Liebe Sunbabe,
Ich spüre bei dir so viel Kummer, so viel Verzweiflung, so viel Angst, so viel Schmerz...und am liebsten würde ich dich jetzt in den Arm nehmen und dich, ohne große Worte ,
hin und herwiegen oder zumindest deine Hand halten. Leider geht das nicht aber fühle dich - wenn du magst - sanft umarmt
Du kannst dir wahrscheinlich nicht vorstellen, wie sehr ich dich verstehe .Ich kenne dieses düstere Gefühl, wenn man keine Perspektive in seinem Leben sieht, wenn alles irgendwie keine Bedeutung mehr hat, wenn man sich zutiefst einsam fühlt und man überlegt, ob man Aufgeben oder weitermachen soll.
Aber glaube mir liebe Sunbabe, "Aufgeben ist keine Option".( siehe mein leider etwas verwaister thread unter " Dies und das)
Auch ich bin durch die Hölle gegangen ( vielleicht erinnerst du dich an meine Antwort hier in deinem thread, als ich dir von Meinem Umgang mit meinen Schuldgefühlen schrieb).
Meine Mutter tötete sich selbst - da war ich gerade mal 11. Mein Vater heiratete kurz darauf seine Geliebte ( die kein Kind wollte) und ich wurde innerhalb der Verwandtschaft herumgereicht , bis ich endlich zu liebevollen Pflegeeltern kam, die dann aber leider viel zu früh ,beide gleichzeitig , tödlich verunglückten. Es gäbe noch viel mehr trauriges zu berichten bis hin zu einer bitterbösen Scheidung , finanzieller Not (alleinerziehend, Vater der Kinder zahlt für sie keinen Unterhalt) und .und .und. Aber das gehört jetzt nicht hierher.
Jeder Einzelne hier hat so sein Päckchen zu tragen...
Auch mir fällt es schwer zu vertrauen - sowohl Fremden, als auch sog. Freunden.Ich weiß eben, wie grausam Menschen sein können, besonders die, denen man vertraut und die dieses Vertrauen vehement einfordern.
Es gab Zeiten, da fühlte ich mich wie das sprichwörtliche 5. Rad am Wagen, glaubte von anderen ignoriert zu werden, fühlte mich ganz und gar nicht liebenswert und oft von anderen "im Stich gelassen"., fühlte mich selten zugehörig, sehr einsam und allein
Bis vor einigen Monaten ,litt ich eineinhalb Jahre lang , durchgehend an einer schlimmen Depression mit zwanghaften Suizidgedanken. (nicht dazugezählt sind die vielen, kürzeren, depressiven Phasen seit meiner frühen Jugendzeit.)
Sunbabe, vieles was du so schreibst, erinnert mich an diese Zeiten. Ich bin kein Arzt und keine Fachfrau, aber könnte es sein, dass du in einer waschechten Depression steckst? Wenn ja, bräuchtest du fachgerechte Hilfe, um da "raus" zu kommen.Das schafft man alleine nicht.
Ich habe lange - viel zu lange - gebraucht, um mutig genug zu sein und professionelle Hilfe einzufordern. Es ist mir sehr schwer gefallen , meine Depressionen zu akzeptieren und dazu zu stehen
Für mich waren D. ein Zeichen für Charakterschwäche, ein moralischer Makel. Aber das ist es nicht!
Ich war einige Zeit stationär - sowohl kurze Zeit in der Psychiatrie (habe mich selbst eingewiesen) als auch in einer psychosomatischen Klinik. Das war, rückwirkend gesehen, die BESTE Entscheidung gewesen, die ich in den letzten Jahren getroffen habe. Es gibt zwar immer noch viele Auf und Abs , aber alles ist nicht mehr so qualvoll, so lähmend , voller Schuldgefühle .. Vor allem - diese zermürbenden Gedanken ans AUFGEBEN sind nicht mehr da.
Zur Zeit muss ich mich einer Chemo unterziehen.Und weißt du was? Noch nie fand ich das Leben so lebenswert, so spannend ! Trotz allem. Noch nie habe ich so gerne gelebt!
Sunbabe, bitte, versuche nie die Hoffnung aufzugeben
Zitat Sunbabe:
"soll ich aufgeben oder mich nocheinmal aufraffen? Lohnt sich das für die paar Jahre überhaupt? ... aufgeben ist natürlich bequemer...es ist ja nicht so, als wenn das Leben besser werden würde..
von nun geht es ja eher bergab, sprich noch viele Verluste kommen auf mich zu....."
Tja , liebe Sunbabe, woher weißt du so genau, dass es bergab geht, dass das Leben nicht besser wird.? Sind das unumstößliche Tatsachen, zu 100% bewiesen? Oder "nur" Phantasie? Kopfkino ? Niemand kann in die Zukunft blicken und oft entwickelt sich etwas in eine Richtung, an die man nie gedacht hat bzw nie gewagt hat davon zu träumen. Ich denke, deine Kristallkugel gehört zur Reparatur Ganz dringend. Besser noch: du schmeißt die weg. Die ist vollkommen kaputt ...
Ja, und Verluste, gehören nun mal zum Leben - leider - und je älter man wird, um so mehr Verluste , jedweder Art ,muss man erleiden. So ist das Leben.Da kommt niemand daran vorbei ...Auch wenn es anders viel schöner wäre ...
