Liebe Alle,
habe über die Feiertage viel gelesen hier. War sehr berührt von der vielen Trauer, die ich hier wahrgenommen habe - und von dem Mut ihr zu begegnen, den ich auch immer wieder vorgefunden habe.
Meine Feiertage waren bisher sehr schön. Vor Weihnachten unglaublich viel Arbeit, dann auch noch Zores mit H. - ließ sich alles aufklären inzwischen aber war zwischendurch beängstigend. Es war also beruflich wie privat sehr stressig.
Weihnachten selber dann wirklich schön. Gemeinsam verbracht, gekocht, einander beschenkt - alles sehr harmonisch. Wir waren beide so dankbar über dieses so gelungene Fest. Am 26. 12. habe ich dann endlich ihn mit Lisa und ihrem Freund bekannt machen können. Sie haben sich sehr gut verstanden. Ich hatte ja keine Zweifel daran. Aber H. und auch Lisa waren sehr erleichtert, dass sie einander so sympathisch finden. Wir haben auch eine sehr spannende Ausstellung miteinander besucht und gegenseitig unsere Eindrücke sehr schön austauschen können. Dann noch gemeinsam den Jahreswechsel begangen.
Den zweiten Teil der Ferien verbringt er jetzt mit seiner jüngeren Tochter.
Sie weiß noch nichts von mir - was sehr in meinem Sinne ist. Es geht darum, dass sie nach der Scheidung der Eltern im Frühling und der darauf folgenden Übersiedlung im Sommer jetzt wieder in der neuen Situation Fuß fasst. Es ist, wie gesagt, sehr in meinem Sinne, dass die Kleine (sie ist 13, gerade in der Umbruchsphase der Pubertät also) jetzt einmal gut in der veränderten Situation ankommt. Keinesfalls möchte ich, dass die den Verdacht bekommt, ich sei der Grund für die Trennung ihrer Eltern (bin ich selbstverständlich nicht, die Beziehung lag schon sehr lang im Argen). Aber es könnte ja sein, dass sie nach Gründen sucht und meint, in mir einen zu finden. Das wäre eine schwere Hypothek für unsere spätere Beziehung. Insofern finde ich es gut, dass alles so ist, wie es ist. Außerdem habe ich schon die Erfahrung gemacht, dass sich H. mit gewissen Dingen gern Zeit lässt. Auch mit dem ersten Treffen zwischen uns hatte er es überhaupt nicht eilig.
Allerdings bedeutet das jetzt für mich, dass wir einander doch länger als eine Woche nicht sehen können. Was für mich im Kopf total ok ist, ich komme gut mit mir allein zurecht, mehr noch: brauche Zeit für mich, Ruhe, um mich zu erholen. Trotzdem war die Umstellung von der intensiven Gemeinsamkeit zur jetzigen Situation nicht ganz leicht.
Gestern habe ich eine Freundin getroffen, dann einen ruhigen Abend verbracht. Heute war ich im Sonnenschein spazieren, habe unterwegs auch eine Chorfreundin getroffen und ausführlich mit ihr geplaudert. Inzwischen geht es mir mit dem Ohne-Ihn-Sein sehr gut. Ich denke sogar, es ist wichtig und notwendig, weil ich doch einiges zu bewältigen habe. Ich fühle mich nicht verzweifelt oder hoffnungslos, es geht mir gut. Trotzdem weiß und spüre ich, dass ich etwas zu verdauen habe - und das sollte nicht weggeschoben werden bzw. von gemeinsamen Aktivitäten überdeckt. Ich betrachte es als eine Art Sortieren, was da jetzt ansteht. Etwas, das in der Ruhe, im allein Dahinwerkeln, im Erinnern und Planen etc. quasi von selber geschieht. Wenn ich es geschehen lasse.
Jetzt ist es also sehr viel ruhiger, viel mit mir allein, auf meine Weise jetzt nach anfänglichem Trudeln im Gleichgewicht.
Und ich habe ein neues Projekt begonnen: ich möchte meine Erfahrungen mit Rudis Krankheit und Tod sowie meinem Weiterleben danach in Buchform niederschreiben. Mir ist auch schon von einer Verlagsmitarbeiterin dazu geraten worden (freilich ohne dass das ein konkreter Auftrag wäre, es ist einmal ein Zeichen dafür, dass das Thema potenziell von Interesse ist - nicht mehr und nicht weniger). Gestern habe ich dann eine für mich logische und gut handhabbare Gliederung erarbeitet. Hatte in den vergangenen Wochen schon immer wieder darüber nachgedacht. Mit dem Ergebnis, dass das schon sehr viel Vorarbeit dargestellt hat. Die Gliederung ist mir also recht leicht gefallen und wich war sehr stolz und zufrieden damit. Heute habe ich dann zu schreiben begonnen.Es ist nicht viel bisher, aber es ging ganz gut. Ich glaube auch nicht, dass ich da große Textmengen pro Arbeitssitzung produzieren kann. Ich habe schon gemerkt, wie sehr ich beim Erinnern in der Vergangenheit "drin" bin, wie sehr mich das Schreiben in die Situationen von damals mitnimmt. Und das ist durchaus nicht unanstrengend.
Gleichzeitig habe ich das Gefühl, es wird mir gut tun, das aufzuschreiben. Es auf diese Weise noch einmal zu verarbeiten. Zu sortieren. Es aus mir heraus zu bringen. Und - im Idealfall - auch für andere fruchtbar und hilfreich zu machen. Ich habe ja hier im Forum immer wieder die Rückmeldung erhalten, dass meine Entwicklung, mein Weg ermutigend auf andere wirkt. Das hat mich immer sehr gefreut (und freut mich immer noch), und vielleicht kann ich daraus ja noch etwas mehr machen. Einmal sehen, was das Schicksal da für mich in petto hat.
Irgendwie fühlt es sich gut an, nach all der Zeit des Ausnahmemodus, des Reagierens auf die Situation und der Konsolidierung, jetzt wieder mein Ding machen zu können. Etwas planen. Ein Projekt entwickeln, Reflektieren. Das zeigt für mich, dass zumindest ein Stück weit so etwas wie Normalität Einzug gehalten hat. Es fühlt sich an, als ginge es nicht mehr darum, nur den Ereignissen ausgeliefert zu sein - sondern sie auch selbst zu gestalten und ihnen wieder eine Richtung zu geben.
Allein das fühlt sich sehr gut an. Unabhängig davon, ob ich dann wirklich einen Verlag finde und ob aus der Sache wirklich das wird, was ich mir heute vorstelle.
So, jetzt habe ich viel geschrieben...
Ich wünsche Euch allen einen so-schön-wie-möglichen Abend