Liebe Astrid und alle anderen, die Kurzfassung: Seit heute Nachmittag geht es mir nicht so besonders gut und ich mache mir viele Gedanken über meinen Cousin, bei dem ich ja noch irgendwie in der Kennenlernphase bin.
Wir haben noch eine 2. Wohnung in direkter Nähe zu unserer und mein Cousin samt Hund logiert dort und ich besuche die beiden schon zum Frühstück und dann unternehmen wir jeden Tag etwas Neues bis zum Abend und den Abend und die Nacht verbringe ich alleine daheim.
Wir sind uns beide einig, dass er nicht in meiner Wohnung sein sollte, weil da mein Mann noch sehr präsent ist.
Mein Cousin ist nett und mitfühlend und hält sich auch sehr zurück, trotzdem ist es mir gerade heute nachmittag auf einmal zuviel geworden.
Es ist seltsam, wenn ich zuviel Schönes auf einmal erlebe, kommt das tiefe Loch, in das ich dann hineinfalle, unweigerlich nach ein, zwei Tagen.
Es ist so, dass mein Cousin aus Deutschland kommt, aus einer Gegend die komplett flach ist. Mein Wohnorrt ist eher gebirgig und dazu haben wir sensationelles, sonniges Wetter und er ist total begeistert von meinem Heimatort und der Hund ist richtiggehend aufgeblüht und kann gar nicht genug kriegen vom Spazierengehen bergauf und bergab durch Wald und Feld. Leider schaffen die beiden nicht einmal eine gemäßigte Wanderung, ein Spaziergang von 2 Stunden bringt meinen Cousin schon an seine Leistungsgrenze und er hat nach drei Tagen mit Muskelkater zu kämpfen, während der Hund inzwischen trotz seines moppeligen Äußeren und seiner 11 Jahre zu Höchstform aufgelaufen ist. Es ist eine richtige Freude ihm zuzusehen wie er die freie Natur genießt!
Gestern in der Nacht hatte ich dann noch einen magischen Moment mit einem Freund meines Mannes, den ich schon so lange kenne, wie ich meinen Mann kenne und der in meinem Alter ist und der ebenfalls sehr um meinen Mann trauert.
Ich war mit meinem Cousin und seinem Hund und einer Freundin am Abend in einem Lokal am Fluss essen, es war eine klare Nacht, als wir um ca. zehn Uhr heimgingen. Ich verabschiedete meinen Cousin und nachdem ich gerne in der Nacht unterwegs bin, machte ich mich danach noch zu einem Spaziergang am Waldrand auf, durch die Siedlung, in der Hannes in seiner Jugend gewohnt hat und dann wollte ich Richtung Friedhof gehen.
Es war eine klare Sternennacht, die Berge hoben sich majestätisch vom nächtlichen Himmel ab und auf einmal kam mir der Freund meines Mannes entgegen, bereits auf dem Heimweg von einem Lokal. Wir umarmten uns und sahen auf den Nachthimmel und redeten von Hannes und danach kehrten wir gemeinsam in dem Lokal, aus dem er gerade gekommen war, ein auf ein Achtel Rotwein und unterhielten uns über Hannes. Das war richtig schön mit jemandem über unsere gemeinsame Vergangenheit zu reden und sich so richtig verstanden zu fühlen. Er hat mich dann noch bis zur Haustür begleitet, obwohl ich versicherte, dass das nicht notwendig wäre. Es führte allerdings dazu, dass ich mich richtig geborgen fühlte und auch gut schlafen konnte (es war schon Mitternacht).
Heute machten mein Cousin und ich mit anderen Freunden von mir einen Ausflug auf eine Alm, das war ebenfalls wunderschön und sehr friedlich, Allerdings merkte ich schon beim Heimfahren, dass es mir immer schlechter ging und daheim habe ich dann fast die Flucht ergriffen, ich konnte die Nähe der anderen Menschen, auch wenn es Freunde und ein Verwandter waren, plötzlich nicht mehr aushalten. Eine große Dosis Baldrian Tropfen und 3 Stunden flottes Gehen später und nach dem Anzünden einer Kerze in der Kirche ging es mir dann wieder etwas besser, aber die friedliche Stimmung der letzten Tage ist weg, der Schmerz und die Trauer haben sich wieder erfolgreich ihren Weg gebahnt.
Ich finde es schwierig, mit meinem Cousin, der ja eigentlich ein fremder Mensch für mich ist, weil ich ihn seit meiner frühen Kindheit nicht mehr oft gesehen habe, das verwandtschaftliche Verhältnis zu pflegen, das er sehr gerne betont.
Ihr düft mich nicht falsch verstehen, er ist in keiner Weise aufdringlich und ich finde es nett, wie er mir zuhört und sich kümmert und ich zeige ihm gerne meine Heimat und meine Freunde. Aber ich schwanke immer hin und her zwischen Abstand und Vertrauen und ich muss immer wieder darüber nachdenken, wie ich ihn in mein System einordnen kann, in dem er keinen Platz gehabt hätte, wäre mein Mann noch am Leben.