Übrigens, die Rehaabteilungen sind voll von Menschen mit Querschnittslähmungen (oder anderen ganz schlimmen Folgen), die versucht haben, sich das Leben zu nehmen und denen zum Teil nur noch übrig bleibt, vor sich hin zu "vegetieren", dem Siechtum ausgeliefert. So einfach mal am Rande erwähnt.
Und niemand weiß, was einem auf "der anderen Seite" erwartet.Ob das dann sooo viel bequemer ist? Vielleicht muss man sich noch größeren Herausforderungen stellen. Kann sein, muss nicht.
Ebenfalls einfach mal so zum Nachdenken hingeworfen.
Aber - wie schon erwähnt - ich verstehe deine Gefühle und Gedanken und kann sie gut nachvollziehen
Während meinen Depressionen dachte ich, ich würde soo nicht weiter leben können. Jeder einzelne Tag war ein Kampf. Ich lebte nicht, ich funktionierte nur noch.Ich fühlte mich, als würde ich allein im All schweben - ganz verloren...Ich fand keine Worte, um meine Verzweiflung zu erklären aber ich war fähig, zu lächeln, Witze zu machen, locker zu plaudern und GLEICHZEITIG meinen Tod zu planen. Verrückt nicht?
Kennst du das Buch " Saturns Schatten" von A. Solomon. Darin heißt es:" Mit der Depression bekämpft man zugleich sich selbst". Wie ich finde ein wahrer Satz. Ich habe mich selbst so gehasst, dass ich versuchte, mir das Leben zu nehmen. Inzwischen will ich nicht mehr tot sein! Und ich glaube, dass ich weniger mich selbst gehasst habe, als vielmehr die Person, zu der ich während meiner D. wurde (verstehst du, was ich meine?)
Eigentlich wollte ich auch nicht "richtig" sterben, sondern "nur" ein ANDERES Leben führen...aber ich wußte einfach nicht WIE.Ich wollte nur meine Gedanken, meine Gefühle zum Schweigen bringen...
Eine Depression verändert die Denkweise. Logik, Vernunft und die Interpretation von Fakten und Ereignissen funktionieren nicht mehr richtig . Es liegt in der Natur der D., dass sie das Blickfeld so weit einschränkt, dass Probleme und Schwierigkeiten als unlösbar einschätzt werden. Mein Psychiater sagte mir sogar, dass selbst der IQ in solchen Phasen um etliche Punkte niedriger sei als sonst. Der Verstand ist regelrecht verschleiert , Man ist sozusagen "ver-rückt." (NICHT im Sinne von wahnsinnig) Das Gute - man kann alles wieder zurück-rücken. Die kranke Art zu denken verändern, sich u.a. seine Denkmuster bewusst machen und diese dann auch tatsächlich ändern wollen. Das ist zwar sehr schwer, aber machbar...und geht nicht ohne Hilfe von außen.
Hast du schon mal an Gruppentherapie gedacht?
Was könnte dir etwas Halt geben?
Was erdet dich?
Zitat Sunbabe:
"...ich weiß manchmal auch nicht, was ich schreiben soll,es ist immer das gleiche"...
Na und? Dann schreib doch das Gleiche. Immer wieder. Warum nicht? Das darf man hier. Beim immer wieder schreiben, ordnet sich vieles. Hier ist ein Platz, wo du jammern und klagen kannst - so oft du das brauchst und so lange bis alles weggejammert ist. Wir halten das aus ...
Ich wünsche dir alles Gute.
Vor allem etwas Leichtigkeit, innere Ruhe, Ausgeglichenheit und ganz viel Hoffnung, Zuversicht und Glaube an dich und an das Leben. Hab Geduld mit dir und sei dir deine BESTE FREUNDIN.
Bitte, pass auf dich auf und tu etwas FÜR DICH.
Beschuldige dich nicht so sehr und verurteile dich nicht so sehr, denn DAMIT änderst du nichts an den Tatsachen. Im Gegenteil, du quälst dich nur , leidest unnötig und vergeudest dabei viel zu viel Energie. Energie, die du nutzen könntest, für andere da zu sein, z.B um dich um benachteiligte Menschen zu kümmern etc. Stellvertretend für deine Schwester. Ich denke, das wäre evtl. ein Weg, um deine "vermeintliche Schuld", dein "Versäumnis" (so siehst du es ja) an deiner Schwester "wieder gut" zu machen. Verschenke deine Liebe an Menschen, die deine Liebe, deine Zuneigung, deine Hilfe, dein Können, dein Wissen "not-wendig" haben, an Menschen die DICH brauchen... Wie denkst du darüber? Das soll jetzt keine Bevormundung sein, kein Ratschlag oder so. Es ist nur ein Gedanke von mir, so als Anregung für eine Art Wiedergutmachung, falls dir so etwas wichtig ist. Deine Schwester braucht diese Hilfe nicht mehr - ihr geht es sicherlich gut, egal wo sie ist .... Aber andere, noch Lebende, könnten dich vielleicht gut brauchen...
Liebe Sunbabe, ich hoffe ,ich habe dich mit meinem Beitrag und mit meinen Gedanken nicht verletzt und bin dir auch nicht zu nahe getreten
Wenn doch, schreibe es mir ruhig.
Manchmal vergalopiere ich mich - ohne Absicht - und oft drücke ich mich sehr ungeschickt aus . Zudem neige ich dazu in jedes, noch so kleine Fettnäpfchen, zu hüpfen, ohne es zu merken.
Ich möchte nicht taktlos sein.
Mach's gut
Und vergiss nicht: Aufgeben ist keine Option
blaumeise