. Neben meiner Trauer um Klaus und neben den immer wieder aufkommenden, zerstörerischen Gedanken bzgl. des Schienensuizids meiner Mutter (ich war damals 11 Jahre, als ich sie verlor) stecke ich noch zusätzlich mitten in meiner Chemo. (und die haut mich derzeit ziemlich um). Dennoch will ich leben - Trotz den Widrigkeiten.
Wie du weißt, versuchte ich vor Jahren mich umzubringen. Und 2018/19 kämpfte ich wieder mit zwanghaften Suizidgedanken.
Was ich dir damit sagen will? Ich weiß daher, wie es sich anfühlt lebens-müde zu sein., keine Zukunft mehr zu sehen, keinen Sinn im Weiterleben... Aber ich weiß eben auch, dass sich der Blickwinkel aufs Leben ändern kann. Jetzt bin ich froh, dass es damals nicht geklappt hat... Jetzt in der Rückschau.!
Jetzt weiß ich, dass ich stärker bin, als ich dachte. Jetzt weiß ich, dass der Mensch sehr, sehr viel ertragen kann. Jetzt weiß ich, dass man überleben kann.Jetzt weiß ich, das wir die Verantwortung für unser eigenes Leben haben., für unsere eigene Entwicklung. Es liegt an uns, was wir aus unserem Leben machen.-egal welcher Schicksalsschlag uns trifft. Jetzt weiß ich, dass "gute" Dinge auf einen zukommen können, die man vorher nie erahnen konnte... Niemand kann in die Zukunft schauen...
Die Vergangenheit ändern wir nicht, egal wie wir uns abstrampeln und aufbegehren. Aber die Zukunft, die können wir noch beeinflussen.
Es ist unglaublich, was unser Herz auszuhalten vermag. Ich hätte das früher nie für möglich gehalten und staune immer darüber, wie stark man ist, obwohl man das Gefühl hat, dass der Boden unter den Füßen wegrutscht und man ins Bodenlose stürzt.
Halte noch ein bisschen durch und glaube an das Leben.
Auch wenn du selbst es für dich nicht glaubst. Ich glaube an deine Kraft. Im Augenblick schlummert sie gerade, aber sie wird immer stärker in dir zu spüren sein - vorausgesetzt du lässt das auch zu.
Glaube an deine Kraft.
Die große Liebe zu Dorit gibt sie dir und Dorit schickt sie dir auch.
Ganz bestimmt.
Jeder Tag den wir schaffen, stärkt uns.
Zum Schluß ein paar Worte ,die ich mir oft vor sage, wenn es mir schlecht geht. Sie sind einem Lied von Grönemeyer entnommen.
"Ich gehe nicht weg.
Hab meine Frist verlängert.
Neue Zeitreise
Offene Welt
Hab dich sicher
In meiner Seele
Ich trag dich bei mir
Bis der Vorhang fällt
Ich trag dich bei mir
Bis der Vorhang fällt"
aus dem Lied "Der Weg" von Herbert Grönemeyer
So, jetzt hast du wieder Ruhe vor mir 
Ende meiner Predigt 
Ich denke, Dorit ist heute an deinem Geburtstag bei dir und wünsche dir, dass du sie ganz fest spüren kannst.
Alles Liebe dir
blaumeise 
Ich hoffe, ich habe nicht allzu wirr geschrieben (mein Kopf spielt ein bisschen verrückt, Chemobrain sagt man dazu) und ich konnte rüberbringen, was und wie ich es meine.
Ich wünsche dir von Herzen einige leichtere Momente