Liebe Amitola!
Du kannst gern alles fragen, leider ist es mir momentan nur möglich, mich mit meinen eigenen Anliegen zu beschäftigen, weil es mir definitiv absolut furchtbar geht und jetzt 3 Monate nach seinem Tod, habe ich eben das Gefühl, dass es immer schlimmer wird, sodass ich überhaupt kein Licht mehr am Ende des Tunnels sehe.
Ich habe meine Gefühle heute morgen spontan in einer Facebook Gruppe ausgedrückt, ich setzte sie mal unter dem Beitrag in einen Spoiler Tag, dann könnt ihr sie lesen, oder auch nicht (ist eine ziemliche Textwüste).
Und ich beantworte auch gern deine Fragen, das Schreiben hier befreit mich ja sehr und ich wünsche mir nichts mehr, als dass ich irgendwann in ferner Zukunft - in ein bis zwei Jahren, wie du so schön schreibst - auch einmal entspannt auf die Beiträge von verzweifelt Trauernden eingehen und ihnen den Trost spenden kann, dass es wieder besser wird. (Auch wenn ich mir momentan nichts dergleichen auch nur ansatzweise vorstellen kann)
Vielleicht hast du recht, dass ich mich zuviel fordere, ich habe allerdings jede Ruhe und jeden Seelenfrieden verloren, sodass ich für mich leider keine andere Möglichkeit sehe, als mich in dieser Art zu fordern.
Was ich mir vom Besuch meines Cousins erwarte, darüber bin ich in großem Zwiespalt. Ich kenne ihn genau genommen kaum aus der Kindheit und dann von den Telefonaten, die wir führen, seit mein Mann gestorben ist. Er ist nett und vielleicht schaffen wir es gemeinsam, ein bisschen Normalität oder zumindestens Abwechslung in mein derzeitig sehr chaotisches und einsames Leben zu bringen. Ich habe allerdings auch Angst davor, dass ich ihn mit meinen "Zuständen" vergraulen könnte, oder dass ich es bin, die ihn nicht aushalten kann. Ich denke schon wieder viel zu viel über das alles nach und mache mich verrückt damit.
Ich hatte schon immer viel zuviele Gefühle, gepaart mit einer Art Perfektionismus und dem starken Bedürfnis, meine Existenz durch meine Liebsten zu definieren, von deren Zuneigung und Zustimmung ich mich sehr abhängig fühlte. Deswegen habe ich versucht mich anzupassen, so gut es ging und jetzt fällt mir das alles auf den Kopf, weil ich einfach nichts mit mir selber anfangen und es nur sehr schwer mit mir allein aushalten kann. Das mit dem Vollfressen, um meine Gefühle zur Ruhe bringen zu können und mir wenigstens etwas "Gutes" in dieser schwierigen Zeit zu gönnen, habe ich vor drei Tagen wieder versucht, weil ich da das erste Mal wieder so etwas wie Appetit bekommen habe. Leider hat es nicht funktioniert mit dem Beruhigen und angenehme Gefühle zu erzeugen und jetzt habe ich nach 2 Tagen 3 Kilo mehr auf der Waage und zusätzlich zu dem ganzen Elend jetzt wieder die Schuldgefühle und die alten Muster draufgepackt , ganz großes Kino!!
Ja und ich habe Angst, unheimliche Angst, ich glaube die Schallplatte wird zerbrechen und was dann?
Und mit Drogen, meine ich alle Drogen, Beruhigungstabletten, harte Drogen, Alkohol und irgendwie gehört meine Droge, das unkontrollierte Essen da ja auch dazu. Übrigens habe ich in den letzten 2 Tagen jeweils am Morgen eine halbe Tablette Xanor (Diazepam) genommen, aber davon wurde ich nur müde, gegen die Seelenqual hat es nicht wirklich geholfen.
Das Bedürfnis einfach weg zu sein ist momentan wieder übermächtig stark, ich habe einfach nicht genug Fantasie mir vorzustellen, was mich noch auf dieser Welt halten könnte - gleichwohl ist mir natürlich klar, dass ich weiterleben muss, ich habe einfach keine andere Wahl, im Gegenteil ich muss lernen mein Leben alleine zu meistern und so etwas Exotisches wie "Lebensfreude" zu erlangen (es klingt absolut absurd für mich, so oft ich es auch wiederhole)
Inzwischen habe ich auch die spontane Gewissheit, dass ich nicht alleine leben möchte, die ich hatte, als Hannes gestorben ist, relativiert, denn ich habe begriffen, dass ER es ist, den ich wiederhaben möchte und nicht IRGENDWEN, denn niemand kann seinen Platz einnehmen.
Ich kann es drehen und wenden wie ich will, ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie ich jemals ohne meinen Mann irgendwo ein zufriedenes Leben führen kann, von Glück und Freude rede ich schon gar nicht.
Und dennoch, wäre genau das meine Aufgabe - klingt für mich wie die Quadratur des Kreises und macht meine Stimmung nicht besser.
Ich schreibe schon wieder viel zu viel, fällt mir auf, aber es erleichtert auch ungemein und es ist ja niemand gezwungen, das alles zu lesen. Vielen Dank für dieses Forum, es bedeutet mir inzwischen sehr viel!
