Guten Morgen.
Ja... Ich bin anders. Vollkommen anders. Ich war immer aufgeweckt, freundlich, habe in nahezu allem etwas positives gesehen und war in der Regel sehr ausgeglichen und gelassen...
Seit meine Mom nicht mehr ist, seit ich ein Schreikind (ich mag dieses Wort noch immer nicht) hatte...Ich bin anders. Ich fühle mich in mir selbst nicht mehr wohl! Ich bin viel zu schnell gereizt und werde auf einmal laut, laut wegen Kleinigkeiten. Statt Positives sehe ich nun nahezu in allem nur noch Negatives. Ich habe kaum noch Interesse an Aktivitäten außerhalb des Hauses, muss mich zwingen weiterhin zum Babyschwimmen zu gehen oder auch (zumindest manchmal) Einladungen von Bekannten anzunehmen. Ich weiß nicht ob es Außenstehenden auffällt... Mein Mann merkt es, klar! Und man sieht auch, dass ich abgenommen habe. Jedoch war ich schon immer gut im Besitzen von zwei Gesichtern. Ich möchte aber so nicht sein. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich so eine gute Mutter für meine Kinder oder auch eine gute Lebenspartner für meinen Mann sein kann ?.
Trauer bei meinem Vater? Ja wahrscheinlich trauert er auch...auf seine Art. Ehrlich gesagt (und es schmerzt mich, dass ich es so sehe) kann ich mir die Trauer bei ihm nur schwer vorstellen ?. Ja, er hat meine Mom sehr geliebt...sie waren in meiner Kindheit das tollste Paar. Ich war immer stolz wenn ich irgendwo mit ihnen auftauchte... Aber dann kam alles anders. Der Unfall meines Bruders war vermutlich der Wendepunkt... Mein Vater hatte sich verändert. Wegen scheinbar Kleinigkeiten brüllte er meine Mom an, beschimpfte sie aufs Übelste um wenige Stunden später so zu tun als sei nie etwas gewesen. Weil ich wahrscheinlich zu schwach war eine Trennung meiner Eltern zu ertragen, flehte ich meine Mom meist an, dass sie sich wieder vertragen sollen "sie wären doch immer so ein tolles Paar gewesen". Jetzt tut es mir leid, dass ich wahrscheinlich eine Ehe aufrecht gehalten hätte, die keine mehr war.
Dann verschwand Geld, viel Geld und mein Vater packte alles auf ein eigenes Konto, dass es meine Mom nicht verfolgen konnte und es war klar, er spielt. Als er auch da nicht einsichtig war, wollte meine Mom ihn verlassen. Zumindest so lange bis er Hilfe zulassen würde. Als Reaktion auf dieses Gespräch (ich war bei meinen Eltern zu Besuch) stürmte mein Vater in den Keller mit der Äußerung sich umbringen zu wollen. Es tat einen lauten Knall und wir saßen wie versteinert im Wohnzimmer, unfähig irgendwie zu reagieren... Eine lange Zeit saßen wir da. Bis mir bewusst wurde, dass ich helfen muss, sollte er noch leben. Ich rannte in den Keller und da saß er, die Luftpistole noch immer in der Hand, Blut lief ihm das Gesicht herunter und tropfte auf sein Hemd, an der Decke ein tiefer Grater... Er hatte sich einen Streifschuss verpasst. Eine ärztliche Versorgung lehnte er ab. Wenige Tage später versorgte er den Grater in der Kellerdecke, sodass man heute nur noch eine leichte Verfärbungen sieht und für ihn war alles wieder Alltag.
Heute weiß ich selbst, dass wir hätten die Polizei holen müssen...
Mit dieser Aktion hatte er fortan meine Mom im Griff und eigentlich uns alle irgendwie...wer will schon "schuld haben" wenn sich jemand das Leben nimmt. Meine Mom besonders - ihr Bruder hatte sich im Keller des Elternhauses erschossen, da war meine Mom noch keine 20 (mit meinem Vater aber schon lange liiert)...
Meine Eltern haben sich geliebt, da bin ich mir weiterhin sicher, aber die letzten Jahre haben sie diese Liebe eher genutzt um sich weh zu tun. Sie konnten irgendwie nicht ohne einander, aber miteinander ging auch nur noch als WG.
Mein Vater hat sich gut um sie gekümmert die wenigen letzten Wochen, die sie zuhause war. Aber jetzt hält er es mir gerne vor... War ER alles getan hat und wie ER sein Leben für sie aufgegeben hat usw.
Ja, wahrscheinlich trauert er, aber er lebt nun auch auf.
Oh je, hab ich nun viel geschrieben. Das tut mir leid! Es tat aber gut, es zu schreiben...
Danke fürs Lesen.
Euch allen einen akzeptablen Tag heute. Ich schicke euch ein paar Sonnenstrahlen ☀️