Das Schlimmste für mich aktuell ist, dass ich vom Kopf her glaubte schon einiges begriffen zu haben, dass ich alles dazu tue mich nicht abzukapseln, professionelle Hilfe in Anspruch nehme und versuche gut mit mir selbst umzugehen und dennoch bin ich jetzt nach 3 Monaten in einen Abwärtsstrudel hineingeraten, aus dem ich irgendwie nicht mehr herausfinde. Am Abend, wenn ich wieder einen Tag überstanden habe gehts einigermaßen, aber jeden Morgen, so wie auch heute, kommt es mir vor, es zerreisst mich förmlich und es wird jeden Tag noch schlimmer. Mich an andere Menschen zu wenden, funktioniert auf einmal nicht mehr, sondern steigert die seelische Belastung noch mehr, Umarmungen vertrage ich auch nicht mehr, ich habe auch schon darüber nachgedacht, ob es Selbstmitleid ist, was ich da fühle, aber es geht über reines Selbstmitleid hinaus, es ist fast Panik, was ich fühle, wenn ich nur daran denke, etwas zu unternehmen, um mich abzulenken, alle Vorschläge, was mir "gut tun" sollte, lehne ich aus dem Innersten spontan ab. Ich habe in den letzten Tagen zweimal eine halbe Beruhigungstablette genommen, daraufhin wurde ich müde, aber die Seelenqual ist geblieben. Ich habe angefangen, wieder am Abend mich mit Essen vollzustopfen, wie ich es früher immer gemacht hatte, wenn es mir nicht gut ging, jetzt habe ich in 2 Tagen 3Kilo zugenommen und habe auch noch Schuldgefühle deswegen, die zu dem ganzen Packen oben draufkommen (und wirklich funktioniert hat es auch nicht). Bewegung, am besten schnell gehen, mindestens 2 Stunden lang, funktioniert momentan noch am besten, um mich wenigstens am Abend müde zu machen. Es kommen auch immer wieder Gedanken an Selbstmord, einfach aufzugeben, einfach sterben zu wollen (keine Angst, mich selbst umbringen schaffe ich sowieso nicht). Ich versuche, diese Gedanken nicht weiter zu nähren und bereit zu sein, weiterzuleben und mir zu sagen, dass das nur ein vorübergehender Zustand ist. Aber allein der Gedanke, bereit zu sein für einen Neuanfang, zieht mich noch weiter in den Strudel hinein, weil ich mir Sorgen mache, dass ich es nicht schaffe und mir gar nicht ausmalen möchte, wie es wäre in dem Zustand, in dem ich jetzt bin mein restliches Leben verbringen zu müssen. Ich bin so verzweifelt, schon weil ich mich frage, wie das weitergehen soll, wenn es immer schlimmer wird, je länger mein Mann tot ist, es sollte doch irgendwann einmal wenigstens ein bisschen besser werden und nicht immer noch schlimmer.Die einzige Sehnsucht, die ich habe ist, dass mich mein Mann in den Arm nimmt, mich streichelt und tröstet und mir ins Ohr flüstert "keine Sorge, es wird schon wieder" und genau das ist auch ganz bestimmt das Einzige was nie mehr wieder passieren wird. und alles andere ist einfach nur unsagbar traurig und wird von Tag zu Tag nur noch schlimmer.
Gedanken vom 1. September zu dem Thema Schwierigkeiten beim Loslassen, wenn man sich vom verstorbenen Partner nicht verabschieden konnte:
Das stimmt, der Tag begann so unbeschwert und kurz danach war alles aus. Es war ein ganz alltäglicher Abschied im Vertrauen auf ein Wiedersehen am Abend, so sicher wie ich mir jeden Tag sicher war, dass die Sonne nach der Nacht wieder am Horizont erscheint.
Allerdings habe ich meine Gefühle nach dem entsetzlichen Ereignis nicht unterdrückt und mich auch nicht verstellt und wirklich alle an meinem Unglück teilhaben lassen. Vielleicht liegt es auch daran, dass meine Mitmenschen im Großen und Ganzen gut mit mir zurechtkommen.
Bei mir ist es eher ein Widerspruch in mir selbst, der mir zu schaffen macht - ein Teil von mir ist tieftraurig - ein anderer Teil von mir möchte vorwärts schauen und sammelt die seltenen Momente, in denen es mir einmal nicht so schlecht geht - und dann gibt es noch einen Teil, der Mühe hat beide Standpunkte in meine gesamte Person zu integrieren, was meistens damit endet, dass ich in einen dunklen hoffnungslosen Sumpf untertauche, indem sich alle meine Gefühle und Gedanken zu einem chaotischen Brei vermischen, sodass es mir unmöglich wird, die Liebe zu meinem Mann, unser gemeinsames Leben, das der Vergangenheit angehört, die Gegenwart, in der die Zeit still steht, die sehr schwer bis fast unmöglich zu ertragen ist und eine mögliche Zukunft, in der das mir Wichtigste fehlt und ich mir nicht vorstellen kann, wie es gelingen sollte, diese Zukunft lebenswert zu gestalten, zu einem konstruktiven Ganzen zu verschmelzen.
Bei mir sind es also nicht die äußeren Umstände, die mein Leben so schwierig machen, es sind die inneren Vorgänge, die mein ganzes Sein ausfüllen und ein alltägliches Leben unmöglich machen.